Normen
FlVfGG §15;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §17;
FlVfGG §23;
FlVfGG §37 Abs1;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc;
FlVfLG Tir 1996 §34 Abs1;
FlVfLG Tir 1996 §35 Abs2;
FlVfLG Tir 1996 §35 Abs4;
FlVfLG Tir 1996 §35 Abs5;
FlVfLG Tir 1996 §35;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016070111.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den revisionswerbenden Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind Mitglieder der mitbeteiligten Agrargemeinschaft.
In der Vollversammlung der Agrargemeinschaft vom 27. Mai 2016 fand (unter anderem) die Wahl des Ausschusses statt. Bei dieser Wahl wurde jenen Mitgliedern der Agrargemeinschaft, die Eigentümer mehrerer Stammsitzliegenschaften waren, ein Stimmzettel pro Stammsitzliegenschaft ausgefolgt; diese Mitglieder verfügten daher über mehr als eine Stimme.
2 Gegen das auf diese Weise zustande gekommene Wahlergebnis wandten sich unter anderem die revisionswerbenden Parteien an die Agrarbehörde und brachten vor, in der Vergangenheit sei pro Mitglied immer nur ein einziger Stimmzettel ausgeteilt worden. Wenn dies auch diesmal der Fall gewesen wäre, hätte die Wahl ein anderes Ergebnis bringen können.
3 Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vom 12. August 2016 wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens als unbegründet abgewiesen.
4 Dagegen erhoben ua die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG), in der sie - im hier interessierenden Zusammenhang - vorbrachten, bei der Wahl der Ausschussmitglieder der Agrargemeinschaft am 27. Mai 2016 sei nicht satzungskonform abgestimmt worden. Nach der Satzung hätte bei der Wahl des Ausschusses jedes Mitglied (nur) eine Stimme; bei dieser Wahl hätten aber Mitglieder, die Eigentümer mehrerer Stammsitzliegenschaften seien, je nach der Anzahl der Stammsitzliegenschaften bis zu vier Stimmrechte ausgeübt.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 27. Oktober 2016 wies das LVwG die Beschwerden als unbegründet ab. Dies wurde nach Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 33 und 37 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996) und der §§ 3 und 5 der Satzung der Agrargemeinschaft aus dem Jahr 2004 damit begründet, dass das im Akt aufliegende Mitgliederverzeichnis mit Stand vom 24. Mai 2016 insgesamt 31 anteilsberechtigte Stammsitzliegenschaften aufweise. Nach diesen ebenfalls im Akt befindlichen Unterlagen seien sämtliche Eigentümer und Miteigentümer sowie Bevollmächtigte zur Vollversammlung am 27. Mai 2016 eingeladen worden. Es seien 30 Stück Stimmzettel ausgegeben und wiederum eingesammelt worden.
6 Anteilsberechtigt an der Agrargemeinschaft seien die jeweiligen Stammsitzliegenschaften mit den dort festgeschriebenen Anteilsrechten. Die Stammsitzliegenschaften würden durch ihre jeweiligen Eigentümer vertreten. Dies manifestiere sich insbesondere auch in der Bestimmung des § 34 Abs. 1 TFLG 1996, wonach die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sei (Stammsitzliegenschaften), einschließlich jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustünden, eine Agrargemeinschaft bildeten. Der belangten Behörde sei beizupflichten, wenn diese ausführe, dass der Einblick in das aktuelle Grundbuch zeige, dass bei der Agrargemeinschaft nicht natürliche Personen die Mitglieder darstellten, sondern die einzelnen Stammsitzliegenschaften.
7 Wenn nunmehr einzelne Eigentümer mehrere Stammsitzliegenschaften, die an der Agrargemeinschaft anteilsberechtigt seien, im Eigentum hätten, so folge aus den vorstehenden Ausführungen, dass diese dann entsprechend mehr als ein Stimmrecht hätten. Aus dem im Akt befindlichen Mitgliederverzeichnis ergebe sich, dass einzelne Eigentümer bis zu vier Stammsitzliegenschaften verträten und somit bis zu vier Stimmrechte ausüben könnten. Dies stehe in keiner Weise im Widerspruch zu § 5 Abs. 1 der derzeit in Geltung stehenden Verwaltungssatzung für die Agrargemeinschaft.
8 Zusammenfassend sei festzuhalten, dass an der mitbeteiligten Agrargemeinschaft derzeit 31 Stammsitzliegenschaften anteilsberechtigt seien. Zur Wahl am 27. Mai 2016 seien sämtliche Eigentümer bzw. Miteigentümer bzw. Bevollmächtigte von Stammsitzliegenschaften auf Grund der im Akt der belangten Behörde einliegenden Unterlagen eingeladen worden. Entgegen dem Beschwerdevorbringen sei festzuhalten, dass an der Agrargemeinschaft die jeweiligen Stammsitzliegenschaften anteilsberechtigt seien. Sei eine Person Eigentümerin mehrerer Stammsitzliegenschaften, so sei sie auch mit diesen Stammsitzliegenschaften mehrfach an der Agrargemeinschaft anteilsberechtigt und könne für jede dieser Stammsitzliegenschaften auch ihr Stimmrecht bei der Wahl ausüben. Die durchgeführte Wahl bei der Vollversammlung vom 27. Mai 2016 verstoße daher weder gegen das TFLG 1996 noch gegen eine Verordnung auf Grund des TFLG 1996 oder gegen den Regulierungsplan und habe auch keine wesentlichen Interessen der Revisionswerber verletzt.
9 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Erkenntnisses geltend macht.
11 In der Zulässigkeitsbegründung heißt es, die Revision hänge von der Rechtsfrage ab, ob einer natürlichen Person, die Eigentümerin mehrerer an einer Agrargemeinschaft anteilsberechtigter Stammsitzliegenschaften sei, bei Wahlen des Ausschusses insgesamt nur eine Stimme oder eine Stimme pro Stammsitzliegenschaft zukomme. Zu dieser Frage bestehe - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Sie stelle sich auch nicht nur im Einzelfall, weil sich der Umstand, dass bei Organwahlen nach Köpfen abzustimmen sei, zum einen aus dem Gesetz selbst (vgl. § 35 TFLG 1996) und zum anderen auch aus den (Muster‑)Satzungen ergebe, wonach jedem Mitglied nur eine Stimme zustehe.
12 Die mitbeteiligte Agrargemeinschaft erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich den Entscheidungen der belangten Behörde und des Landesverwaltungsgerichtes anschloss.
13 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie mit näherer Begründung die kostenpflichtige Abweisung der außerordentlichen Revision beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
16 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 2. Die Frage, ob sich das Stimmrecht eines Mitglieds einer Agrargemeinschaft nach der Anzahl der in seinem Eigentum stehenden Stammsitzliegenschaften richtet (und es somit seine Mitgliedschaft und das damit verbundene Stimmrecht je nach Anzahl der Stammsitzliegenschaften "vervielfältigt") oder ob - ungeachtet dessen - pro Mitglied nur ein einziges Stimmrecht in Frage kommt, steht im Mittelpunkt der von den revisionswerbenden Parteien als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage.
Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.
3. Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des TFLG 1996 (in der Fassung der TFLG-Novelle 2014, LGBl Nr. 70) haben folgenden Wortlaut:
"§ 33. Agrargemeinschaftliche Grundstücke
(1) Agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke, die von allen oder mehreren Mitgliedern einer Gemeinde oder von den Mitgliedern einer Nachbarschaft, einer Interessentschaft, einer Fraktion oder einer ähnlichen Mehrheit von Berechtigten kraft einer mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundenen oder einer persönlichen (walzenden) Mitgliedschaft gemeinschaftlich und unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke auf Grund alter Übung genutzt werden. Als gemeinschaftliche Nutzung gilt auch eine wechselweise sowie eine nach Raum, Zeit und Art verschiedene Nutzung.
(2) ...
§ 34. Agrargemeinschaften
(1) Die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist (Stammsitzliegenschaften), bildet einschließlich jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen, sowie bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs. 2 lit. c einschließlich der substanzberechtigten Gemeinde, eine Agrargemeinschaft.
(2) ...
§ 35. Organe, Willensbildung, Vertretung nach außen
(1) Die Organe der Agrargemeinschaften sind:
a) die Vollversammlung
b) der Ausschuss
c) der Obmann
(2) Die Vollversammlung ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder der Agrargemeinschaft, im Fall einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 1 auch die Gemeinde, ordnungsgemäß eingeladen wurden und mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend sind; sind zur festgesetzten Zeit nicht mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend, so ist die Vollversammlung nach Ablauf einer halben Stunde ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig. Die Einladung ist ordnungsgemäß, wenn sie auf der Grundlage des nach Abs. 7 geführten Mitgliederverzeichnisses erfolgt oder sonst in einer in den Satzungen festgelegten Art, wie ortsübliche Kundmachung, Verlautbarung in einem den Mitgliedern allgemein zugänglichen periodischen Druckwerk, Anberaumung an einem bestimmten Tag im Jahr, nach einer bestimmten Veranstaltung oder sonstigen Übung, vorgenommen wird. Sind Anteilsrechte festgelegt, so ist zu einem Beschluss der Vollversammlung die Mehrheit der Anteilsrechte der anwesenden Mitglieder erforderlich. Sind keine Anteilsrechte festgelegt, so beschließt die Vollversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Anteils- oder Stimmengleichheit gibt die Stimme des Obmannes den Ausschlag.
(3) Die Mitglieder haben ihre Stimmen persönlich oder durch schriftlich Bevollmächtigte abzugeben. Von der Beibringung einer schriftlichen Vollmacht kann abgesehen werden, wenn ein Mitglied durch ein dem Obmann bekanntes Familienmitglied vertreten wird und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht bestehen. Ein Bevollmächtigter darf höchstens zwei Mitglieder vertreten.
(4) Die Zahl der Mitglieder des Ausschusses ist von der Agrarbehörde je nach Größe der Zahl der Mitglieder der Agrargemeinschaft mit höchstens 15 v.H. der Mitglieder der Agrargemeinschaft, mindestens aber mit drei Mitgliedern festzusetzen. Die Mitglieder des Ausschusses sind von der Vollversammlung aus ihrer Mitte für die Dauer von fünf Jahren zu wählen. Als gewählt gelten der Reihe nach jene Mitglieder (Ersatzmitglieder), die die meisten Stimmen, die ohne Rücksicht auf die von den Stimmberechtigten vertretenen Anteilsrechte zu werten sind, auf sich vereinen. Jedes Mitglied der Agrargemeinschaft ist verpflichtet, die Wahl anzunehmen. Eine Neuwahl ist durchzuführen, wenn es mindestens die Hälfte der Ausschussmitglieder verlangt oder die Zahl der Ausschussmitglieder trotz Einberufung der Ersatzmitglieder unter die Hälfte absinkt.
(5) Die Mitglieder des Ausschusses haben unmittelbar nach ihrer Wahl aus ihrer Mitte den Obmann und dessen Stellvertreter in getrennten Wahlgängen zu wählen. Als gewählt gilt, wer die meisten Stimmen auf sich vereint.
(6) ...
§ 87. Inkrafttreten, allgemeine Übergangsbestimmungen
(1) ...
(2) Stehen Bestimmungen des Regulierungsplans, der Satzung oder des Wirtschaftsplans einer Agrargemeinschaft im Widerspruch zu diesem Gesetz oder einer Verordnung, die aufgrund dieses Gesetzes erlassen wurde, so sind die einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes bzw. der betreffenden Verordnung anzuwenden. Unabhängig davon sind die Bestimmungen der Satzung anzupassen und ist der diesbezügliche Organbeschluss der Agrarbehörde innerhalb eines Jahres ab dem Inkrafttreten der betreffenden Bestimmungen zur Genehmigung vorzulegen."
18 3. Im angefochtenen Erkenntnis vertritt das LVwG - wie zuvor schon die belangte Behörde - die Ansicht, Mitglieder der Agrargemeinschaft wären nicht natürliche Personen, sondern die einzelnen Stammsitzliegenschaften. Dies wird aus der Bestimmung des § 34 Abs. 1 TFLG 1996 und aus dem Grundbuchstand abgeleitet. Daher wäre ein Eigentümer mehrerer Stammsitzliegenschaften als Folge dieser mehreren Mitgliedschaften auch mehrfach stimmberechtigt. Demgegenüber verweisen die revisionswerbenden Parteien auf zahlreiche personenbezogene Bestimmungen des TFLG 1996 bzw. der Satzung, aus denen ableitbar ist, dass das Mitglied der Agrargemeinschaft nicht die Stammsitzliegenschaft sondern eine (einzige) physische Person sein muss.
19 3.1. Die Agrargemeinschaft ist Eigentümerin agrargemeinschaftlicher Grundstücke. Auf diesen Grundstücken lasten Nutzungsrechte zugunsten bestimmter Liegenschaften, den sogenannten Stammsitzliegenschaften.
Zutreffend betonte das LVwG, dass die Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft mit den Stammsitzliegenschaften verbunden sind; dies ergibt sich aus § 34 Abs. 1 TFLG 1996, wonach Stammsitzliegenschaften solche Liegenschaften sind, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist. Die Stammsitzliegenschaften sind die Träger der Nutzungsrechte (Anteilsrechte).
Je nach Stammsitzliegenschaft kann das Ausmaß dieser Nutzungsrechte allerdings stark variieren; aus dem jeweiligen Regulierungsplan der Agrargemeinschaft ergibt sich, über welche Anteilsrechte (Art und Ausmaß) an einer Agrargemeinschaft eine Stammsitzliegenschaft konkret verfügt.
20 3.2. Die Agrargemeinschaft agiert durch ihre Organe, nämlich durch die Vollversammlung, den Ausschuss und den Obmann; der Ausschuss wird von der Vollversammlung gewählt.
21 Wenn das TFLG 1996 im Zusammenhang mit der Willensbildung der Agrargemeinschaft (bei Beschlussfassungen und Wahlen) von "Mitgliedern" der Agrargemeinschaft spricht, meint es damit nicht die Stammsitzliegenschaften an sich, sondern deren Eigentümer. Auch dies ergibt sich aus § 34 Abs. 1 TFLG 1996, wonach eine Agrargemeinschaft - abgesehen von Personen mit walzenden Anteilsrechten - durch die "Gesamtheit der Eigentümer" (der Stammsitzliegenschaften) gebildet wird.
22 3.3. Während die Stammsitzliegenschaft Trägerin der unterschiedlich ausgestalteten Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft ist, ist der jeweilige Eigentümer der Stammsitzliegenschaft Mitglied der Agrargemeinschaft und nimmt in dieser Funktion an der Willensbildung der Agrargemeinschaft teil. Dazu tritt neben jenen Personen, denen walzende Rechte zustehen, bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs. 2 lit. c leg.cit. als weiteres Mitglied auch die Gemeinde.
23 4. § 35 TFLG 1996 regelt die Willensbildung in den Organen der Agrargemeinschaft. Während Abs. 2 dieser Bestimmung die Beschlussfassung über Anträge (zB im Zusammenhang mit der Wirtschaftsführung) durch die Vollversammlung im Auge hat, befassen sich die Abs. 4 und 5 mit den Wahlen.
24 4.1. Dabei sind grundsätzlich zwei Abstimmungsarten zu unterscheiden, die im Gesetz vorgezeichnet sind.
Entweder ist die Mehrheit der Stimmen unter Berücksichtigung der Anteilsrechte zu bestimmen (so § 35 Abs. 2 dritter Satz TFGL 1996) oder es wird ohne Rücksicht auf das Ausmaß der Anteilsrechte pro Kopf abgestimmt (so § 35 Abs. 2 vierter Satz oder § 35 Abs. 4 dritter Satz TFLG 1996).
25 Das TFLG 1996 stellt der Abstimmung nach Anteilsrechten die Abstimmung nach Köpfen gegenüber. Eine Abstimmung nach der Anzahl der Stammsitzliegenschaften, die ein Mitglied sein eigen nennt, somit die angesprochene "Vervielfachung der Mitgliedsposition" eines einzigen Mitglieds, kennt das Gesetz hingegen nicht.
26 Die - im Vergleich zum Eigentümer einer einzigen Stammsitzliegenschaft - stärkere Position eines "Vielfacheigentümers" wird - bei typisierender Betrachtung - durch das höhere Ausmaß seiner Anteilsrechte bei Beschlussfassungen über Anträge zur Geltung gebracht. Ist ein Mitglied Eigentümer mehrerer Stammsitzliegenschaften, so kann es alle Anteilsrechte dieser Stammsitzliegenschaften bei einer Abstimmung nach Anteilsrechten in die Waagschale werfen. Es bleibt aber bei einer einmaligen Mitgliedschaft.
27 4.2. Auf den hier strittigen Fall der Wahl von Ausschussmitgliedern ist die Bestimmung des § 35 Abs. 4 TFLG 1996 anzuwenden. Demnach gelten die Mitglieder als gewählt, "die die meisten Stimmen, die ohne Rücksicht auf die von den Stimmberechtigten vertretenen Anteilsrechte zu werten sind, auf sich vereinen."
28 Diese Regelung stellt ohne Zweifel die Anordnung einer Abstimmung nach Köpfen dar (vgl. dazu auch Lang, Tiroler Agrarrecht II, S. 204, wonach "Wahlen nach Köpfen und nicht nach Anteilen (erfolgen); Wahlen sind keine Beschlüsse."). Bei einer Wahl kommt es somit - im Unterschied zu sonstigen Beschlussfassungen - auf das Ausmaß der Anteilsrechte nicht an. Jedes Mitglied hat dabei - ungeachtet der Anzahl der Stammsitzliegenschaften, deren Eigentümer es ist - nur eine einzige Stimme.
29 4.3. In diesem Sinne ist im Übrigen auch die Bestimmung des § 5 Abs. 1 letzter Satz der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft zu verstehen, wonach bei der Wahl des Ausschusses "jedem Mitglied eine Stimme zusteht".
30 Wegen der Bestimmung des § 87 Abs. 2 TFLG 1996 erübrigte sich im Übrigen ein weiteres Eingehen auf die Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft; wäre dort eine entgegen gesetzte Regelung getroffen worden, hätte sie aufgrund dieser gesetzlichen Anordnung zwischenzeitig ihre Gültigkeit verloren.
31 5. Im Akt erliegt ein Mitgliederverzeichnis der mitbeteiligten Agrargemeinschaft. Diesem ist neben den einzelnen Stammsitzliegenschaften und ihren Eigentümern auch die (durchaus unterschiedliche) Anzahl der Anteilsrechte der einzelnen Stammsitzliegenschaften zu entnehmen.
32 Bei Beschlüssen nach § 35 Abs. 2 TFLG wäre bei Abstimmungen auf die Mehrheit dieser Anteilsrechte abzustellen, bei Wahlen nach § 35 Abs. 4 TFLG 1996 hingegen nur auf die Mehrheit der "Köpfe", dh. der Mitglieder.
33 Es ist unstrittig, dass die hier in Rede stehende Wahl des Ausschusses der Vollversammlung nicht "nach Köpfen" erfolgte. Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage und war geeignet, Rechte der revisionswerbenden Parteien als Mitglieder der Agrargemeinschaft zu verletzen.
34 6. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
35 7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 30. März 2017
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