VwGH Ra 2019/21/0147

VwGHRa 2019/21/014726.6.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des A H in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2018, Zl. G306 2203061- 1/2E, betreffend Ausweisung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

EURallg
FrPolG 2005 §66
NAG 2005 §51 Abs1 Z1
NAG 2005 §54
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210147.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11. Juli 2018 wurde der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Kosovo, gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG unter Erteilung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubs gemäß § 70 Abs. 3 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. 2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

3 Es stellte fest, dass sich der Revisionswerber seit Oktober 2014 (zunächst auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung als Studierender) durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und im Besitz einer von 24. April 2017 bis 24. April 2022 gültigen Aufenthaltskarte für Angehörige von EWR-Bürgern sei. Er habe am 23. September 2016 eine rumänische Staatsangehörige geheiratet, die das unionsrechtliche Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen habe. Am 6. November 2017 sei die einvernehmliche Scheidung erfolgt. Der Revisionswerber sei in Österreich vom 21. September bis 14. Oktober 2016, 11. Mai 2017 bis 23. Februar 2018 und seit 9. April 2018 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er habe in Österreich einen Onkel, eine Tante und zwei Brüder, mit denen weder ein gemeinsamer Haushalt noch ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Er beherrsche Deutsch auf dem Niveau A2 (ohne allerdings ein Zeugnis vorgelegt zu haben) und sei strafrechtlich unbescholten. Sonst hätten keine maßgeblichen Integrationssachverhalte festgestellt werden können. Seine sozialen Kontakte hätten sich auf den herkunftsstaatlichen Sozialkreis beschränkt, darüber hinaus weise er kein soziales Engagement im Bundesgebiet auf.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber auf Grund seiner Ehe begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG gewesen sei. Obwohl die Voraussetzungen dafür auf Grund der Auflösung der Ehe nun nicht mehr vorlägen, sei zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung § 66 FPG heranzuziehen. 5 Dem Revisionswerber komme in Ermangelung einer mindestens drei Jahre andauernden Ehe oder eines anderen Ausnahmetatbestandes nach § 54 Abs. 5 NAG kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zu. Die nach § 9 BFA-VG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Interessenabwägung habe nicht ergeben, dass familiäre oder nachhaltige private Bindungen des Revisionswerbers in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts überwiegen würden.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Unter diesem Gesichtspunkt rügt der Revisionswerber in der - nach Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof ausgeführten - Revision zunächst, dass das Bundesverwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen hat, bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann allerdings eine Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0052, mwN). Um einen solchen eindeutigen Fall hat es sich hier angesichts der erst etwas mehr als vierjährigen Aufenthaltsdauer, der nur schwachen familiären Anknüpfungspunkte und der auch sonst nicht besonders ausgeprägten Integration des Revisionswerbers im Bundesgebiet gehandelt. 10 Soweit der Revisionswerber unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung außerdem vorbringt, das angefochtene Erkenntnis stehe "schlicht und einfach im Widerspruch zu § 66 FPG", weil auf Grund der Erwerbstätigkeit des Revisionswerbers die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorlägen, missversteht er die Rechtslage. § 66 FPG enthält zwar die Einschränkung "es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden"; diese Einschränkung bezieht sich jedoch nur auf EWR-Bürger (und Schweizer Bürger), die ihr Aufenthaltsrecht im Sinn des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG auf ihre Erwerbstätigeneigenschaft stützen können (vgl. zu diesem Zusammenhang VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0130, Rn 12), nicht aber auch auf Personen wie den Revisionswerber, die - als Drittstaatsangehörige - ihr Aufenthaltsrecht nur gemäß § 54 NAG von einem EWR-Bürger ableiten und vor diesem rechtlichen Hintergrund auch nicht die Voraussetzung erfüllen können, mit Blick auf den angestrebten Aufenthaltsstatus "zur Arbeitssuche eingereist" zu sein.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2019

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