VwGH Ra 2019/07/0092

VwGHRa 2019/07/009228.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der J P & Co Ges.m.b.H. in A, vertreten durch Mag. Barbara Senninger, Rechtsanwalt in 7551 Stegersbach, Kastellstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 4. Juli 2019, Zl. E B04/09/2019.002/005, betreffend Vorschreibung zusätzlicher Auflagen nach § 21a WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52
AVG §53
AVG §53 Abs1
AVG §7
AVG §7 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
WRG 1959 §21a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019070092.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Rechtsvorgänger der Revisionswerberin wurde im Jahr 1971 eine wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung eines artesischen Tiefbohrbrunnes mit einer Tiefe von 48 m und einer Ergiebigkeit von 10.000 l pro Stunde erteilt. Der Brunnen dient der Trink- und Nutzwasserversorgung der Wohneinheiten eines Feriendorfs. 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis ergänzte das Verwaltungsgericht im Beschwerdeweg gemäß § 21a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) diese Bewilligung um insgesamt neun zusätzliche Auflagen und begründete dies im Wesentlichen damit, dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Qualität des Trinkwassers trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sei. Zu den zusätzlich vorgeschriebenen Auflagen gehört unter anderem der Verschluss des Brunnenkopfs des im Lagerraum befindlichen Nutzwasserbrunnens mit einem versperrbaren, tagwasserdichten Deckel sowie eine jährliche chemisch-physikalische und bakteriologische Untersuchung des geförderten Grundwassers auf bestimmte, näher festgelegte Parameter samt Übermittlung der Untersuchungszeugnisse an die zuständige Bezirkshauptmannschaft. Die ordentliche Revision ließ das Verwaltungsgericht mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu. 3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das öffentliche Interesse sei bereits durch Anwendung der Trinkwasserverordnung (TWV) und Einhaltung von Auflagen des Betriebsanlagenbescheides gewährleistet. Es sei das herangezogene öffentliche Interesse bereits bei der Bewilligung des Brunnens schützenswert gewesen, die Projektunterlagen seien damals aber als ausreichend angesehen worden. Das Erfordernis eines versperrbaren, wasserdichten Deckels ergebe sich nicht aus der von der Amtssachverständigen herangezogenen Belegstelle. Die Amtssachverständige sei befangen gewesen. Das Landesverwaltungsgericht habe rechtsirrig ein öffentliches Interesse an der Vorschreibung von Auflagen per se angenommen. 7 Damit werden jedoch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Dazu im Einzelnen:

8 1. In der Revision wird (erstmals) vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich der Vorschreibung der Einholung von Untersuchungsergebnissen die geltende Rechtslage nicht berücksichtigt. Nach der Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TWV), BGBl. II Nr. 304/2001, habe die Revisionswerberin ohnehin über Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft jährliche Volluntersuchungen durchzuführen, womit ein hinlänglicher Schutz des öffentlichen Interesses bestehe. Überdies sei auch in der Betriebsanlagengenehmigung der Revisionswerberin die jährliche Untersuchung des Hausbrunnens aufgetragen worden.

9 Inwieweit die Revisionswerberin durch die Vorschreibung von Untersuchungen, die sie nach ihrem Vorbringen ohnehin durchzuführen habe, beschwert sei, legt die Revision jedoch nicht dar.

10 2. Die Revision bringt weiters vor, dass Auflagen nach § 21a WRG 1959 nicht weiter gehen könnten als solche, die im Rahmen der Bewilligung erteilt hätten werden können. Das herangezogene öffentliche Interesse sei nicht neu, die ursprünglichen Projektunterlagen im Rahmen der Bewilligung im Jahr 1971 seien jedoch damals als ausreichend befunden worden. 11 Dieses Vorbringen zielt offenbar darauf ab, dass eine im Zuge der Bewilligung unterbliebene Auflagenvorschreibung nicht nachgeholt werden dürfte und/oder dass sich der Stand der Technik seit Erteilung der Bewilligung nicht geändert habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Anwendung des § 21a WRG 1959 jedoch keine Änderung des Standes der Technik gegenüber dem Zeitpunkt der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung. Vielmehr kann dieses Instrumentarium auch dann eingesetzt werden, wenn der nicht hinreichende Schutz öffentlicher Interessen auf ein Versäumnis der Wasserrechtsbehörde bei der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zurückgeht (VwGH 14.12.2000, 98/07/0048, mwN, und 21.9.1995, 95/07/0058, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). 12 3. Mit dem Vorbringen, die von der Amtssachverständigen erläuternd herangezogene Bestimmung des Österreichischen Lebensmittelbuches (nach § 76 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz) erfordere nicht (gemeint wohl: zwingend) die "Anbringung eines versperrbaren, wasserdichten Deckels eines sich in einem versperrten Brunnenhaus befindlichen Brunnens", bekämpft die Revision letztlich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes (das sich auf die als schlüssig beurteilten Ausführungen der Amtssachverständigen stützte), ohne allerdings deren Unvertretbarkeit aufzuzeigen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nämlich nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (VwGH 26.6.2019, Ra 2019/04/0036, mwN). 13 4. Die Revision bringt weiters vor, ein wesentlicher Verfahrensmangel sei in der Beiziehung einer befangenen Amtssachverständigen begründet. Da die belangte Behörde ihrem Bescheid das Gutachten der Amtssachverständigen ohne nähere Begründung zu Grunde gelegt habe, diese in jeder Hinsicht "Herr des Verfahrens" gewesen und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht lediglich zur Wiederholung, allenfalls Verteidigung ihrer bisherigen Ausführungen befragt worden sei und schließlich die (noch gegenständlichen) Auflagen wiederum wortgleich übernommen und lediglich "standardisierte Rechtssätze" angefügt worden seien, seien "sämtliche vom EGMR geforderte Kriterien", die nach der Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 1 EMRK zu einer Befangenheit eines Amtssachverständigen führten, erfüllt. 14 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach - und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte - ausgeführt hat, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen in einem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren, und zwar auch dann nicht, wenn ein Bediensteter der belangten Behörde, der bereits im Verfahren vor der Behörde als Sachverständiger tätig geworden ist, auch vom Verwaltungsgericht in derselben Sache als Sachverständiger beigezogen wird, wobei jedoch ein allfälliger Befangenheitsvorwurf gegenüber einem Amtssachverständigen im Einzelfall jeweils gesondert zu prüfen ist. Die Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, stellt keine grundsätzliche, sondern eine einzelfallbezogene Rechtsfrage dar, welche die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen vermag, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage vertretbar gelöst hat (VwGH 28.5.2019, Ra 2019/10/0008, mit zahlreichen Nachweisen; vgl. näher - auch zu den in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien - VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0027, mwN). 15 Dies gilt umso mehr für Amtssachverständige, die - wie hier - keine Bediensteten der belangten Behörde sind. Konkrete Bedenken gegen die Amtssachverständige bzw. deren Beiziehung wurden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert. Das Verwaltungsgericht verwies im Rahmen der Beweiswürdigung auf den Umstand, dass die Amtssachverständige auf die in der Beschwerde vorgebrachten Einwendungen konkret eingegangen sei (die Amtssachverständige hatte im Zuge der Verhandlung ihr ursprüngliches Gutachten in wesentlichen Punkten zu Gunsten der Revisionswerberin abgeändert). Der Beweiswert ihres Gutachtens wurde nicht mit ihrer Amtsstellung, sondern allein damit begründet, dass es schlüssig und nachvollziehbar gewesen und diesem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden sei. Eine unvertretbare Lösung der Befangenheitsfrage durch das Verwaltungsgericht ist damit insgesamt nicht zu erkennen. 16 5. Soweit die Revision zuletzt aus einer bestimmten Formulierung in der Begründung des Erkenntnisses ableitet, das Verwaltungsgericht nehme als schützenswertes Interesse "nicht mehr die Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser, sondern die Vorschreibung von Auflagen" (nämlich als Selbstzweck) an, so missversteht sie die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes. Dieses ist nämlich offensichtlich bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 21a WRG 1959 vorliegen, davon ausgegangen, dass der Schutz der öffentlichen Interessen - insbesondere an der Trinkwassersicherheit - in der vorgefundenen Situation (Förderung von Trinkwasser ohne Kontrolle und Dokumentation sowie ohne (vorgeschriebene) Vorkehrungen gegen Einwirkungen) nicht hinreichend gewährleistet ist.

17 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am 28. November 2019

Stichworte