Normen
StbG 1985 §10 Abs1
StbG 1985 §10 Abs1 Z7
StbG 1985 §10 Abs2
StbG 1985 §10 Abs3
StbG 1985 §10 Abs5
StbG 1985 §10a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010237.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ der Antrag der Revisionswerberin, einer türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wegen Nichtvorliegens eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts (§ 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG) sowie Fehlens der Nachweise nach § 10a Abs. 1 StbG (ausreichende Deutschkenntnisse und Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und Grundprinzipien sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes) abgewiesen (I.), die Revisionswerberin zum Ersatz der Barauslagen für die Dolmetscherin für die türkische Sprache verpflichtet (II.) und die ordentliche Revision für unzulässig erklärt (III.)
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Ehegatte der Revisionswerberin lebe mit dieser im gemeinsamen Haushalt und habe im maßgeblichen Zeitraum Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen. Da ‑ aus näher dargelegten Gründen ‑ von einer Bedarfsgemeinschaft der beiden Ehegatten auszugehen sei, sei dieser Bezug der Revisionswerberin zuzurechnen.
3 Zudem habe die Revisionswerberin weder den Nachweis nach § 10a Abs. 1 StbG erbracht noch liege ein Ausnahmetatbestand nach § 10a Abs. 2 StbG vor. So sei die im amtsärztlichen Gutachten aus 2015 für erforderlich gehaltene neuerliche Vorlage eines psychiatrischen Facharztbefundes (für den Nachweis der Unzumutbarkeit der Erfüllung der Integrationsvereinbarung) nicht erfolgt.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe das vorgelegte amtsärztliche Gutachten beanstandet, „weil sie aktuell sei“, habe aber nicht die Einholung eines neuen Gutachtens angeordnet. Daher sei das Verwaltungsgericht von (näher zitierter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Amtswegigkeitsprinzip abgewichen.
8 Zu diesem Vorbringen ist zunächst auf die Mitwirkungspflicht im Verleihungsverfahren nach dem StbG hinzuweisen (vgl. zu § 4 StbG etwa VwGH 20.12.2016, Ro 2014/01/0030, mwN). Darüber hinaus ist allgemein darauf zu verweisen, dass die Frage, ob eine Beweisaufnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig ist, der einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unterliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 14.3.2019, Ra 2019/01/0071, mwN).
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zur Frage, ob die „rechtliche Bedarfsgemeinschaft“ ausreichend sei, um die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen Bezug von Mindestsicherung eines Familienangehörigen (hier des Ehegatten) zu verwehren, oder ob eine „tatsächliche Bedarfsgemeinschaft“ gegeben sein müsse.
10 Zu diesem Vorbringen ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG der Bezug von Sozialhilfeleistungen durch dritte Personen, die mit der Antragstellerin (ohne Unterhaltsverpflichtungen) im gemeinsamen Haushalt leben, der Antragstellerin zugerechnet werden muss, wenn die Sozialhilfeleistungen der Antragstellerin in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zugutekommen. In diesem Fall kann sie daher keine „Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften“ nachweisen (vgl. VwGH 12.12.2019, Ro 2019/01/0010).
11 Dies kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil sich das Verwaltungsgericht ‑ wie oben dargelegt ‑ auf ein weiteres Verleihungshindernis gestützt hat, das geeignet ist, das angefochtene Erkenntnis zu tragen. Jedem der in § 10 Abs. 1 bis 3 StbG umschriebenen Verleihungshindernisse kommt jeweils eine eigenständige Bedeutung ‑ ohne Bedachtnahme auf andere Verleihungshindernisse ‑ zu (vgl. VwGH 30.9.2019, Ra 2018/01/0227, mwN). Dies gilt auch für das Fehlen von Nachweisen nach § 10a StbG.
12 In der Revision werden aus diesen Gründen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2020
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
