VwGH Ra 2019/14/0299

VwGHRa 2019/14/029928.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juni 2019, W121 2139011-2/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (Mitbeteiligter: X Y in Z, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §2 Abs1 Z23
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AVG §68 Abs1
EURallg
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
32011L0095 Status-RL
32013L0032 IntSchutz-RL Art2 litf
32013L0032 IntSchutz-RL Art33 Abs2 litd
32013L0032 IntSchutz-RL Art46 Abs1
32013L0032 IntSchutz-RL Art46 Abs1 lita sublitii
32013L0032 IntSchutz-RL Art46 Abs3
62016CJ0585 Alheto VORAB
62017CJ0556 Torubarov VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140299.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit dem Mitbeteiligten der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt wurde, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 11. Jänner 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Diesem Antrag wurde im Juli 2018 im Instanzenzug keine Folge gegeben und gegen ihn (u.a.) eine Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen.

2 Am 10. Oktober 2018 stellte der Mitbeteiligte einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Folgeantrag begründete er im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl damit, dass er mit seinem Onkel Probleme habe. Es sei richtig, dass er diesen Grund bereits im ersten Asylverfahren angeführt habe. Weiters habe er seit zwei bis drei Jahren "Probleme mit dem Islam". Man dürfe seine Meinung über die Religion in Afghanistan nicht äußern. Das sei lebensgefährlich. 3 Mit Bescheid vom 28. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt werde.

4 In seiner Begründung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz aus, der Mitbeteiligte habe lediglich Umstände geltend gemacht, die bereits vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren bestanden hätten. Diese Umstände seien daher von vornherein nicht geeignet, eine "neue Sachentscheidung herbeizuführen", sondern könnten - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - allenfalls nur zur Wiederaufnahme des ersten Asylverfahrens führen.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung aus, dass der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt sowie § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt werde, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Erhebung einer Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6 Dies begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass der Mitbeteiligte während seines Aufenthaltes in Österreich aus der Überzeugung heraus, Gott existiere nicht, Atheist geworden sei. Er habe sich in Österreich "aus tiefer freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen in identitätsprägender Weise" endgültig vom Islam abgewandt. Deswegen drohe ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan physische "und/oder" psychische Gewalt. Es drohe ihm daher im Heimatland asylrelevante Verfolgung. Zwar liege ein Nachfluchtgrund vor. In einem solchen Fall, wie er hier vorliege, stelle die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht darauf ab, ob die nunmehr gegebene Überzeugung bereits im Heimatland bestanden habe (Hinweis auf VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0210).

7 Den Ausspruch, womit die Erhebung einer Revision für nicht zulässig erklärt wurde, begründete das Verwaltungsgericht mit der Verneinung der in Art. 133 Abs. 4 B-VG festgelegten Voraussetzungen und dem Hinweis, es habe sich an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "angelehnt".

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

10 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von - näher zitierter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe den Antrag des Mitbeteiligten zurückgewiesen. Dennoch habe das Verwaltungsgericht aufgrund der Beschwerde dem Mitbeteiligten den Status des Asylberechtigten zuerkannt und demnach nicht mehr bloß über die Rechtmäßigkeit der Antragszurückweisung abgesprochen. Zudem sei im Fall einer Beschwerde gegen einen im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid § 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) zu beachten. Liege eine inhaltlich rechtswidrige Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz vor, sei gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG der Bescheid ersatzlos aufzuheben. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit der angefochtenen Entscheidung die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten, weil in diesem nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Antragszurückweisung Verfahrensgegenstand gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe auch nicht begründet, weshalb es davon ausgehe, es dürfe meritorisch entscheiden.

11 Der Mitbeteiligte bestreitet in seiner Revisionsbeantwortung nicht die Richtigkeit der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vertretenen Auffassung. Jedoch macht er geltend, Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU gebiete, dass das Verwaltungsgericht auch nach einer von der Behörde ausgesprochenen Antragszurückweisung inhaltlich entscheide. Dem komme Vorrang vor einer solchen Entscheidung entgegenstehendem nationalen Recht zu.

12 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

13 Zunächst ist festzuhalten, dass infolge der vom

Bundesverwaltungsgericht im Spruch angeführten umfassenden Beschwerdestattgebung (noch hinreichend klar) zum Ausdruck kommt, dass auch sämtliche weitere Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides (insbesondere betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes) ersatzlos aufgehoben wurden, zumal diese - rechtlich (u.a. auch) auf der Abweisung des internationalen Schutzes aufbauenden Aussprüche - infolge der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

14 "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des (bescheidmäßigen) Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides. Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist, im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes und die Entscheidung ist im diesbezüglichen Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/22/0086, mwN).

15 Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist "Sache" eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2016/06/0063; 28.2.2019, Ra 2018/22/0237, jeweils mwN).

16 Es ist dem Verwaltungsgericht nämlich deshalb verwehrt, über den Rahmen der bloßen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisungsentscheidung der Vorinstanz hinaus mit einer Entscheidung über den Gegenstand des Verfahrens vorzugehen, weil dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrages und damit den Parteien eine Instanz genommen würde (vgl. zur Übertragbarkeit der zum AVG ergangenen Rechtsprechung auf das nach dem VwGVG geregelte Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ausführlich VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003).

17 Anders als der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung - im Übrigen ohne nähere Begründung - meint, steht diese Rechtslage nicht im Widerspruch zu Art. 46 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren:

Verfahrensrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten zur Einhaltung des Art. 46 Abs. 1 dieser Richtlinie (dieser umfasst nach seiner lit. a sublit. ii auch die Entscheidung, einen Antrag auf internationalen Schutz nach Art. 33 Abs. 2 als unzulässig zu betrachten; Art. 33 Abs. 2 lit. d wiederum bezieht sich auf einen Folgeantrag, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind) sicherzustellen haben, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird. Da insoweit die Rechtslage auch bereits durch Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) geklärt ist, war auch der Anregung des Mitbeteiligten, der Verwaltungsgerichtshof möge ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH richten, nicht näherzutreten.

18 Der EuGH hat in seinem Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C- 585/16 , ausgesprochen, dass Art. 46 Abs. 3 Verfahrensrichtlinie in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte dahin auszulegen ist, dass er keine gemeinsamen Verfahrensvorschriften in Bezug auf die Zuständigkeit für den Erlass einer neuen Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz einführt, nachdem das mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht die ursprüngliche Entscheidung über den Antrag für nichtig erklärt hat. Das Erfordernis, die praktische Wirksamkeit von Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie sicherzustellen und gemäß Art. 47 der Charta einen wirksamen Rechtsbehelf zu gewährleisten, verlangt jedoch, dass im Fall der Rücksendung der Akten an die in Art. 2 lit. f der Richtlinie genannte gerichtsähnliche Behörde oder die Verwaltungsstelle innerhalb kurzer Zeit eine neue Entscheidung erlassen wird, die mit der im Nichtigkeitsurteil enthaltenen Beurteilung im Einklang steht (Pkt. 6 des Tenors dieses Urteils). Der Unionsgesetzgeber wollte mit Erlass der Richtlinie 2013/32/EU keine gemeinsame Vorschrift einführen, wonach die Behörde im Sinne von Art. 2 lit. f der Verfahrensrichtlinie nach der Nichtigerklärung ihrer ursprünglichen Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz ihre Zuständigkeit verlieren sollte. Es steht den Mitgliedstaaten weiterhin frei, vorzusehen, dass im Anschluss an eine solche Nichtigerklärung die Akten zur erneuten Entscheidung an dieses Organ zurückzusenden sind (Rn. 146 der Entscheidungsgründe dieses Urteiles).

19 An dieser Rechtsprechung hat der EuGH in seinem Urteil vom 29. Juli 2019, Torubarov, C-556/17 , festgehalten (Rn. 54 der Entscheidungsgründe) und betont, dass die Verfahrensrichtlinie den Mitgliedstaaten einen "gewissen" Spielraum einräume, um insbesondere zu regeln, wie ein Antrag auf internationalen Schutz zu bearbeiten ist, wenn die ursprüngliche Entscheidung dieses Organs von einem Gericht für nichtig erklärt wird (Rn. 55). 20 Lediglich dann, wenn ein erstinstanzliches Gericht nach Durchführung einer umfassenden ex-nunc-Prüfung aller einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, die von der Person, die internationalen Schutz beantragt, geltend gemacht worden sind, festgestellt hat, dass dieser Person nach den in der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vorgesehenen Kriterien aus den zur Begründung des Antrags angeführten Gründen internationaler Schutz zuzuerkennen ist, im Anschluss daran aber eine Verwaltungsstelle oder eine gerichtsähnliche Behörde eine gegenteilige Entscheidung erlässt, ohne insoweit das Eintreten neuer Umstände festzustellen, die eine neue Beurteilung des Bedürfnisses dieser Person nach internationalem Schutz rechtfertigen würden, muss dieses Gericht diese nicht seinem früheren Urteil entsprechende Entscheidung abändern und durch seine eigene Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ersetzen, wobei es erforderlichenfalls die nationale Regelung, die ihm ein derartiges Vorgehen untersagen würde, unangewendet lässt (Tenor des Urteiles C-556/17 ).

21 Art. 46 Abs. 3 Verfahrensrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, den für die Entscheidung über Klagen nach dieser Bestimmung zuständigen Gerichten die Befugnis zu übertragen, Entscheidung der Behörde durch seine eigene zu ersetzen. Die Mitgliedstaaten haben jedoch in jedem Einzelfall zu gewährleisten, dass das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gewahrt ist (Rn. 69 der Entscheidungsgründe des Urteiles C-556/17 ).

22 Somit gebietet es Art. 46 Abs. 3 Verfahrensrichtlinie im Hinblick auf eine von der Asylbehörde ausgesprochene Antragszurückweisung nicht, den Prozessgegenstand in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auch auf die inhaltliche Beurteilung des Antrages auf internationalen Schutz zu erweitern. Ebensowenig verbietet es diese Bestimmung, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in bestimmten Verfahrenskonstellationen auf eine Kassation des behördlichen Bescheides zu beschränken. 23 Dass aber das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im hier in Rede stehenden konkreten Fall im allfällig von ihm fortzusetzenden Verfahren die Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts missachten würde, um derart die Zuerkennung von internationalem Schutz an den Mitbeteiligten trotz eines diesbezüglich bestehenden Anspruches zu vereiteln, hat der Mitbeteiligte weder in seiner Revisionsbeantwortung behauptet noch sind dafür anhand der Aktenlage Hinweise zu erkennen. Davon kann - wie zu ergänzen ist - im Besonderen dann nicht gesprochen werden, wenn die Behörde - wie hier durch Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes - ein ihr nach dem Gesetz zur Verfügung stehendes Rechtsmittel ergreift.

24 Im vorliegenden Fall wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz vom 10. Oktober 2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

25 Indem das Bundesverwaltungsgericht - wie die Amtsrevision zutreffend aufzeigt - nicht bloß über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl entschieden hat, hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge seiner Unzuständigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben. Die darüber hinaus mit diesem Erkenntnis zufolge der umfassenden Beschwerdestattgebung vorgenommene Aufhebung der übrigen Spruchpunkte des vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassenen Bescheides verliert damit ihre rechtliche Grundlage, weshalb insoweit das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG der Behebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit zu verfallen hatte.

26 Schon deswegen kam es hier nicht weiter darauf an, ob eine Beschwerde gegen eine von der Behörde im asylrechtlichen Zulassungsverfahren getroffene Entscheidung im Sinn des § 21 Abs. 3 BFA-VG vorliegt, weshalb darauf hier nicht mehr einzugehen war.

27 Die vom Bundesverwaltungsgericht getätigten Äußerungen zu seinem Verständnis der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes machen allerdings - um Missverständnisse für das fortzusetzende Verfahren zu vermeiden - noch folgende ergänzende Bemerkungen notwendig.

28 Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass im Fall der behaupteten Verfolgung im Heimatland wegen Abfall vom islamischen Glauben die Bestimmung des § 3 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005, wonach einem Fremden, der einen Folgeantrag (iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) stellt, in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind, unbeachtlich wäre und beruft sich für diese Ansicht auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

29 Entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung ist aber dem von ihm zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0210, eine solche Aussage nicht zu entnehmen. Im dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall war diese Frage auch nicht näher vom Verwaltungsgerichtshof zu erörtern, zumal sich dort darauf Bezug nehmende Feststellungen der Behörde oder des Verwaltungsgerichts nicht finden. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof (etwa) auch in seinem - vom selben Senat und zudem am selben Tag beschlossenen - Erkenntnis Ra 2014/01/0117 ausdrücklich darauf hingewiesen, "dass das Bundesverwaltungsgericht (...) seine Entscheidung nicht auf § 3 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 gestützt und auch keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen hat, sodass auf diese Bestimmung hier nicht weiter einzugehen" war. 30 Dass aber auch im Fall einer behaupteten Abkehr vom Islam bei der Prüfung, ob der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, auf die Bestimmung des § 3 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 Bedacht zu nehmen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits zum Ausdruck gebracht (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2018/14/0292). Darauf wird das Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidungsfindung im fortzusetzenden Verfahren - ebenso wie auf die die Leitlinien zur Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 Abs. 1 AVG betreffende Rechtsprechung - Rücksicht zu nehmen haben.

31 Aufwandersatz für die Erstattung der Revisionsbeantwortung war dem Mitbeteiligten nicht zuzusprechen, weil gemäß § 47 Abs. 3 VwGG Mitbeteiligte einen Anspruch auf Aufwandersatz nur im Fall der Abweisung der Revision haben.

Wien, am 28. August 2019

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