Normen
AsylG 2005 §11;
AsylG 2005 §19 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190607.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber ist der Vater des minderjährigen Zweitrevisionswerbers. Die Revisionswerber, beide afghanische Staatsangehörige, stellten am 2. Februar 2016 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte der Erstrevisionswerber eine Verfolgung wegen seiner Glaubenszugehörigkeit als Schiit vor; die Sunniten würden in Afghanistan ständig Schiiten töten. In Afghanistan herrsche Krieg, er habe weit weg davon leben wollen.
2 Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 17. Jänner 2017 wurden die Anträge der Revisionswerber auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, den Revisionswerbern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden der Revisionswerber als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) im Wesentlichen aus, die Revisionswerber hätten keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Ihnen drohe bei ihrer Rückkehr in ihre Herkunftsprovinz Daikundi keine reale Gefahr einer Verletzung in ihren Rechten nach Art. 3 EMRK.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, die Revisionswerber seien aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und als Schiiten asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. Zudem würden sie durch die Taliban verfolgt, seien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt und wären so in ihrem Heimatdorf nicht in der Lage, für ein ausreichendes Einkommen zu Sicherung ihrer Grundbedürfnisse zu sorgen. Den Revisionswerbern stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung und sie würden als Rückkehrer aus dem Iran diskriminiert und schikaniert werden. Zudem sei es insofern zu Verfahrensfehler gekommen, als gegen das Verbot der Befragung zu Asylgründen in der Erstbefragung verstoßen worden sei und sich das BVwG nicht mit den von den Revisionswerbern vorgelegten Gutachten zur Lage in ihrem Herkunftsstaat auseinandergesetzt habe. Zudem habe das BVwG nicht berücksichtigt, dass die Revisionswerber bereits viermal erfolglos versucht hätten, sich in ihrem Heimatdorf eine Existenz aufzubauen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107, mwN).
Soweit die Revision die mangelnde Auseinandersetzung mit den von den Revisionswerbern vorgelegten Gutachten über die Lage im Herkunftsstaat sowie den Versuchen der Revisionswerber, sich dort eine Existenz aufzubauen, rügt, wird sie diesen Anforderungen jedoch nicht gerecht.
11 Insofern sich die Revision auf das Verbot einer näheren Befragung zu den Fluchtgründen bei der Erstbefragung hinweist, zeigt sie auch diesbezüglich die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht auf. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es weder der Behörde noch dem BVwG auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 verwehrt ist, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0271, mwN). Die Revision legt nicht dar, inwiefern das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre.
12 Das BVwG setzte sich mit der Situation der schiitischen Hazara und der Frage einer drohenden Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit der Revisionswerber zu dieser Glaubensgemeinschaft beziehungsweise Volksgruppe auseinander und kam zu dem Ergebnis, dass nicht von einer Gruppenverfolgung ausgegangen werden könne. Dass sich das BVwG hierbei von den Leitlinien der Judikatur entfernt habe, vermag die Revision nicht darzulegen (vgl. zu einem schiitischen Hazara etwa VwGH 20.4.2018, Ra 2018/18/0194, mwN).
13 Hinsichtlich des Vorbringens, die Revisionswerber würden von den Taliban im Herkunftsstaat verfolgt werden und würde dem Erstrevisionswerber eine Zwangsrekrutierung drohen, ist darauf hinzuweisen, dass im Verfahren vor dem BFA und dem BVwG weder eine Verfolgung durch die Taliban noch eine konkret drohende Zwangsrekrutierung geltend gemacht wurden. Diesem Vorbringen steht daher das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegen (vgl. VwGH 18.5.2018, Ra 2018/01/0027, mwN).
14 Soweit die Revision rügt, den Revisionswerbern stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, übersieht sie, dass das BVwG die Rückkehr der Revisionswerber in ihre Herkunftsprovinz Daikundi als möglich erachtete und überhaupt nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen ist.
15 Das BVwG führte zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion der Revisionswerber aus, dass Daikundi eine sichere Provinz sei und es kaum zu sicherheitsrelevanten Vorfällen komme. Beim Erstrevisionswerber handle es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden Mann mit langjähriger Berufserfahrung, der in der Lage sei für den Zweitrevisionswerber zu sorgen. Den Revisionswerbern drohe somit keine reale Gefahr einer Verletzung in ihren Rechten nach Art. 3 EMRK.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, dass er nicht verkennt, dass die Lage in Afghanistan sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt ist. Davon zu unterscheiden ist aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer dort umschriebenen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0190, mwN). Der Revision gelingt es mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht darzulegen, inwiefern das BVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre.
17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 26. März 2019
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