VwGH Ra 2018/19/0628

VwGHRa 2018/19/062813.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des A H, vertreten durch Mag. Friedrich Filzmaier, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Maiffredygasse 8/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2018, W107 2160932-1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018190628.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 24. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei im Iran geboren und aufgewachsen, wo er Feinde gehabt habe. In Afghanistan habe er niemand; er kenne das Land nicht.

2 Mit Bescheid vom 3. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend ging das BVwG - soweit hier relevant - davon aus, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Provinz Herat sowie in den Städten Kabul und Mazar-e Sharif offen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision, die sich nur gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die darauf aufbauenden Spruchpunkte richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, dem Revisionswerber sei als jungem Erwachsenen die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht zumutbar, zumal er nicht "selbsterhaltungsfähig" sei und in eine ausweglose Situation geraten würde. Auch habe sich das BVwG nicht mit vom Revisionswerber vorgelegten Berichten zur Lage in Afghanistan auseinandergesetzt.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0644, mwN).

9 Dies gelingt der Revision nicht. Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Beurteilung zu Grunde, dass es sich beim Revisionswerber um einen jungen und gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter und mit Schulbildung handle, bei dem eine grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, der eine Landessprache Afghanistans beherrsche, mit den dortigen kulturellen Gepflogenheiten vertraut sei und zumindest anfänglich von seiner Familie finanziell unterstützt werden könne. Das BVwG hat sich auch mit der früheren Drogenabhängigkeit des Revisionswerbers auseinandergesetzt und festgestellt, dass dieser keine Drogen mehr nehme, sich in keiner Drogenersatztherapie befinde, auch sonst keine Medikamente benötige und sich auch nicht in medizinischer Behandlung befinde. Die Revision, die diesen Feststellungen nicht entgegentritt, legt nicht konkret dar, warum der - im Entscheidungszeitpunkt volljährige - Revisionswerber nicht in der Lage sein sollte, in Afghanistan einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

10 Es entspricht in Bezug auf Afghanistan der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. - zu der auch hier maßgeblichen Berichtslage - VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153; 17.9.2019, Ra 2019/14/0160; 31.10.2019, Ra 2019/20/0309; jeweils mwN).

11 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 13. Februar 2020

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte