VwGH Ra 2019/20/0398

VwGHRa 2019/20/039831.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des H H, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2019, W260 2166665-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §14
AVG §15
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200398.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte im Jahr 2009 in Dänemark und in Norwegen Asylanträge. In der Zeit von 2009 bis 2014 hielt er sich in Norwegen als Asylwerber auf. Nach letztinstanzlicher Abweisung seines Schutzbegehrens wurde er im Oktober 2014 von einer norwegischen Behörde nach Afghanistan abgeschoben. Am 28. Juni 2015 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Juli 2017 wurde dieser Antrag - nachdem das Asylverfahren zwischenzeitig eingestellt und nach der Rücküberstellung des Revisionswerbers von Norwegen nach Österreich fortgesetzt worden war - abgewiesen, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde von der Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. Juni 2019, E 2000/2019-7, die Behandlung derselben ablehnte und die Beschwerde aufgrund eines nachträglich gestellten Antrages mit Beschluss vom 22. Juli 2019, E 2000/2019-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5 In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision - unter Hinweis auf das Vorliegen von Ermittlungs- und Begründungsmängeln - gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend das zu den Gründen seiner Flucht erstattete Vorbringen.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0434; 27.8.2019, Ra 2019/20/0336, jeweils mwN). Dass dies hier der Fall wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

11 Dem in diesem Zusammenhang erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers, die Protokolle über seine Einvernahmen seien aufgrund kultureller Differenzen oder des "enormen Andrangs" im Jahr 2015 nicht richtig rückübersetzt oder seine Angaben nicht richtig festgehalten worden, ist entgegen zu halten, dass aus sämtlichen mit dem Revisionswerber über seine Einvernahmen angefertigten Niederschriften hervorgeht, dass ihm diese rückübersetzt und von ihm unterschrieben wurden. Gemäß § 15 AVG liefert, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt (vgl. VwGH 30.04.2019, Ra 2018/19/0573, mwN). Fallbezogen sind Einwendungen des Revisionswerbers weder protokolliert, noch wird behauptet, der Revisionswerber hätte Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Der Revisionswerber zeigt mit seinem Revisionsvorbringen keine konkreten Gründe zur Erschütterung der Beweiskraft der Niederschriften auf.

12 Mit dem Hinweis auf den Inhalt von aus dem Jahr 2009 stammenden und im Internet veröffentlichten Artikeln gelingt es der Revision nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers in Bezug auf die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts aufzuzeigen. Mit dem im Zuge der Verhandlung vom Revisionswerber vorgelegten Zeitungsartikel hat sich das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Erwägungen befasst. Wenn der Revisionswerber darauf verweist, dass er im Zeitpunkt der geltend gemachten Ereignisse noch minderjährig gewesen sei, was bei der Beweiswürdigung hätte berücksichtigt werden müssen, so legt er - schon mangels näherer Konkretisierung - nicht dar, welche vom Bundesverwaltungsgericht als nicht nachvollziehbar oder widersprüchlich bewerteten Angaben aus welchen auf die damalige Minderjährigkeit des Revisionswerber zurückzuführenden Gründen in einem anderen Licht zu sehen wären.

13 Weiters behauptet der Revisionswerber, mit den Regelungen über den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber seien die Vorgaben der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) nur unzureichend und daher unionsrechtswidrig umgesetzt worden. Erkennbar der Sache nach Bezug nehmend auf die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz vorgenommene Abwägung macht er geltend, infolge dessen sei vom Verwaltungsgerichtshof zu klären, ob "die Selbsterhaltungsfähigkeit eines Antragstellers angesichts der unionsrechtswidrigen Gestaltung des Arbeitsmarktzugangs für Asylwerber als Kriterium für die Beurteilung des Grades der Integration herangezogen werden" dürfe. Warum aber die Revision von dieser Frage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt, wird in ihr nicht aufgezeigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Beurteilung auf das Fehlen der Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers nicht abgestellt. Dass der Frage seiner Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht sonst festgestellten Umstände fallbezogen entscheidungsmaßgebliche Bedeutung zukäme, ist im Übrigen nicht zu sehen. Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0397, mwN). Es gelingt der Revision nicht, darzutun, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung als unvertretbar anzusehen wäre.

14 Auf weiteres Vorbringen, das sich allein in den Revisionsgründen findet, ist zufolge § 34 Abs. 1a und § 28 Abs. 3 VwGG bei der Beurteilung, ob sich eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig darstellt, nicht weiter einzugehen (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0434). Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass auch diesem - sich in erster Linie auf die Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz beziehenden - Vorbringen keine Berechtigung zukommt. 15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 31. Oktober 2019

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