VwGH Ra 2019/16/0012

VwGHRa 2019/16/001212.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Revisionssache 1. der U s.r.o., 2. des M D, beide in P, Slowakei, und 3. des T W in O, alle vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 29. November 2017, Zl. VGW-002/060/6090/2017, VGW- 002/V/060/6091/2017, VGW-002/060/6092/2017, VGW- 002/V/060/6093/2017, VGW-002/060/7315/2017, betreffend Übertretung, Beschlagnahme und Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Normen

12010E049 AEUV Art49;
12010E056 AEUV Art56;
12010E267 AEUV Art267;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB;
62012CJ0390 Pfleger VORAB;
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB;
62015CJ0685 Online Games VORAB;
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB;
62017CO0079 Gmalieva VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
GSpG 1989 §4;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
GSpG 1989 §53 Abs1;
GSpG 1989 §54 Abs1;
VStG §44a Z3;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160012.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Aussprüche über die Strafen und die Kosten des Strafverfahrens sowie über die Haftung für die Strafe und die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben;

und den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von zusammen insgesamt 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 7. März 2017 ordnete die Landespolizeidirektion Wien gegenüber der erstrevisionswerbenden Gesellschaft (Erstrevisionswerberin) und dem Drittrevisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme eines näher bezeichneten Gerätes sowie des Steckschlüssels und des noch festzustellenden allfälligen Inhaltes der Gerätekassenlade an und verfügte gemäß § 54 Abs. 1 GSpG die Einziehung dieses Gerätes samt Steckschlüssel.

2 Dagegen erhob die Erstrevisionswerberin mit Schriftsatz vom 12. April 2017 Beschwerde.

3 Mit Straferkenntnis vom 13. März 2017 erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Zweitrevisionswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich Verantwortlichen der Erstrevisionswerberin der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall iVm § 2 Abs. 4 iVm § 4 GSpG schuldig, verhängte über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 10.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall deren Uneinbringlichkeit: zwei Tage), verpflichtete ihn zu einem Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 1.000 EUR und sprach aus, dass die Erstrevisionswerberin gemäß § 9 Abs. 7 VStG für diese Geldstrafe und diesen Kostenbeitrag hafte.

4 Dagegen erhoben die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber mit Schriftsatz vom 12. April 2017 Beschwerde.

5 Mit Straferkenntnis vom 13. März 2017 erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Drittrevisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall iVm § 2 Abs. 4 iVm § 4 GSpG schuldig, verhängte über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 10.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall deren Uneinbringlichkeit: zwei Tage) und verpflichtete ihn zu einem Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 1.000 EUR.

6 Dagegen erhob der Drittrevisionswerber mit Schriftsatz vom 12. April 2017 Beschwerde.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis entschied das Verwaltungsgericht Wien über die drei Beschwerden.

8 Die Beschwerde der Erstrevisionswerberin gegen den Beschlagnahme- und Einziehungsbescheid (vom 7. März 2017) wies das Verwaltungsgericht mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses als unbegründet ab.

9 Der Beschwerde der Erstrevisionswerberin und des Zweitrevisionswerbers gegen das Straferkenntnis (vom 13. März 2017) gab das Verwaltungsgericht mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses insoweit Folge, als es die Geldstrafe auf 4.000 EUR (die Ersatzfreiheitstrafe auf einen Tag) herabsetzte und den Kostenbeitrag neu festsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.

10 Der Beschwerde des Drittrevisionswerbers gegen das Straferkenntnis (vom 13. März 2017) gab das Verwaltungsgericht mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses insoweit Folge, als es die Geldstrafe auf 4.000 EUR (die Ersatzfreiheitstrafe auf einen Tag) herabsetzte und den Kostenbeitrag neu festsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.

11 Schließlich sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Erkenntnisses).

12 Die gegen das angefochtene Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision legte das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

13 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG). Die belangte Behörde sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision (gesondert) vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Liegen - wie im vorliegenden Revisionsfall - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen gerichteten Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 13.9.2018, Ra 2018/16/0062 bis 0063, mwN).

17 Die Revisionswerber tragen zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Spruch eines Straferkenntnisses die richtige Strafnorm anzuführen sei. Weder die Straferkenntnisse der Landespolizeidirektion Wien noch das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes enthalten im Spruch die Strafsanktionsnorm.

18 Die Revision erweist sich insoweit als zulässig und begründet.

19 Die hg. Rechtsprechung räumt den Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch u.a. die richtige Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG aufscheint. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. zB VwGH 13.9.2018, Ra 2018/16/0062 bis 0063, mwN). In den vorliegenden Fällen kommt bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG in Betracht.

20 Das Verwaltungsgericht hat daher insoweit, als der Spruch des strafbehördlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil zB die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen oder richtigzustellen (vgl. dazu erneut VwGH 13.9.2018, Ra 2018/16/0062 bis 0063, mwN).

21 Das Verwaltungsgericht hat dies im Revisionsfall unterlassen. 22 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb im Umfang

der Aussprüche über die verhängten Strafen und der davon abhängigen Aussprüche über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie über die Haftung für die Strafe und die Kosten gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

23 Zum übrigen Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; EuGH 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; EuGH 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C- 464/15 , Rn. 31, 35 ff; EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie EuGH 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 .

24 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff).

25 Mit diesem Vorbringen werfen die Revisionswerber keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

26 Die Revision war daher, soweit sie die Beschlagnahme und die Einziehung sowie die Schuldsprüche betrifft, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

27 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.

Wien, am 12. Februar 2019

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