VwGH Ra 2019/19/0553

VwGHRa 2019/19/05539.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der A K, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2019, Zl. W129 2200170-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190553.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte am 18. März 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 5. Juni 2018 zur Gänze ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 2019, E 3279/2019-5, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

5 In der Folge erhob die Revisionswerberin die gegenständliche außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision, die sich inhaltlich ausschließlich gegen die Rückkehrentscheidung wendet, wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausgeführt, dass die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG in mehreren Punkten nicht entsprechend den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätzen in vertretbarer Weise vorgenommen worden sei. Zum einen habe das Bundesverwaltungsgericht auf wesentliche, seitens der Revisionswerberin im Verfahren vorgebrachte Fakten nicht Bezug genommen und hinsichtlich allfälliger Änderungen im Privat- und Familienleben der Revisionswerberin seit Durchführung der mündlichen Verhandlung kein Parteiengehör eingeräumt. Zum anderen habe das Bundesverwaltungsgericht weder berücksichtigt, dass zwischen der Erstbefragung und der inhaltlichen Einvernahme durch das BFA mehr als fünf Jahre vergangen seien, noch auf Gründe Bedacht genommen, die in der Person des (in Österreich asylberechtigten und im gemeinsamen Haushalt lebenden) Ehegatten der Revisionswerberin gelegen seien. Es hätte insbesondere in seine Entscheidung miteinbeziehen müssen, dass der Ehegatte zu siebzig Prozent körperlich beeinträchtigt und auf die Hilfe der Revisionswerberin im täglichen Leben angewiesen sei. 8 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 31.7.2019, Ra 2019/19/0279, mwN). Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines dem angefochtenen Erkenntnis anhaftenden Verfahrensmangels geltend gemacht, ist der Verfahrensmangel zu präzisieren und dessen Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0188, mwN).

9 Mit den allgemeinen Behauptungen, das Bundesverwaltungsgericht habe auf wesentliche, seitens der Revisionswerberin im Verfahren vorgebrachte Fakten nicht Bezug genommen sowie hinsichtlich allfälliger Änderungen im Privat- und Familienleben der Revisionswerberin seit Durchführung der mündlichen Verhandlung kein Parteiengehör eingeräumt, wird diesen Anforderungen schon deshalb nicht entsprochen, weil die Revision nicht näher ausführt, auf welche Fakten bzw. Änderungen im Privat- und Familienleben sie sich bezieht.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0521, mwN).

11 Wie der Verwaltungsgerichthof bereits ausgesprochen hat, ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an seinem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0169, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung allerdings auch schon wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289).

12 Soweit die Revision rügt, das Bundesverwaltungsgericht habe die lange Dauer des verwaltungsbehördlichen Verfahrens nicht berücksichtigt, sind ihr dessen diesbezügliche Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis entgegen zu halten, wonach die gegenständlich gegebene Aufenthaltsdauer von etwas mehr als sechs Jahren nicht als so lange zu bewerten sei, dass diese das Interesse des Verbleibs der Revisionswerberin in Österreich zum Überwiegen bringen würde oder in ihrer Gesamtheit nicht hinreichende Privatinteressen am Verbleib maßgeblich aufwerten könnte. Dass das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Beurteilung von den genannten Grundsätzen abgewichen wäre, wird von der Revision nicht dargetan.

13 Das Vorbringen, wonach das Bundesverwaltungsgericht die Abhängigkeit des Ehemannes von der Revisionswerberin im täglichen Leben nicht berücksichtigt habe, stellt eine unzulässige Neuerung dar, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich (§ 41 VwGG) ist.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs.  1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. Jänner 2020

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