VwGH Ra 2019/14/0478

VwGHRa 2019/14/047830.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. September 2019, Zl. W246 2136393- 1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140478.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans aus der Provinz Kabul und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, stellte am 15. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte vor, dass sein Vater aufgrund dessen Tätigkeit als Offizier für die afghanische Armee von den Taliban bedroht worden sei. Bei einem der beiden Anschläge auf seinen Vater sei auch der Revisionswerber anwesend gewesen und verletzt worden. 2 Mit Bescheid vom 13. September 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte es aus, dass das Vorbringen des Revisionswerbers zu den Fluchtgründen unglaubwürdig sei, dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat offen stehe und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers verletze.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst ein Verstoß gegen ein faires Verfahren gerügt. Wie sich aus dem angefochtenen Erkenntnis im Einklang mit den vorgelegten Akten ergibt, wurde dem Revisionswerber - entgegen seinem Vorbringen in der Revision - jedoch nicht nur die Möglichkeit eingeräumt, zu den in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführten und der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten Stellung zu nehmen. Er hat diese Möglichkeit auch wahrgenommen. Die behauptete Rechtsverletzung liegt somit nicht vor.

8 Die Revision führt weiter aus, das BVwG habe die Feststellung unterlassen, dass der Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat über keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte verfüge. Bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz würde dem Revisionswerber die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK drohen. Auch eine "Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, insbesondere Kabul", sei nicht zumutbar, zumal der Revisionswerber über kein soziales Netzwerk verfüge, keine Unterstützung von seiner Familie erhalten könne, einer ethnischen und religiösen Minderheit angehöre, aufgrund seines Akzents als Fremder im eigenen Land wahrgenommen werden würde und es sich beim Revisionswerber um einen alleinstehenden Mann handle, weshalb er einer besonders vulnerablen Personengruppe angehöre. Zudem sei der Revisionswerber im Zeitpunkt der Flucht bzw. Antragstellung noch minderjährig gewesen und halte sich seit viereinhalb Jahren ununterbrochen in Österreich auf. Der Umstand, dass der Revisionswerber die "ganz wesentlichen altersbedingten Zeiten" in Österreich verbracht habe, sei nicht berücksichtigt worden.

9 Der Revision gelingt es auch mit diesem Vorbringen nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. 10 Das BVwG hat nicht nur festgestellt, dass der Revisionswerber keinen Kontakt zu seiner Familie habe und nicht wisse, wo sie sich aufhalte, es kam auch ausdrücklich zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Kabul unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK nicht möglich sei. 11 Dass die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung hinsichtlich einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazare Sharif und Herat nicht anhand der in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien vorgenommen worden wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Diese ist angesichts der Erwägungen des BVwG, dass es sich beim Revisionswerber um einen gesunden und erwachsenen jungen Mann im erwerbsfähigen Alter mit zehnjähriger Schulbildung handelt, dessen Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann, der mit den Gepflogenheiten seines Heimatlandes und den dort gesprochenen Sprachen vertraut ist und schließlich als Paschtune der Mehrheitsbevölkerung angehört, im Licht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 23.8.2019, Ra 2019/14/0378) nicht zu beanstanden. 12 Soweit die Revision mit dem Hinweis auf den viereinhalbjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich die vom BVwG im Rahmen des § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0356, mwN). Es gelingt der Revision nicht darzulegen, dass die vom BVwG vorgenommene und auf die Umstände des Einzelfalls ausreichend Bedacht nehmende Interessenabwägung unvertretbar erfolgt wäre.

13 Soweit die Revision darüber hinaus vorbringt, die Rechtsprechung sei uneinheitlich, weil das BVwG in einem anderen Fall auf vergleichbarer Sachverhaltsgrundlage einem afghanischen Staatsangehörigen den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt habe, genügt es darauf hinzuweisen, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines Verwaltungsgerichts für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt, wenn es zu der betreffenden Frage eine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2019/19/0146, mwN).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 30. Oktober 2019

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