Normen
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220041.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine georgische Staatsangehörige, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierende" gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit einer Gültigkeit bis zum 1. Juni 2017. Der Verlängerungsantrag vom 29. Mai 2017 wurde im Instanzenzug mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 15. Februar 2018 mangels ausreichenden Studienerfolges abgewiesen.
2 Am 12. April 2018 stellte die Revisionswerberin einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Familiengemeinschaft" gemäß § 69 Abs. 1 NAG. Mit der Übernahme der Einreichbestätigung wurde sie gemäß § 21 Abs. 3 NAG belehrt und darauf hingewiesen, dass ihr sichtvermerksfreier Aufenthalt am 15. Mai 2018 ende. Mit Bescheid vom 29. Mai 2018 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag ab.
3 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass sich die Revisionswerberin seit 2012 legal im Bundesgebiet aufgehalten habe, allerdings nach Abweisung ihres Verlängerungsantrages betreffend Aufenthaltstitel "Studierende" nicht ausgereist sei. Die Revisionswerberin sei mit einem georgischen Staatsbürger verheiratet, der über eine Aufenthaltsbewilligung "Student" mit Gültigkeit bis zum 21. November 2018 verfüge. Die Eheleute lebten im gemeinsamen Haushalt und hätten eine am 13. Jänner 2017 geborene Tochter. Der Ehemann der Revisionswerberin verdiene monatlich EUR 930,- netto.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Revisionswerberin nach Abweisung ihres Verlängerungsantrages nicht aus Österreich ausgereist sei und somit eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG vorliege. Weiters verfügten die Eheleute nicht über einen ausreichend gesicherten Lebensunterhalt gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG, weil die Revisionswerberin kein Einkommen habe und das Einkommen des Ehemannes gemäß § 293 ASVG nicht ausreiche.
6 Bei der gemäß § 11 Abs. 3 NAG durchgeführten Interessenabwägung kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen gegenüber den Interessen der Revisionswerberin an der Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens überwiege. Der Revisionswerberin sei die Ausreise aus Österreich, um die Entscheidung im Ausland abzuwarten, nicht unmöglich oder unzumutbar. Die Revisionswerberin werde von ihrer Mutter unterstützt, ihre Beziehung sei intakt und es bestehe ua. die Möglichkeit, das Verfahren bei ihrer Mutter abzuwarten. Die Tochter der Revisionswerberin sei berechtigt, mit ihrem Vater in Österreich zu verbleiben, oder könne zusammen mit der Revisionswerberin ausreisen.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In der Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, dass sich das Verwaltungsgericht lediglich mit der Frage der finanziellen Mittel auseinandergesetzt habe. Das Verwaltungsgericht habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK beurteilt. Darüber hinaus übersehe es, dass gemäß § 21 Abs. 2 NAG abweichend zu § 21 Abs. 1 NAG Fremde, die an sich zur visumfreien Einreise berechtigt seien, während ihres erlaubten visumfreien Aufenthaltes zur Antragstellung im Inland berechtigt seien. Die Revisionswerberin halte fest, dass zur Frage der visumfreien bzw. visumpflichtigen Zeit - soweit ersichtlich - überhaupt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes vorliege, beziehungsweise diese Rechtsfrage, insbesondere zur Ermittlungspflicht nach Art. 8 EMRK, nicht einhellig beantwortet werde.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits ausgesprochen, dass eine Konstellation, in der ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulässigerweise im Inland gestellt worden ist, zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 21 Abs. 1 und 3 NAG fällt (VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0184, Rn. 13), allerdings, wenn der Fremde den Antrag noch zulässigerweise im Inland gestellt, dann aber die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes überschritten hat, der Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht ist (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/22/0186, Pkt. 6.2.). Das Verwaltungsgericht ist somit zutreffend vom Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 Z 5 NAG ausgegangen.
13 Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht vorliege, weil das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes der Revisionswerberin weit unter dem Richtsatz des § 293 ASVG liege und die Revisionswerberin über keine eigenen Einkünfte verfüge, wendet sich die Revision nicht.
14 Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel ua. trotz Vorliegen eines Erteilungshindernisses (fallbezogen) gemäß Abs. 1 Z 5 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung (fallbezogen) gemäß Abs. 2 Z 4 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist.
15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der vorzunehmenden Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Versagung eines Aufenthaltstitels mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 11 Abs. 3 NAG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 22.2.2018, Ra 2017/22/0086, Rn. 7, mwN).
16 Weiters brachte der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck, dass die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2018/22/0126, Rn. 8, mwN).
17 Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin führte das Verwaltungsgericht die erforderliche Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK bzw. § 11 Abs. 3 NAG durch. Inwiefern die erfolgte Interessenabwägung des Verwaltungsgerichtes im vorliegenden Einzelfall - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, zeigt die Revision nicht auf, zumal kein faktisches oder rechtliches Hindernis einer (allenfalls nur kurzfristigen) Fortsetzung des Familienlebens außerhalb Österreichs entgegensteht.
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. März 2019
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