VwGH Ra 2019/01/0479

VwGHRa 2019/01/047923.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M R, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2019, Zl. W158 2193553-1/8E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010479.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Antrag auf internationalen Schutz des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen vollinhaltlich ab. Weiters erteilte ihm das BVwG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und setzte eine Frist zur freiwilligen Ausreise. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

2 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei Staatsangehöriger Afghanistans, zumal er die diesbezügliche Feststellung im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG nicht mehr bestritten und angegeben habe, den pakistanischen Pass vom Schlepper erhalten zu haben. Das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei nicht glaubhaft. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr nach Kabul, Balkh, Herat oder Bamyan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 23 EMRK ausgesetzt wäre.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, der Revisionswerber sei Staatsangehöriger Pakistans und das BVwG habe Ermittlungsschritte zum pakistanischen Staatsbürgerschaftsrecht unterlassen, weshalb die Beweiswürdigung hinsichtlich der Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers krass fehlerhaft sei. Des Weiteren basiere die Annahme einer innerstaatlichen "Ansiedelungsalternative" auf keinen ausreichenden Feststellungen. Zudem weiche das BVwG von den Grundsätzen näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG ab.

7 Soweit sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP , 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele etwa VwGH 11.10.2019, Ra 2019/01/0367, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung im Rahmen der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht aufgezeigt. 8 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. VwGH 18.10.2019, Ra 2019/01/0385, mwN). Die Revision wird diesen Anforderungen mit dem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht.

9 Im Übrigen kommt es auf die vom Revisionswerber vermissten Feststellungen zu einer innerstaatlichen Fluchtalternative schon deshalb nicht an, da das BVwG die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK verneinte (vgl. hierzu etwa VwGH 30.9.2019, Ra 2019/01/0068).

10 Schließlich ist dem Zulässigkeitsvorbringen zur vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 11.10.2019, Ra 2019/01/0367, mwN). Dass das BVwG die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revision nicht auf.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Dezember 2019

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