VwGH Ra 2019/19/0433

VwGHRa 2019/19/043323.6.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des J X, vertreten durch Mag. Eva Velibeyoglu, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Columbusgasse 65/22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2019, W153 2218844‑1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190433.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, stellte am 11. Juli 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe Probleme mit der chinesischen Regierung und mit „Gangstern“ in Zusammenhang mit der Enteignung und dem Abriss seines Hauses gehabt.

2 Mit Bescheid vom 11. April 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung „nach China“ zulässig sei, erließ gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot, sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und erkannte einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab.

3 Begründend führte das BFA ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ aus, das Fluchtvorbringen sei unglaubwürdig und selbst bei Wahrunterstellung nicht konventionsrelevant. Eine Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Revisionswerbers, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich gewesen sei.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ insoweit statt, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabsetzte, die Aussprüche über das Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde ersatzlos behob und eine Frist für die freiwillige Ausreise festlegte. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das BVwG ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ aus, es schließe sich der Beurteilung des BFA an, wonach der Revisionswerber eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen habe können. Dem Revisionswerber drohe im Fall einer Rückkehr kein reales Risiko einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK. Das BFA sei zu Recht vom Vorliegen des Tatbestandes des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ausgegangen, sodass die Erlassung eines Einreiseverbotes dem Grunde nach zu Recht erfolgt sei, dessen Dauer allerdings herabzusetzen gewesen wäre.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, um das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers zu überprüfen und sich damit im Einzelfall auseinanderzusetzen. Das Vorbringen und die Beschwerde würden „viele Fragen [aufwerfen], die ohne mündliche Verhandlung nicht geklärt werden können“. Die Beweiswürdigung erschöpfe sich darin, dem Revisionswerber die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Eine Ermittlung des konkreten Sachverhaltes sei unterblieben.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA‑VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:

11 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA‑VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2018/19/0501, mwN).

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach festgehalten, dass ein Revisionswerber, der ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, konkret anzuführen hat, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. etwa VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0609, mwN).

13 Eine solche Darstellung findet sich in den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision nicht. Die Revision zeigt mit ihrem bloß allgemeinen, nicht auf den konkreten Revisionsfall Bezug nehmenden Vorbringen nicht auf, inwiefern die Voraussetzungen für das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen wären.

14 Auch mit ihrem übrigen, die Beweiswürdigung und die Sachverhaltsermittlung ansprechenden Zulässigkeitsvorbringen legt die Revision nicht konkret dar, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0188, mwN).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 23. Juni 2020

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte