VwGH Ra 2019/21/0123

VwGHRa 2019/21/012326.6.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des I J in G, vertreten durch Mag. Thomas Loos, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Schönauerstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. Oktober 2018, W212 1300633-2/2E, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

FrÄG 2011
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
FrPolG 2005 §69 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210123.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, nach eigenen Angaben ein Staatsangehöriger von Moldawien, gelangte 2004 - 16-jährig - nach Österreich. Ein von ihm gestellter Asylantrag wurde abgewiesen. 2 Bereits 2005 erging gegen den Revisionswerber wegen strafrechtswidrigen Verhaltens ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot. Er verblieb jedoch in Österreich und beging hier weitere strafbare Handlungen. Im Hinblick darauf wurde gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr schließlich am 11. November 2010 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

3 (Auch) dieses Aufenthaltsverbot konnte mangels Erlangung von Heimreisedokumenten nicht vollzogen werden. Dem Revisionswerber wurde daher mehrfach eine Karte für Geduldete ausgestellt. 4 Der Revisionswerber wurde wiederum, wie schon bisher vorrangig durch Begehung von Vermögensdelikten, straffällig. Er wurde deswegen u.a. 2013 zu einer sechzehnmonatigen Freiheitsstrafe und 2016 zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Aus der letztgenannten Freiheitsstrafe wurde er am 12. Oktober 2016 bedingt entlassen. Er beging allerdings unmittelbar nach der Entlassung neuerlich Vermögensdelikte und befand sich deshalb bereits ab 29. November 2016 wieder in Haft. Mit am 4. Juli 2017 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 6. Februar 2017 wurde über ihn wegen der zuletzt begangenen Straftaten eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 28 Monaten verhängt. Die vorangegangene bedingte Entlassung wurde widerrufen, sodass sich ein errechnetes Haftende mit 29. Mai 2019 ergibt.

5 Im Hinblick auf die neuerlichen Straftaten des Revisionswerbers leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes ein. Mit Bescheid vom 21. August 2018 hob es schließlich das gegen den Revisionswerber erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot vom 11. November 2010 gemäß § 69 Abs. 2 FPG von Amts wegen auf. Unter einem sprach es aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde und erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannte das BFA die aufschiebende Wirkung; außerdem stellte es gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Moldawien zulässig sei und hielt fest, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt werde.

6 Die Entscheidung nach § 69 Abs. 2 FPG begründete das BFA mit der "Änderung der Gesetzeslage". Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot seien wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts des Revisionswerbers und seiner wiederholten Straffälligkeit - wobei sich das BFA im Detail auf seine Verurteilungen ab 2012 bezog - zu erlassen.

7 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid - ausgenommen die amtswegige Aufhebung des seinerzeitigen Aufenthaltsverbotes nach § 69 Abs. 2 FPG - Beschwerde. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diese Beschwerde zur Gänze als unbegründet ab und sprach nach § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber - nach Ablehnung der Behandlung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen und von diesem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretenen Beschwerde (VfGH 7.3.2019, E 4514/2018-11) - in der dann fristgerecht ausgeführten außerordentlichen Revision vorrangig geltend, es fehle "Judikatur zur Frage der Rechtskraftwirkung der rechtskräftigen Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes vor Ablauf der Frist nach § 67 Abs 2 FPG". Damit bezieht sich der Revisionswerber darauf, dass angesichts seiner Verurteilungen nach der seit dem FrÄG 2011 geltenden Rechtslage eine aufenthaltsbeendende Maßnahme mit unbefristeter Dauer nicht mehr in Betracht kommt, sodass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das unbefristete Aufenthaltsverbot vom 11. November 2010 nach Ablauf von zehn Jahren aufzuheben gewesen wäre. Tatsächlich sei das genannte Aufenthaltsverbot aber bereits mit Bescheid vom 21. August 2018 (nach knapp acht Jahren) aufgehoben worden, was den Fall von jenem unterscheide, der dem Erkenntnis VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143 - mit der Aussage, der Erlassung eines neuerlichen, nun befristeten, Aufenthaltsverbotes stehe nicht die Rechtskraft der Aufhebungsentscheidung entgegen - zugrunde liege.

11 Anders als der Revisionswerber meint, bedeutet die Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes vor Ablauf der jetzt zulässigen Höchstdauer einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aber nicht automatisch, dass die Rechtskraft dieser Aufhebungsentscheidung der Verhängung einer - der nunmehrigen Rechtslage entsprechenden - neuen befristeten aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegen steht. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, die Aufhebung eines "alten", vor dem 1. Juli 2011 verhängten Aufenthaltsverbotes habe nur zu erfolgen, wenn nunmehr in Anbetracht der aktuellen Verhältnisse keine - dem seinerzeitigen Aufenthaltsverbot entsprechende - aufenthaltsbeendende Maßnahme mehr erlassen werden dürfte (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0050, VwSlg. 19406 A, Rn. 14 f). Diese allgemeine Überlegung bezog sich jedoch - wie das erwähnte Erkenntnis VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, zeigt - von vornherein nicht auf die Sonderkonstellation "Unzulässigkeit einer unbefristeten aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach neuer Rechtslage". Im Übrigen kann einer Aufhebungsentscheidung nach § 69 Abs. 2 FPG aber generell nicht die - rechtskraftfähige - Aussage entnommen werden, aktuell sei eine andere aufenthaltsbeendende Maßnahme unzulässig, wenn die Aufhebung gerade zu dem Zweck erfolgte, diese andere aufenthaltsbeendende Maßnahme zu ermöglichen. Genau das ist hier aber der Fall, woran angesichts der vom BFA von Amts wegen vorgenommenen Aufhebung des seinerzeitigen unbefristeten Aufenthaltsverbotes nach § 69 Abs. 2 FPG wegen "Änderung der Gesetzeslage" unter gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt zehnjährigem Einreiseverbot kein Zweifel bestehen kann. Es wurde somit - letztlich nicht anders als in der Konstellation des Erkenntnisses VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, das demnach insoweit auch im vorliegenden Fall einschlägig ist - nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Voraussetzungen für die Verhängung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mehr gegeben seien, sodass keine Bindungswirkung besteht, die die gegenständliche Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) mit Rechtswidrigkeit belastete.

12 Das weitere Zulässigkeitsvorbringen der Revision bezieht sich auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG. Diesbezüglich moniert der Revisionswerber insbesondere, dass seine - etwa seit Frühjahr 2018 bestehende - Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin vom BVwG nicht als Familienleben gewertet worden sei; wäre das Vorliegen eines Familienlebens bejaht worden, so wäre die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausgefallen. 13 Diese Annahme ist allerdings verfehlt, weil angesichts der nicht unbeträchtlichen, durch wiederholten Rückfall gekennzeichneten Straffälligkeit des Revisionswerbers, wobei die erneute einschlägige Delinquenz unmittelbar nach der davor ergangenen bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe besonders ins Auge sticht, eine Trennung von der Lebensgefährtin jedenfalls hingenommen werden muss (siehe zur im öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Eigentumsdelikten hinzunehmenden Trennung (sogar) von Ehefrau und minderjährigen Kindern etwa VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0179, Rn. 13; siehe auch VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0041, Rn. 15). Davon abgesehen hat das BVwG die behauptete Lebensgemeinschaft aber ohnehin - wenngleich im Rahmen des Privatlebens des Revisionswerbers - berücksichtigt, dabei aber darauf hingewiesen, dass die Intensität der Beziehung angesichts der seit November 2016 vollzogenen Haft und ihrer kurzen Dauer gemindert sei. Diese Annahme ist nicht zu beanstanden, selbst wenn die Lebensgemeinschaft sonst - wie es in der Revision heißt - als "intensiv" zu beurteilen sein sollte. Das musste nach dem Vorgesagten indes nicht weiter geklärt werden, ebenso wie es in Anbetracht der erwähnten Straffälligkeit des Revisionswerbers nicht ins Gewicht fällt, dass nähere Überlegungen zu (noch) bestehenden Bindungen zum Herkunftsstaat Moldawien nicht angestellt wurden. Es liegt nämlich dennoch ein eindeutiger Fall vor, sodass sich auch das Unterbleiben der beantragten Beschwerdeverhandlung nicht als rechtswidrig erweist (siehe in diesem Sinn etwa VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0063, Rn. 12). 14 Was schließlich noch die ergänzend aufgeworfenen Fragen betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung anlangt, so ist darauf hinzuweisen, dass bereits mit der Entscheidung des BVwG, also schon bei Einbringung der gegenständlichen Revision, das Rechtsschutzinteresse gefehlt hat (jüngst VwGH 7.3.2019, Ra 2019/21/0017, Rn. 18). Auch insoweit vermag der Revisionswerber somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 26. Juni 2019

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte