VwGH Ra 2018/17/0226

VwGHRa 2018/17/022624.6.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der H S in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 25. September 2018, LVwG‑S‑1627/004‑2016, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018170226.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 23. Mai 2016 wurde die Revisionswerberin der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz ‑ GSpG schuldig erkannt. Über sie wurde gemäß „§ 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG)“ eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden) verhängt. Weiters wurde ihr ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens vorgeschrieben. Die Revisionswerberin habe zu verantworten, dass zu einem näher genannten Zeitpunkt in ihrem (näher bezeichneten) Lokal verbotene Ausspielungen in Form von Walzenspielen veranstaltet worden seien und sie als Lokalbetreiberin u.a. durch Duldung der Aufstellung und Auszahlungen von Gewinnen die Veranstaltungen von Glücksspielen unternehmerisch zugänglich gemacht habe.

2 Mit Erkenntnis vom 22. Mai 2017 gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass es den Tatzeitraum ausdehnte.

3 Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. August 2018, Ra2017/17/0591, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

4 Mit dem nun angefochtenen (Ersatz‑)Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.), erlegte der Revisionswerberin die Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf (Spruchpunkt 2.) und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig (Spruchpunkt 3.).

5 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 1.1. Die Revision erweist sich bereits in Anbetracht ihres Zulässigkeitsvorbringens, es würden der Revisionswerberin im angefochtenen Erkenntnis unterschiedliche Tathandlungen, nämlich einerseits das „Veranstalten“ (§ 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall GSpG) und andererseits das „Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen“ (§ 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall GSpG), vorgeworfen, sodass dieses Erkenntnis nicht den Anforderungen gemäß § 44a Z 1 und 2 VStG entspreche, zumal auch noch ein unlösbarer Widerspruch zwischen Spruch und Begründung bestehe, als zulässig und berechtigt:

7 § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG stellt sowohl das Veranstalten als auch das unternehmerische Zugänglichmachen von zur Teilnahme vom Inland aus verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unter Strafe. Als Täter, der im Sinne des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, kommt in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt. Dagegen ist mit dem dritten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Person gemeint, die den Automaten in ihrer Gewahrsame hat und diesen den Spielern zugänglich macht (vgl. VwGH 1.2.2018, Ra 2017/17/0854, mwN).

8 § 44a VStG regelt, welche Bestandteile der Spruch eines Straferkenntnisses zu enthalten hat. Dazu zählen unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. z.B. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0661; 22.1.2020, Ra 2018/17/0170, jeweils mwN).

9 Wie bereits in Rn. 1 und 4 angeführt, wurde der Revisionswerberin mit dem angefochtenen Erkenntnis spruchgemäß vorgeworfen, dass zu einem näher genannten Zeitpunkt in ihrem (näher bezeichneten) Lokal verbotene Ausspielungen in Form von Walzenspielen veranstaltet worden seien und dass sie als Lokalbetreiberin u.a. durch Duldung der Aufstellung und Auszahlungen von Gewinnen die Veranstaltungen von Glücksspielen unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Nach dem Wortlaut des mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigten Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde der Revisionswerberin somit angelastet, neben dem „unternehmerisch Zugänglichmachen“ im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG auch das „Veranstalten“ im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG zu verantworten zu haben. Demgegenüber ist in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses insoweit (lediglich) davon die Rede, dass die Revisionswerberin verbotene Ausspielungen in diesem Lokal unternehmerisch zugänglich gemacht und daher den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG in objektiver Hinsicht verwirklicht habe.

10 Soweit jedoch ein und dieselbe Person ein Glücksspiel sowohl unternehmerisch zugänglich macht als auch veranstaltet, tritt das Tatbild des unternehmerischen Zugänglichmachens im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG hinter jenes des Veranstaltens zurück, weil das Veranstalten eines Glücksspiels dessen Zugänglichmachen für Spieler zwingend voraussetzt. Der gesamte Unrechtsgehalt des unternehmerisch Zugänglichmachens eines Glücksspiels im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG wird in diesem Fall vom Tatbild des Veranstaltens erfasst. Damit ist durch die Verwirklichung des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Konsumtion des dritten Tatbildes dieser Bestimmung gegeben (vgl. VwGH 26.3.2015, Ra 2014/17/0033).

1.2. Indem somit das Verwaltungsgericht die erstinstanzliche Bestrafung des Revisionswerbers wegen Verwirklichung sowohl des ersten als auch des dritten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG bestätigte, erweist sich das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.

11 2. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

12 3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Juni 2020

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