Normen
AgrGG Stmk 1985 §2 Abs2
AgrGG Stmk 1985 §4 Abs3 litb
VwRallg
WWSGG §15
WWSGG §19 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019070128.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Kaufvertrag vom 28. August 2018 veräußerte die Erstrevisionswerberin die mit ihrer Liegenschaft EZ 15, KG S., verbundenen 5/14.358 Anteilsrechte an der mitbeteiligten Agrargemeinschaft an den Zweitrevisionswerber.
2 Gemäß der Aufsandungserklärung dieses Vertrags sollen diese Anteilsrechte von der Liegenschaft EZ 15, KG S., abgeschrieben und der im Eigentum des Zweitrevisionswerbers stehenden Liegenschaft EZ 430, KG R. ‑ einem bislang an der mitbeteiligten Agrargemeinschaft nicht beteiligten Waldgrundstück ‑ zugeschrieben werden. Zudem stimmten die revisionswerbenden Parteien der Löschung der Liegenschaft EZ 15, KG S., in ihrer Eigenschaft als Stammsitzliegenschaft (der mitbeteiligten Partei) im Grundbuch zu.
3 Da die Vollversammlung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft über dieses Rechtsgeschäft am 23. Februar 2019 einen ablehnenden Beschluss fasste, beantragte die Erstrevisionswerberin mit (verbesserter) Eingabe vom 9. Mai 2019 bei der belangten Behörde die Bewilligung der Absonderung der Anteilsrechte im Sinn des Kaufvertrags vom 28. August 2018.
4 Mit Bescheid vom 2. Juli 2019 wies die belangte Behörde diesen Antrag ab.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
6 Begründend führte es aus, die Agrarbehörde könne gemäß § 4 Abs. 6 iVm. Abs. 3 Steiermärkisches Agrargemeinschaftengesetz 1985 (StAgrGG 1985) die Absonderung von Anteilsrechten auch gegen den Willen der Agrargemeinschaft verfügen.
7 Dazu bestimme § 4 Abs. 3 lit. a StAgrGG 1985 als erste negative Voraussetzung, dass eine Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten, die dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträglich sei, einen Versagungsgrund darstelle. Die belangte Behörde sei in ihrem Bescheid davon ausgegangen, dass eine abträgliche Zersplitterung alleine schon deshalb vorliege, weil die Anteilsrechte nicht der ebenfalls im Eigentum des Zweitrevisionswerbers stehenden und an der Agrargemeinschaft bereits beteiligten Liegenschaft EZ 139 KG K., sondern einer noch nicht beteiligten Liegenschaft zugeschrieben würden. Tatsächlich erhöhe sich mit der Übertragung sämtlicher Anteilsrechte von einer auf eine neue Stammsitzliegenschaft weder die Anzahl der beanteilten Stammsitzliegenschaften, noch das Ausmaß der Anteilsrechte je Stammsitzliegenschaft. Eine Zersplitterung der Anteilsrechte würde daher mit der angestrebten Übertragung nicht eintreten.
8 § 4 Abs. 3 lit. b StAgrGG 1985 bestimme als zweite negative Voraussetzung, dass die Genehmigung seitens der Agrarbehörde zu versagen sei, wenn begründete Umstände dafür sprächen, dass der Anteilsrechtserwerb nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus anderweitigen Zwecken angestrebt werde. Wichtigstes Element, auf welches sich auch das Beschwerdevorbringen berufen habe, sei die Auslegung des Worts „wirtschaftlich“, anhand dessen bestimmt werde, was unter „anderweitigen Zwecken“ im Sinn der genannten Bestimmung zu verstehen sei. Hierzu sei auszuführen, dass das Wort „wirtschaftlich“ ein auslegungsbedürftiger unbestimmter Gesetzesbegriff sei.
9 Im vorliegenden Fall könne nach Ansicht des Verwaltungsgerichts mit der Heranziehung des Gesetzes für die Bestimmung des Begriffs „wirtschaftlich“ das Auslangen gefunden werden. Aus § 2 Abs. 2 StAgrGG 1985 gehe hervor, dass agrargemeinschaftliche Grundstücke solche seien, die von den Eigentümern von Stammsitzliegenschaften gemeinschaftlich oder wechselseitig zur Deckung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaft, insbesondere des Haus- und Gutsbedarfs, benutzt würden. Bilde lediglich ein Waldgrundstück die Stammsitzliegenschaft, liege kein Bedarf (hier: an Forstprodukten) vor.
10 Daraus zog das Verwaltungsgericht den Schluss, das Wort „wirtschaftlich“ in § 4 Abs. 3 lit. b StAgrGG 1985 sei nicht als „marktwirtschaftlich“, also unmittelbar zur Einkommenserzielung, sondern als „land- und forstwirtschaftlich“, also zur Versorgung der Stammsitzliegenschaften mit für deren Bewirtschaftung „dienlichen Produkten“, zu verstehen.
11 Der in der Beschwerde vorgebrachte Einwand, der Erlös aus der Veräußerung von Holz träte an die Stelle des Holzwerts, zeige einzig anderweitige, nämlich marktwirtschaftliche Interessen an der Verbindung der agrargemeinschaftlichen Anteilsrechte mit der bisher nicht beanteilten Stammsitzliegenschaft des Zweitrevisionswerbers. Daraus folge, dass die belangte Behörde zu Recht die angestrebte Veränderung nicht verfügt habe, weil die Übertragung aus „anderweitigen Zwecken“ angestrebt werde.
12 Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B‑VG.
13 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufheben.
14 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück‑ bzw. Abweisung der Revision beantragte.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des in § 4 Abs. 3 lit. b StAgrGG 1985 verwendeten Begriffs „wirtschaftlich“. Dazu wird festgehalten, bislang sei eine erhebliche Anzahl von Anteilsrechten der mitbeteiligten Agrargemeinschaft auf „unbebaute“ Stammsitzliegenschaften, die allesamt zu deren Bewirtschaftung keinerlei „dienlicher Produkte“ aus der Agrargemeinschaft bedürften, „gelegt“ worden. Angesichts dessen, dass auch andere Agrargemeinschaften mit der Frage konfrontiert seien, ob und in welchem Ausmaß Anteilsrechte mit „unbebauten“ Liegenschaften verbunden werden dürften, sei davon auszugehen, dass die Frage nach der Auslegung des Wortes „wirtschaftlich“ über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.
19 Damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
20 Nach § 2 Abs. 2 zweiter Satz StAgrGG 1985 ist eine Stammsitzliegenschaft eine wirtschaftliche Einheit, der das Anteilsrecht zur Deckung der wirtschaftlichen Bedürfnisse, insbesondere des Haus- und Gutsbedarfes, zu dienen hat.
21 Nach § 4 Abs. 3 lit. b StAgrGG 1985 ist die Bewilligung der Absonderung eines Anteilsrechts von der Agrarbehörde zu versagen, wenn begründete Umstände dafür sprechen, dass der Anteilsrechtserwerb nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus anderweitigen Zwecken angestrebt wird.
22 Der Versagungsgrund des § 4 Abs. 3 lit. b StAgrGG 1985 ist seinem Inhalt nach nichts anderes als die fallbezogene Ausformulierung des der Bodenreformgesetzgebung insgesamt zu Grunde liegenden öffentlichen Interesses an der Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft (vgl. VwGH 26.2.2015, 2013/07/0245; 19.4.1994, 90/07/0074). Damit korreliert der gesetzgeberische Wille in § 4 Abs. 3 lit. b StAgrGG 1985, wonach Anteilsrechtserwerbe, die in rein spekulativer Absicht getätigt wurden, verhindert werden sollen (vgl. ErläutRV 46 BlgLT 5. GP, 54).
23 Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft sind mit den Stammsitzliegenschaften verbunden; die Stammsitzliegenschaften sind Träger der Anteilsrechte (vgl. VwGH 30.3.2017, Ra 2016/07/0111). Ein Anteilsrechtserwerb wird daher insbesondere dann nicht aus wirtschaftlichen, sondern anderweitigen Zwecken im Sinn des § 4 Abs. 3 lit. b StAgrGG 1985 angestrebt, wenn das Anteilsrecht auf eine Liegenschaft, zu deren Bewirtschaftung die Nutzungen aus dem Anteilsrecht überhaupt nicht notwendig sind, übertragen werden soll (vgl. hierzu ausdrücklich die vergleichbare Rechtslage nach § 37 Abs. 2 lit. b iVm. Abs. 3 Oö. FLG. 1979).
24 In diesem Zusammenhang geht aus dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 2 zweiter Satz StAgrGG 1985 hervor, dass ein Anteilsrecht grundsätzlich der Deckung der „wirtschaftlichen Bedürfnisse“, insbesondere des Haus- und Gutsbedarfs, einer Stammsitzliegenschaft zu dienen hat. Bildet ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ lediglich ein (als Wald bewirtschaftetes) Waldgrundstück die Stammsitzliegenschaft, besteht daher regelmäßig kein Bedarf an durch das agrargemeinschaftliche Anteilsrecht vermittelten forstlichen Nutzungsrechten, weil diese nicht der Deckung von wirtschaftlichen Bedürfnissen dieses Grundstückes dienen.
25 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen ‑ wie vorliegend ‑ klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor; das selbst dann, wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 27.8.2019, Ra 2018/08/0188, mwN). Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
26 Da sich die Revision schon deshalb als unzulässig erweist, war auf die in der Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei in Zweifel gezogene Revisionslegitimation des Zweitrevisionswerbers nicht näher einzugehen (vgl. etwa VwGH 8.7.2004, 2004/07/0057; 28.3.1995, 94/07/0107).
27 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. Juli 2020
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