Normen
AsylG 1997 §14 Abs1 Z2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4b
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs1 Z1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
FlKonv Art1 AbschnA Z2
FlKonv Art1 AbschnC
FlKonv Art1 AbschnC Z5
VwRallg
62008CJ0175 Salahadin Abdulla VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190059.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an.
2 Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 gewährte das Bundesasylamt der damals minderjährigen mitbeteiligten Partei gemäß § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) durch Erstreckung von ihrem Vater in Österreich Asyl und stellte fest, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
3 Mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 19. Jänner 2017 wurde die mitbeteiligte Partei wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 50 Tagessätzen zu je EUR 4,-- verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 29. August 2018 wurde die mitbeteiligte Partei wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 und 2, 130 Abs. 2 zweiter Fall, 15 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon acht Monate bedingt, unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. 4 Mit Bescheid vom 27. Oktober 2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der mitbeteiligten Partei gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) den Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung des Status geführt hätten, ab, stellte fest, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, erkannte ihr den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ gegen sie ein befristetes Einreiseverbot.
5 Begründend führte das BFA aus, der mitbeteiligten Partei sei der Status des Asylberechtigten nicht auf Grund einer individuellen Gefährdung ihrer Person, sondern im Wege der Erstreckung auf Grund ihrer Familienangehörigeneigenschaft zu einem anerkannten Flüchtling gewährt worden. Die mitbeteiligte Partei müsse nicht befürchten, Opfer etwaiger gegen sie persönlich gerichteter Verfolgungshandlungen zu werden. Die Lage in Tschetschenien habe sich seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten maßgeblich und nachhaltig geändert bzw. verbessert. Die russischen bzw. tschetschenischen Behörden würden sich mittlerweile auf IS-Kämpfer und IS-Unterstützer bzw. auf Personen, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpften, konzentrieren. Veteranen der Tschetschenienkriege bzw. deren Angehörigen drohten keine Verfolgungshandlungen durch die Behörden mehr. Der Status des Asylberechtigten sei der mitbeteiligten Partei daher abzuerkennen, da sie nicht mehr schutzbedürftig sei und zudem auch nicht aus allfälligen nach ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat entstandenen Gründen der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Die mitbeteiligte Partei sei mehrmals von österreichischen Strafgerichten verurteilt worden, weshalb die Ablaufhemmung nach § 7 Abs. 3 AsylG 2005 nicht zum Tragen komme.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. Jänner 2019, der revisionswerbenden Partei zugestellt am 21. Jänner 2019, gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG statt, hob den bekämpften Bescheid auf und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Das BVwG stellte fest, dass die Gründe, welche zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Vater der mitbeteiligten Partei geführt hätten, zwischenzeitlich nicht weggefallen seien.
8 Im AsylG 2005 fehle zu dem in § 34 leg.cit. geregelten Familienverfahren ein korrespondierender Aberkennungstatbestand. Bei der Asylaberkennung sei daher anders als bei der Zuerkennung keine "Familiengleichbehandlung" vorgesehen. Der im Familienverfahren bzw. durch Erstreckung erworbene Status des Asylberechtigten könne nur solchen Familienmitgliedern aberkannt werden, hinsichtlich derer einer der in § 7 Abs. 1 AsylG 2005 vorgesehenen Aberkennungstatbestände verwirklicht sei und die sonstigen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 erfüllt seien. Bei dem in § 7 Abs. 1 Z 2 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK vorgesehenen Tatbestand ("Wegfall der Umstände"-Klausel) sei der Familienangehörige häufig - wie auch im gegenständlichen Fall - keiner auf seine Person bezogenen Verfolgung ausgesetzt, sodass auch ein späterer Wegfall nicht denkbar sei. Es sei daher darauf abzustellen, ob die Verfolgungsgründe hinsichtlich des Familienangehörigen, von dem der Status des Asylberechtigten abgeleitet wurde, weggefallen seien. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, nach Zuerkennung von internationalem Schutz im Familienverfahren diesen von dem im Hauptverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt pro futuro vollkommen losgelöst wissen zu wollen. Andernfalls würde Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK bei im Wege des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 zuerkannter Flüchtlingseigenschaft jeglicher Anwendungsbereich fehlen und es hinsichtlich dieses Aberkennungstatbestandes zu einer Ungleichbehandlung zwischen dem (ehemals) Verfolgten, der bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK seinen Status verlieren würde, und dessen (sich nur auf sein Fluchtvorbringen stützenden) Familienmitgliedern kommen.
Die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob im Fall des Vaters der mitbeteiligten Partei, von dem dieser seinen Asylstatus abgeleitet habe, die Gründe, welche für die Zuerkennung des Status ausschlaggebend gewesen seien, zwischenzeitig weggefallen seien. Anhaltspunkte dafür seien von der belangten Behörde, die lediglich mitgeteilt habe, dass hinsichtlich des Vaters ein Aberkennungsverfahren beim BFA anhängig sei, nicht ins Treffen geführt worden und für das BVwG auch nicht ersichtlich.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision des BFA. Diese bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, in Fällen, in denen ein Asylberechtigter seinen Status von einem Familienangehörigen abgeleitet habe, komme es für die Asylaberkennung darauf an, ob aktuell Umstände vorliegen würden, die die Zuerkennung von Asyl rechtfertigten. Andernfalls sei der Asylstatus abzuerkennen. Der Aberkennung des Asylstatus liege das Prinzip zu Grunde, dass eine solche zu erfolgen habe, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung - etwa wegen des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes nach § 6 AsylG 2005 - nicht mehr vorlägen. Für den Revisionsfall bedeute dies, dass die Umstände iSd Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK nicht mehr bestünden, wenn der Fremde nicht glaubhaft machen könne, dass ihm Verfolgung iSd GFK drohe und ihm der Status des Asylberechtigten aktuell auch nicht mehr im Familienverfahren zuerkannt werden könne. Die mitbeteiligte Partei sei aktuell nicht mehr verfolgt und auf Grund ihrer Straffälligkeit nach § 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 von einer Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Familienverfahren ausgeschlossen. Auf Grund der Straffälligkeit liege auch der Fall des § 7 Abs. 3 AsylG 2005, wonach eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten nur innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgen dürfe, nicht vor. Selbst wenn man die Rechtsansicht des BVwG teile, weiche dieses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es eine negative Sachentscheidung bzw. eine ersatzlose Aufhebung nach § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG erst dann treffen dürfe, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststehe. Das BVwG habe aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob hinsichtlich des Vaters der mitbeteiligten Partei die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK vorliegen würden, obwohl ihm das beim BFA dazu anhängige Aberkennungsverfahren bekannt gewesen sei. Dem Vater des Revisionswerbers sei mit Bescheid des BFA vom 19. Dezember 2018, zugestellt am 21. Jänner 2019, gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten aberkannt worden, weil die Gründe für die Zuerkennung dieses Status weggefallen seien.
Auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wären nicht vorgelegen. 10 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision ist wegen des Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK in Fällen, in denen der Status im Familienverfahren (bzw. durch Erstreckung) zuerkannt wurde, zulässig und auch begründet.
13 Die §§ 7 und 34 AsylG 2005 lauten:
"Aberkennung des Status des Asylberechtigten § 7. (1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden
von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
- 1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
- 2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner
Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
...
(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."
"Familienverfahren im Inland
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
- 1. dieser nicht straffällig geworden ist und
- 2. ...
- 3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten
zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
...
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
..."
14 Das AsylG sah zwecks Erlangung von Asyl zwei unterschiedliche Anträge von Fremden, einen gerichtet auf die Asylgewährung und einen gerichtet auf die Asylerstreckung, vor. Gemäß § 7 AsylG hatte die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft war, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK drohte und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorlag. Gemäß § 10 AsylG begehrten Fremde mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl. Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG hatte die Behörde auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK in einem anderen Staat nicht möglich war.
15 Das Verhältnis dieser beiden Rechtsinstitute war im Sinne eines Vorranges der Asylgewährung vor der Asylerstreckung bzw. der Subsidiarität der Asylerstreckung gegenüber der Asylgewährung ausgestaltet (RV 686 BlgNR XX. GP 21; vgl. näher §§ 10 und 11 AsylG).
16 Auch bei den Asylverlusttatbeständen knüpfte das AsylG an die Unterscheidung zwischen Asylgewährung und Asylerstreckung an. Asyl war mit Bescheid abzuerkennen, wenn es auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährt wurde und einer der Endigungsgründe des Art. 1 Abschnitt C GFK eintrat (§ 14 Abs. 1 Z 1 AsylG). Wurde Asyl hingegen durch Erstreckung gewährt, war es abzuerkennen, wenn der hiefür maßgebliche Grund weggefallen war und kein anderer Grund für Asylerstreckung bestand (§ 14 Abs. 1 Z 2 AsylG).
17 Der zuletzt genannte Verlusttatbestand bezog sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Wegfall der in § 11 Abs. 1 AsylG geregelten materiellen Voraussetzungen der Asylerstreckung, wie etwa das Bestehen eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK (VwGH 23.1.2003, 2001/01/0429).
18 Durch die AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, wurde die Asylerstreckung durch das Familienverfahren ersetzt. Der auf die Asylerstreckung bezogene Verlusttatbestand des § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde ersatzlos aufgehoben. Die übrigen Verlusttatbestände blieben unverändert.
19 Die Bestimmungen des AsylG 2005 über das Familienverfahren im Inland knüpfen im Wesentlichen an die Vorgängerbestimmungen im AsylG, wie sie durch die AsylG-Novelle 2003 geschaffen wurden, an (vgl. VwGH 25.11.2009, 2007/01/1153 und 1168 bis 1171). 20 Bereits aus § 34 Abs. 1 AsylG 2005 ergibt sich, dass jeder Antrag eines Familienangehörigen - anders als nach dem Asylerstreckungsverfahren nach dem AsylG (in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) - ex lege als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes" gilt. Die Behörde hat bei einem Antrag eines Familienangehörigen somit in jedem Fall die Bestimmungen des Familienverfahrens anzuwenden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass jeder Antrag eines Familienangehörigen gesondert zu prüfen und über jeden mit gesondertem Bescheid abzusprechen ist (§ 34 Abs. 4 AsylG 2005). Unabhängig von der konkreten Formulierung ist jeder Antrag eines Familienangehörigen überdies in erster Linie auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gerichtet. Es sind daher für jeden Antragsteller allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln. Nur wenn solche - nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren - nicht hervorkommen, ist dem Antragsteller jener Schutz zu gewähren, der bereits einem anderen Familienangehörigen gewährt wurde (VwGH 24.3.2015, Ra 2014/19/0063). Darüber hinaus differenziert das Gesetz beim Status des Asylberechtigten jedoch nicht. Weder kennt das Gesetz einen "originären" Status des Asylberechtigten, noch spricht das Gesetz in § 34 Abs. 4 AsylG 2005 davon, dass im Familienverfahren ein anderer, nur "abgeleiteter" Status zuzuerkennen ist. Im Gegenteil spricht der zweite Satz des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 ausdrücklich davon, dass "der" Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, was nur bedeuten kann, dass der Status des Asylberechtigten an sich (ohne weitere Differenzierung) zuzuerkennen ist (VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0418). 21 Die Asylaberkennungstatbestände des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 entsprechen im Wesentlichen der davor geltenden Rechtslage (RV 952 BlgNR XXII. GP 36). Auch das AsylG 2005 enthält keinen eigenen Aberkennungstatbestand, der auf die Zuerkennung von internationalem Schutz im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) Bezug nimmt. Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten oder die Einleitung eines darauf gerichteten Verfahrens führt daher grundsätzlich nicht dazu, dass einem Familienangehörigen, dem abgeleitet von diesem Fremden als Bezugsperson der Asylstatus im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt worden ist, in einem gemeinsamen Verfahren ebenfalls dieser Status abzuerkennen wäre (vgl. Nedwed, Familienverfahren - Schutz des Einzelnen oder des Kollektivs, in Filzwieser/Taucher, Asyl- und Fremdenrecht. Jahrbuch 2019 (2019) 207, 229). Diese Auffassung lag schon der Erlassung der Vorgängerbestimmungen zum geltenden Familienverfahren im Inland durch die AsylG-Novelle 2003 zu Grunde (vgl. RV 120 BlgNR XXII. GP 10: "Verliert ein Asylberechtigter auf Grund eines Asylausschlussgrundes sein Asyl, so trifft dies nicht die anderen Familienangehörigen, die Asyl im eigenen Namen haben."). 22 Vielmehr ist grundsätzlich hinsichtlich jedes einzelnen Familienangehörigen gesondert zu prüfen, ob einer der Aberkennungstatbestände des § 7 AsylG 2005 vorliegt und gegebenenfalls ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten einzuleiten. Dies gilt auch dann, wenn dem Familiengehörigen Asyl durch Erstreckung nach dem AsylG gewährt wurde.
23 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erlassung des § 3 Abs. 4b AsylG 2005 durch die Novelle BGBl. I Nr. 24/2016, wonach sich bei Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung der Bezugsperson richtet. Die Gesetzesmaterialien begründen diese Regelung nämlich ausschließlich mit verfahrensökonomischen Motiven (vgl. RV 996 BlgNR XXV. GP 3, wonach dadurch gewährleistet sein soll, dass die Verfahren von Familienangehörigen "unter einem" bzw. gleichzeitig geführt werden). Dass dieser Bestimmung nicht die Vorstellung einer über die Dauer der Aufenthaltsberechtigung hinausgehenden "Gleichschaltung" der Rechtsstellung eines Familienangehörigen mit jener der Bezugsperson auch hinsichtlich der Beendigung des Asylstatus zu Grunde liegt, bestätigen die Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 (vgl. neuerlich RV 996 BlgNR XXV. GP 3, wonach die Aberkennung des Asylberechtigtenstatus der Bezugsperson, zB wegen Straffälligkeit, nicht automatisch zu einer Aberkennung des Status der Familienangehörigen führen soll; vielmehr müsse der Status jedes Familienangehörigen gesondert überprüft werden).
24 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann der Rechtsansicht der Revision, es komme für die Aberkennung bei einem Asylberechtigten, dessen Status im Familienverfahren zuerkannt wurde, darauf an, ob aktuell noch Umstände vorliegen, die die Zuerkennung von Asyl erfordern würden, nicht gefolgt werden. Auf die Frage, ob einem Familienangehörigen im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG 2005 droht, kommt es nämlich für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nach § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gerade nicht an (vgl. VwGH 18.5.2017, Ra 2016/20/0022, wonach bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren die für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erforderliche Beurteilung, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung u.a. von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde, nicht Gegenstand des Zuerkennungsverfahrens war). Es würde daher den Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 über das Familienverfahren zuwiderlaufen, wenn für die Frage, ob der nach diesen Bestimmungen zuerkannte Status des Asylberechtigten abzuerkennen ist, auf das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung beim Familienangehörigen abgestellt würde.
25 Ebenso wenig ist für die Asylaberkennung in einem solchen Fall maßgeblich, ob alle Voraussetzungen des § 34 AsylG 2005 für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Familienverfahren (also etwa auch die im Revisionsfall nicht mehr gegebene fehlende Straffälligkeit der mitbeteiligten Partei iSd § 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005) noch vorliegen. Eine solche Auffassung entspräche der Rechtslage nach dem AsylG in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003, nach der aber ein eigener Aberkennungstatbestand für durch Erstreckung gewährtes Asyl bestand, welcher - wie dargelegt - vor dem Hintergrund jeweils eigenständiger Verfahren auf Gewährung von Asyl einerseits und auf Erstreckung von Asyl andererseits zu verstehen war. Mit der AsylG-Novelle 2003 wurde jedoch - offenbar in bewusster Abkehr von der bisherigen Rechtslage - ein Aberkennungstatbestand, der auf den Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl im (nunmehrigen) Familienverfahren abstellt, als nicht mehr erforderlich bzw. als mit den Regelungen des Familienverfahrens nicht vereinbar erachtet (vgl. RV 120 BlgNR XXII. GP 15, wonach der Entfall des § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG geboten sei, da diese Art der Erstreckung von Asyl im Gesetz nicht mehr vorgesehen sei). Auch gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die auf Grund des Verweises in § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 anzuwendende (völkerrechtliche) Beendigungsklausel des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK auf eine nationalstaatliche Regelung wie jene des § 34 AsylG 2005, welche die Anerkennung als Flüchtling gerade unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorsieht, angewendet wissen wollte.
26 Im Unterschied zu allen anderen Aberkennungstatbeständen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 kann aber die in Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK vorgesehene "Wegfall der Umstände"-Klausel nicht gesondert für einen Familienangehörigen, der seinen Asylstatus von einer Bezugsperson abgeleitet hat, geprüft werden. Es ist nämlich bei einer Person, welcher die Flüchtlingseigenschaft unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zukommt, der Wegfall solcher Umstände von vornherein nicht denkbar.
27 Dies würde aber dazu führen, dass der Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK hinsichtlich von Personen, denen der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt wurde, ins Leere liefe.
Familienangehörigen könnte dieser Status also selbst dann nicht aberkannt werden, wenn sich die Umstände, auf Grund deren ihre Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und die Bezugsperson es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, dass er eine solche Rechtsfolge bei der Ersetzung der Asylerstreckung durch das Familienverfahren durch die AsylG-Novelle 2003 trotz der ersatzlosen Aufhebung des auf die Asylerstreckung Bezug nehmenden Aberkennungstatbestandes des § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG bewirken wollte.
28 Die Beendigungsklauseln des Art. 1 Abschnitt C GFK beruhen auf der Überlegung, dass internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden sollte, wo er nicht mehr erforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist. Bei der "Wegfall der Umstände"-Klausel ist dies dann der Fall, wenn die Gründe, die dazu führten, dass eine Person ein Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 1979, Rn. 111, 115). Zweck der Regelungen über das Familienverfahren nach dem AsylG 2005 ist es, Familienangehörigen die Fortsetzung des Familienlebens mit einer Bezugsperson in Österreich zu ermöglichen (vgl. RV 952 BlgNR XXII. GP 15). Bestehen jene Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr, und kann es die Bezugsperson daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatstaates zu stellen, besteht weder nach dem Zweck des internationalen Flüchtlingsschutzes noch nach jenem des Familienverfahrens nach dem AsylG 2005 eine Rechtfertigung dafür, den Asylstatus des Familienangehörigen, der diesen Status von der Bezugsperson nur abgeleitet hat, aufrecht zu erhalten (vgl. hiezu auch Nedwed, aaO 231 f).
29 Für die Aberkennung des einem Familienangehörigen im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannten Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände kommt es also darauf an, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und es diese daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Diese Frage hat die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) ohne Bindung an eine allfällige diesbezügliche Entscheidung im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus des Familienangehörigen selbstständig zu beurteilen.
30 Gelangt die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) in so einem Fall zu der Beurteilung, dass die in Rn. 29 genannten Umstände nicht mehr vorliegen, ist der Asylstatus eines Familienangehörigen, dem dieser Status im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt worden ist, abzuerkennen, sofern im Entscheidungszeitpunkt hinsichtlich des Familienangehörigen nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (drohende Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) vorliegen (vgl. in diesem Sinn auch EuGH 2.3.2010, C-175/08 u.a., Aydin Salahadin Abdulla u.a., Rn. 81 ff).
31 Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass in einem solchen Fall gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 die Asylaberkennung hinsichtlich des Familienangehörigen nur innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgen darf, sofern dieser nicht selbst straffällig geworden ist und er seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat.
32 Auf besondere Fallkonstellationen, in denen der Asylstatus der Bezugsperson aus anderen Gründen, etwa infolge einer Aberkennung auf Grund eines anderen Aberkennungstatbestandes des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 (bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK) oder infolge des Todes der Bezugsperson, weggefallen ist, muss angesichts des Revisionsfalls nicht eingegangen werden.
33 Fallbezogen hat das BVwG daher zwar zu Recht darauf abgestellt, ob die begründete Furcht vor Verfolgung beim Vater der mitbeteiligten Partei, von dem deren Asylstatus abgeleitet wurde, weggefallen ist. Eine ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das BVwG wäre allerdings nur dann zulässig gewesen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts feststand, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten der mitbeteiligten Partei nicht vorlagen (vgl. Hengstschläger/Leeb, VwGVG § 28 Rn. 72).
34 Das BVwG hat zwar ausgeführt, dem angefochtenen Bescheid und dem Verfahrensakt lasse sich nicht entnehmen, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Vater der mitbeteiligten Partei weggefallen seien. Die revisionswerbende Partei bringt aber zu Recht vor, das BVwG habe sich nicht näher damit befasst, dass hinsichtlich des Vaters der mitbeteiligten Partei ein Aberkennungsverfahren beim BFA anhängig war, worauf die belangte Behörde das Verwaltungsgericht im Rahmen der Beschwerdevorlage hingewiesen habe. Vor diesem Hintergrund erweist sich das der angeführten Feststellung zu Grunde liegende Ermittlungsverfahren des BVwG als mangelhaft. Das BVwG hätte sich nicht darauf zurückziehen dürfen, die belangte Behörde habe es verabsäumt, die Umstände, welche im Fall des Vaters der mitbeteiligten Partei zum Wegfall der Verfolgungsgefahr geführt hätten, konkret zu benennen. Das BVwG hätte vielmehr - allenfalls unter Berücksichtigung entsprechender Länderinformationen bzw. des anhängigen Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Vaters der mitbeteiligten Partei - darlegen müssen, ob und warum es davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des Asylstatus des Vaters der mitbeteiligten Partei nicht vorliegen. 35 Die Revision, die auf die Aberkennung des Asylstatus des Vaters der mitbeteiligten Partei wegen Wegfalls der Gründe für dessen Zuerkennung durch Bescheid des BFA vom 19. Dezember 2018, zugestellt am 21. Jänner 2019 - also am selben Tag, an dem das angefochtene Erkenntnis der revisionswerbenden Partei zugestellt wurde -, verweist, gelingt es damit auch, die Relevanz dieses Verfahrensmangels darzulegen.
36 Die Voraussetzungen für eine ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG lagen demnach nicht vor.
37 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 23. Oktober 2019
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