VwGH Ra 2019/20/0484

VwGHRa 2019/20/048431.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des O S in W, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116/17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. August 2019, W184 2155161-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200484.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 17. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 13. April 2017 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 9. August 2019 - unter Änderung der Frist für die freiwillige Ausreise, die es bis 30. September 2019 festlegte -

als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Der Revisionswerber wendet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2018/20/0496, mwN). Der Revision gelingt es nicht, aufzuzeigen, dass dies hier - auch wenn die beweiswürdigenden Erwägungen eingehender und sorgfältiger hätten ausfallen können - der Fall wäre. Im gegebenen Zusammenhang ist zudem im Besonderen darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt ist, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 26.8.2019, Ra 2019/20/0400, mwN).

9 In der Revision werden die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts auch mit dem Argument bekämpft, es sei nicht klar, ob das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Revisionswerbers als unglaubwürdig oder als gegen das nach § 20 BFA-Verfahrensgesetz geltende Neuerungsverbot verstoßend angesehen habe. Dem kann am Boden der Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nicht beigepflichtet werden. Aus der Begründung dieser Entscheidung geht hinreichend hervor, dass das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, dass der Revisionswerber die maßgeblichen Umstände nicht habe glaubhaft machen können. Anders als es der Revisionswerber vor Augen hat, kann nicht allen beweiswürdigenden Erwägungen, insbesondere dass sowohl hinsichtlich des behaupteten Angriffs der Taliban als auch des behaupteten Abfalls vom Glauben eine unglaubwürdige Steigerung des Vorbringens vorliege, jeglicher Begründungswert abgesprochen werden. Es gelingt dem Revisionswerber nicht, in Bezug auf die gesamte Beweiswürdigung eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit darzutun. Ob einzelne vom Bundesverwaltungsgericht gebrauchte Argumente als unsachlich anzusehen sind, kann sohin dahinstehen.

10 Wenn die Revision eine mangelnde Auseinandersetzung mit Zeugenaussagen und der vorgelegten Austrittsbestätigung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft rügt, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 2.9.2019, Ra 2019/20/0405, mwN). Dies gelingt der Revision nicht.

11 Dies gilt auch für das Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, Länderinformation zur Zwangsrekrutierung durch die Taliban und zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Revisionswerbers einzuholen. 12 Vor dem Hintergrund des oben Gesagten ist dem auf den eigenen Behauptungen und nicht den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts aufbauenden Vorbringen des Revisionswerbers, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Revisionswerber im Herkunftsstaat wegen seiner Überzeugung Verfolgung drohe, der Boden entzogen (§ 41 VwGG).

13 Weiters macht der Revisionswerber geltend, das Bundesverwaltungsgericht stütze seine Erwägungen, wonach chronische Hepatitis B in Afghanistan behandelbar sei und die benötigten Medikamente erhältlich seien, auf veraltete Länderberichte und setze sich über die vom Revisionswerber vorgelegten Berichte, wonach eine Behandelbarkeit nicht gegeben sei, begründungslos hinweg.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053, mwN). 15 Dass aber die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Krankheit in seinem Fall jene oben beschriebene Schwere und Intensität aufweisen würde, welche dazu führen könnte, dass es im Fall seiner Rückführung in das Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinn der dargestellten Rechtsprechung kommen werde, wird in der Revision nicht dargetan. Zudem wird auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht dargetan, weil sich aus der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Stellungnahme von "Ärzte ohne Grenzen" vom 5. August 2019 im Wesentlichen nur ergibt, dass diese Organisation wegen des "enormen Bedarfs an medizinischer Notfallmedizin in Afghanistan" aus Kapazitätsgründen "Schwerpunkte in der Bereitstellung medizinischer Hilfe" setze und daher in ihren Einrichtungen eine Behandlung von Hepatitis B nicht anbiete. Damit werden aber die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, das davon ausgeht, die vom Revisionswerber benötigten Medikamente seien auch in Afghanistan erhältlich, nicht erschüttert. 16 Der Revisionswerber wendet sich schließlich gegen die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative und bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, die aus seinen Erkrankungen resultierende besondere Vulnerabilität zu berücksichtigen. Das trifft am Boden des Inhalts der angefochtenen Entscheidung - auch wenn der Revisionswerber das vom Verwaltungsgericht erzielte Verfahrensergebnis nicht teilt - nicht zu.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 31. Oktober 2019

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