Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §67;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGVG 2014 §24;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210052.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 28. Oktober 2016 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot. Es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ägypten zulässig sei, und erkannte gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.
2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.
3 Es stellte im Wesentlichen fest, dass der Revisionswerber vom 10. Oktober 2010 bis zum 21. April 2016 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei. Aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe stamme eine am 1. November 2014 geborene Tochter.
4 Dem Revisionswerber sei vom 11. Dezember 2013 bis zum 12. Dezember 2015 ein Aufenthaltstitel Familienangehöriger erteilt worden. Über seinen Verlängerungsantrag sei noch nicht entschieden worden.
5 Mit Urteil vom 10. Dezember 2015 habe das Landesgericht für Strafsachen Wien den Revisionswerber wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung gegen seine Ehefrau gemäß § 107b Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.
6 Für seine Tochter zahle der Revisionswerber Alimente, das Besuchsrecht könne jedoch nicht ausgeübt werden.
7 In seiner rechtlichen Beurteilung begründete das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 Z 4 FPG damit, dass der weitere Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet im Hinblick auf seine strafgerichtliche Verurteilung die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, sodass der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels der Versagungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG entgegenstünde.
8 Die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG ergebe, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiege. Ein schützenswertes Familienleben sei nicht gegeben. Die Ehe des Revisionswerbers sei rechtskräftig geschieden. Der Kontakt zu seiner Tochter sei ihm wegen ihrer heftigen körperlichen und psychischen Reaktionen bei den Zusammentreffen im Rahmen der begleiteten Besuchskontakte untersagt worden. Ein Kontakt mit ihm sei weder gewünscht noch förderlich und eine weitere Kontaktvermeidung zwischen dem Revisionswerber und seiner Tochter gänzlich im Sinne des Kindeswohls. Auch von einem schützenswerten Privatleben könne nicht gesprochen werden; eine "soziale oder integrative Verfestigung" des Revisionswerbers sei nicht nachgewiesen worden.
9 In Bezug auf das Einreiseverbot führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Form und die Dauer der Gewaltexzesse des Revisionswerbers seine Gefährlichkeit untermauerten. Er habe bereits kurz nach seiner Einreise im Zeitraum Anfang 2014 bis 12. Oktober 2015 gegen seine damalige Ehefrau fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er in oftmaligen, zumindest ein bis zwei Mal monatlich wiederkehrenden Angriffen auf sie eingeschlagen und sie mit Äußerungen, er werde sie umbringen und ihre Leiche werde verschwinden, gefährlich bedroht habe. Zudem habe er ihr unter anderem im Februar 2014 mit dem Fuß gegen den Bauch getreten und sie an den Haaren über den Boden gezogen, sodass es zu Unterleibsblutungen gekommen sei. Mitte 2014 habe er ein Messer nach ihr geworfen, wodurch sie eine kleine Schnittverletzung erlitten habe. Des Weiteren habe er sie am 12. Oktober 2015 geschlagen und gewürgt, sie auf das Bett geworfen und mit einer Holzlatte mehrfach gegen ihre Beine und ihren Kopf gegen die Wand geschlagen, wobei sie Prellungen, Abschürfungen und Blutergüsse erlitten habe. Zudem habe er versucht, sie zu einer Unterlassung zu nötigen, indem er ihr den Tod angedroht habe, sollte sie die Polizei anrufen.
10 Der Eingriff in das Privatleben des Revisionswerbers durch das Einreiseverbot sei daher im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK jedenfalls verhältnismäßig. Auch die Dauer des Einreiseverbots von sechs Jahren sei angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens des Revisionswerbers angemessen.
11 Eine mündliche Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben können.
12 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht schließlich aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
13 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
15 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, dass die Erörterungen des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Gefährdungsprognose unvollständig erfolgt seien. Es würden im angefochtenen Erkenntnis zwar die Tatmodalitäten dargestellt, dies vermöge jedoch nicht den persönlichen Eindruck vom Revisionswerber im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu ersetzen. Von einer mündlichen Verhandlung könne bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nur dann Abstand genommen werden, wenn alle zugunsten des Fremden sprechenden Fakten berücksichtigt würden. In Anbetracht einer einmaligen Verurteilung sei der persönliche Eindruck jedenfalls als ein zugunsten des Fremden sprechendes Faktum zu erachten. Indem das Bundesverwaltungsgericht dennoch von einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe, weiche es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Die Entscheidung sei auch über den Einzelfall hinaus von Bedeutung, weil die Frage, ob bei "einmaligen Gewaltdelikten" jedenfalls von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden könne, für weitere gleichartige Entscheidungen maßgeblich sei.
16 § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung trotz deren ausdrücklicher Beantragung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dieser ist in der Revision darzutun. Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch wiederholt darauf hingewiesen hat, bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann allerdings eine Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316, mwN).
17 Um einen solchen eindeutigen Fall hat es sich hier gehandelt. Zum einen stellt nämlich die entgegen der Revision nicht einmalige, sondern über einen längeren Zeitraum fortgesetzte massive Gewalttätigkeit des Revisionswerbers gegenüber seiner Ehefrau eine schwere Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar und rechtfertigt die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Gefährdungsprognose. Zum anderen stand den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung und der Verhängung des Einreiseverbots ein nur wenig ausgeprägtes Privat- und Familienleben des Revisionswerbers gegenüber, zumal er nicht bestreitet, dass die Besuchskontakte zu seiner Tochter abgebrochen werden mussten.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. April 2018
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