Normen
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10 idF 2012/I/087
AsylG 2005 §58 Abs2 idF 2015/I/070
BFA-VG 2014 §9 Abs2
MRK Art8
NAG 2005 §44b Abs1 Z1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210102.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte nach seiner Einreise ins Bundesgebiet am 29. Juli 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 11. April 2018 sowohl Asyl als auch subsidiären Schutz betreffend ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte es fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise legte es 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. 2 Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit (vor den Gerichtshöfen des Öffentlichen Rechts unangefochten gebliebenem) Erkenntnis vom 22. Juni 2018 als unbegründet ab. Das BVwG stellte u.a. fest, dass der Revisionswerber in Österreich Deutschkurse besucht und Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 erlangt habe. Er habe hier schon nach eigenen Angaben keine Verwandten und lebe mit niemandem in einer familienähnlichen Gemeinschaft zusammen. Nach Anmeldung des freien Gewerbes "Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent" beim Gewerbeamt der Stadt Wels vom 11. Februar 2016 betreibe er gemeinsam mit einem Schulfreund, den er in Österreich zufällig wiedergetroffen habe, ein Handyreparaturgeschäft. Durch diese Tätigkeit habe er regelmäßige Einkünfte erwirtschaftet, bis zum 30. Juni 2017 jedoch daneben Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Eine gänzliche Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers könne nicht festgestellt werden. Jedenfalls werde er sowohl von seiner Familie als auch von einem in Frankreich lebenden Freund finanziell unterstützt. Der Revisionswerber verfüge über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich.
3 Mit Eingabe vom 3. August 2018 stellte der Revisionswerber den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Im Verfahren verwies er auf seit September 2016 bestehende Kontakte zu einer ihm "kirchlich angetrauten" bosnischen Staatsangehörigen und deren (bosnischen) Tochter, den Erwerb von Deutschkenntnissen auf dem Niveau A2, im Inland weiter vertiefte Freundschaften sowie den selbständigen Betrieb eines Handyreparaturgeschäftes seit Februar 2016 samt mittlerweile gesteigertem daraus erwirtschafteten Gewinn.
4 Mit Bescheid vom 13. Dezember 2018 wies das BFA diesen Antrag gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurück. 5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. Februar 2019 wies das BVwG eine dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 6 Begründend verwies das BVwG auf das Fehlen entscheidungswesentlicher Sachverhaltsänderungen seit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des BVwG vom 22. Juni 2018 (Rn. 2). Die erwähnte kirchliche Eheschließung mit einer bosnischen Staatsbürgerin sei bereits im Jahr 2016 erfolgt, es bestehe jedoch unverändert kein gemeinsamer Wohnsitz. Auch sonst könne eine maßgebliche Sachverhaltsänderung seit der genannten Vorentscheidung dem Vorbringen des Revisionswerbers konkret nicht entnommen werden.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung habe abgesehen werden können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. 7 Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 Dazu behauptet der Revisionswerber das Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob seine zu § 44b NAG (idF BGBl. I Nr. 38/2011) ergangene Rechtsprechung auch im Anwendungsbereich des nunmehrigen § 58 Abs. 10 AsylG 2005 Anwendung finden könne, insbesondere hinsichtlich der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK.
10 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings bereits klargestellt, § 58 Abs. 10 AsylG 2005 - als Nachfolgeregelung des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG - bestimme, dass Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen seien, wenn gegen den Antragsteller (wie hier) eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen worden sei und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich mache, nicht hervorgehe.
Nach der - ausdrücklich auch für § 58 Abs. 10 AsylG 2005 maßgeblich erklärten - zu § 44b Abs. 1 NAG ergangenen Judikatur liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten. In einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (vgl. dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, Punkt 3.5.1., mwN aus der zu § 44b Abs. 1 NAG ergangenen Vorjudikatur).
11 Dass die geltend gemachten neuen Umstände (von Deutschkenntnissen auf dem Niveau A2 sowie Kontakten zur erwähnten bosnischen Staatsbürgerin und deren Tochter ist das BVwG bereits in seinem Erkenntnis vom 22. Juni 2018 ausgegangen), nämlich eine Vertiefung in Österreich geknüpfter Freundschaften und der Fortbetrieb des Handyreparaturgeschäftes mit gesteigertem Gewinn, keine derartigen Umstände begründen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten, liegt aber auf der Hand. 12 Von daher erweist sich das Unterbleiben der beantragten Beschwerdeverhandlung als vertretbar (vgl. dazu etwa VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0098, Rn. 9 und 10, mwN). 13 Nach dem Gesagten vermag die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 22. August 2019
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