VwGH Ro 2018/15/0013

VwGHRo 2018/15/001324.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der W GmbH in S, vertreten durch die Deloitte Salzburg Wirtschaftsprüfungs GmbH in 5020 Salzburg, Ignaz-Rieder-Kai 13a, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts vom 19. April 2018, Zlen. 1. RV/6100140/2014, betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2011, Feststellung Gruppenträger 2009 bis 2011 und Körperschaftsteuer Gruppe 2009 bis 2011,

  1. 2. RV/6100049/2017, betreffend Umsatzsteuer 2012 und 2013, und
  2. 3. RV/6100054/2017, betreffend Umsatzsteuer 2014, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §24 Abs1 litd
EStG 1988 §4 Abs4
EStG 1988 §7
EStG 1988 §8
EStG 1988 §8 Abs4
UStG 1994 §4 Abs1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art73

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018150013.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Unternehmensgegenstand der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Gruppenträger einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG 1988 ist und nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr bilanziert (Bilanzstichtag 30. Juni), ist der Buch-, Kunst- und Musikalienhandel, der Buch-, Kunst- und Musikalienverlag, der Handel mit Waren aller Art und das Betreiben einer Werbeagentur.

2 Im Rahmen einer die Jahre 2009 bis 2011 sowie den Nachschauzeitraum Juli 2011 bis Dezember 2012 umfassenden Außenprüfung stellte die Prüferin fest, dass es im Prüfungszeitraum zu Doppel- oder Überzahlungen von Kunden gekommen sei, die nach zwölf Monaten über das "Ertragskonto 0%" ausgebucht worden seien. Die von Kunden getätigten Doppel- oder Überzahlungen (Kunden hatten Rechnungsbeträge oder Teile davon irrtümlich doppelt an die Revisionswerberin bezahlt) stünden in einem Kausalzusammenhang mit steuerbaren Lieferungen. Damit seien sie als Teil des Entgeltes iSd § 4 Abs. 1 UStG 1994 anzusehen, sofern es nicht zu einer Rückzahlung und damit zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage komme (Hinweis auf BFH 19.7.2007, V R 11/05). Eine Zuordnung der ausgebuchten Doppel- oder Überzahlungen zu den Ursprungsbelegen sei nicht möglich, weshalb die Aufteilung auf die 10 bzw. 20%igen Umsätze im Verhältnis der Erlöse des Vorjahres erfolge.

3 Die Prüferin führte weiters aus, die Revisionswerberin habe mitgeteilt, dass ihre Geschäftsführung im Wirtschaftsjahr 2011 (19. April 2011) beschlossen habe, ihre Filiale in X im Wirtschaftsjahr 2012 zu schließen. Die Kündigung des Mietvertrages für die Filiale sei dem Vermieter mit Schreiben vom 14. Juni 2012 mit dem Ersuchen, die Kündigung vorerst vertraulich zu behandeln, bekanntgegeben worden. Das Unternehmen schreibe Mieterinvestitionen generell auf acht Jahre ab. Daher habe die Revisionswerberin die Mieterinvestitionen betreffend die Filiale in X auf die Restnutzungsdauer von zwei Jahren verteilt und im Wirtschaftsjahr 2011 eine "Sonder-AfA" von 49.960,39 EUR geltend gemacht. Mieterinvestitionen seien auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzuschreiben. Ende das Mietverhältnis und damit die Nutzungsmöglichkeit vor dem Ablauf der Nutzungsdauer, könne im Jahr der Beendigung eine "AfA-Abschreibung" vorgenommen oder der Restbuchwert ausgeschieden werden. Die im Wirtschaftsjahr 2011 geltend gemachte "Sonder-AfA" sei somit nicht zulässig.

4 Das Finanzamt folgte der Prüferin, verfügte die Wiederaufnahme der Verfahren und erließ am 30. September 2013 bzw. 9. Oktober 2013 entsprechende Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2011, Feststellung Gruppenträger 2009 bis 2011 und Körperschaftsteuer Gruppe 2009 bis 2011. Mit Bescheiden vom 7. Juni 2016 bzw. 6. Oktober 2016 erließ das Finanzamt zudem die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2014, in welchen es die in diesen Jahren ausgebuchten Doppel- oder Überzahlungen der Umsatzsteuer unterzog.

5 Die Revisionswerberin brachte gegen die angeführten Bescheide Beschwerden ein und führte in diesen u.a. aus, die Finanzverwaltung berufe sich hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung der Doppel- oder Überzahlungen auf Entscheidungen des BFH, die zum deutschen UStG ergangen seien. Die entsprechende Bestimmung des § 10 deutsches UStG laute wie folgt:

"( ... ) Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger

aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der

Umsatzsteuer ( ... )."

Die korrespondierende österreichische Fundstelle (§ 4 Abs. 1

UStG 1994) laute aber wie folgt:

"( ... ) Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung

oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten (Solleinnahme); (...)."

Die deutsche Bestimmung stelle darauf ab, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten. Nach der Rechtsprechung des BFH komme es auf das Motiv, warum der Leistungsempfänger die Beträge aufwende, nicht an und seien somit auch irrtümlich bezahlte Beträge zum Entgelt zu rechnen. Die Formulierung des § 10 dUStG unterscheide sich jedoch wesentlich von § 4 Abs. 1 UStG 1994, zumal dieser explizit auf die Solleinnahme abstelle. Als Solleinnahme sei das vereinbarte Entgelt, also das Entgelt, das der Kunde vertraglich zu zahlen habe, anzusehen. Doppel- bzw. Überzahlungen seien keine bedungenen Einnahmen. Die in Rede stehenden Beträge habe der Leistungsempfänger nicht aufzuwenden, um die Leistung der Revisionswerberin zu erhalten. Werde die Doppel- bzw. Überzahlung nicht geleistet, schulde die Revisionswerberin trotzdem ihre Leistung.

6 Nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasse die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bilde, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger erhalte oder erhalten solle. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH setze der Begriff Entgelt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen erbrachter Leistung und empfangenem Gegenwert voraus (Hinweis auf EuGH 16.10.1997, Fillibeck, Rs C-258/95 ; 2.6.1994, Empire Stores Ltd, Rs C-33/93 ; 29.7.2010, Astrazeneca, Rs C-40/09 ). Die unmittelbare Verknüpfung zwischen der Doppel- oder Überzahlung und der von der Revisionswerberin zu erbringenden bzw. erbrachten Leistung, die nach Meinung des EuGH Bedingung für die Besteuerung sei, sei nicht gegeben.

7 Eine etwaige Mehreinnahme könnte allenfalls als freiwillige Leistung iSd § 4 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 zu werten sein. Aber auch freiwillige Aufwendungen müssten, um Entgeltsbestandteil zu werden, mit einer konkreten Leistung in Zusammenhang stehen. Für freiwillige Leistungen gelte somit ebenfalls das do-ut-des Prinzip, also "Leistung um der Gegenleistung Willen". Ein derartiger Zusammenhang sei jedoch bei den vorliegenden Doppel- oder Überzahlungen nicht gegeben. Der Leistungsempfänger wende nicht bewusst mehr auf, um die Leistung der Revisionswerberin zu erhalten oder eine besonders zufriedenstellende Leistung zu honorieren. Auch aus der fehlenden Rückzahlung könne nicht geschlossen werden, dass der Kunde die Beträge der Revisionswerberin tatsächlich überlassen möchte. Die Doppel- oder Überzahlungen passierten vielmehr irrtümlich und seien dem Kunden gar nicht bewusst. Ein Betrag könne nur durch eine bewusste Handlung oder eine explizite Willensäußerung freiwillig aufgewendet werden, an der es im gegenständlichen Fall jedoch fehle. Mangels Leistungswillen des Kunden könne bei den gegenständlichen Doppel- oder Überzahlungen keine freiwillige Leistung iSd § 4 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 angenommen werden.

8 Der EuGH stelle im Gegensatz zu der von der Finanzverwaltung zitierten Rechtsprechung des BFH sehr wohl auf das Zahlungsmotiv ab (Hinweis auf Gurtner/Pichler, Umsatzsteuerliche Behandlung von Über- und Doppelzahlungen, SWK 6/2008, 299). Selbst der BFH anerkenne, dass reine Fehlüberweisungen mangels Zusammenhang von Entgelt und Leistung nicht der Umsatzsteuer unterlägen. Eine Unterscheidung zwischen Fehlüberweisung und (irrtümlichen) Doppel- bzw. Überzahlungen sei in der Praxis schwierig. In beiden Fällen mangle es dem Zahlenden jedenfalls am Leistungswillen, weil seine Zahlung nicht für den Erhalt der bezogenen Leistung erforderlich sei und auch keine freiwillige Leistung vorliege. Eine Gleichbehandlung von Doppel- oder Überzahlungen und Fehlüberweisungen im Sinne einer Nichtbesteuerung sei daher wohl geboten und finde auch in der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie in der ständigen EuGH-Rechtsprechung Deckung. Die Umsetzung durch § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 UStG 1994 sei somit richtlinienkonform.

9 Durch den Beschluss der Geschäftsleitung vom 19. April 2011, die Filiale in X im Wirtschaftsjahr 2012 zu schließen, habe sich die ursprünglich geschätzte Nutzungsdauer der Mieterinvestitionen wesentlich und dauernd verkürzt. Die außerplanmäßig auf die verkürzte Nutzungsdauer abgeschriebenen Mieterinvestitionen seien nach Schließung der Filiale nicht anderweitig einsetzbar und würden entsorgt. Dass die Mieterinvestitionen durch den Vermieter nicht übernommen und abgelöst würden bzw. auch keine andere Verwendung mehr fänden, sei im Zeitpunkt des Schließungsbeschlusses absehbar gewesen und entspreche der Erfahrung des Konzerns bei Filialschließungen. Der Geschäftsführungsbeschluss als auslösendes Moment für die außergewöhnliche wirtschaftliche Abschreibung und die Verkürzung der Nutzungsdauer sei vollumfänglich und gemäß dem gefassten Zeitplan umgesetzt worden. Der Grund für die außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung sei bereits im April 2011 vorgelegen. "Basierend auf der unternehmensrechtlich zwingenden Abschreibung und mangels abweichenden steuerlichen Vorschriften wurde aufgrund der Maßgeblichkeit auch steuerlich im Wirtschaftsjahr 2011 eine außergewöhnliche AfA gemäß § 8 Abs. 4 EStG iHv EUR 49.960,39 geltend gemacht."

10 Das Finanzamt habe die außerplanmäßige Abschreibung nicht anerkannt. Die Begründung berufe sich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 2011, 2008/15/0150. Diese Entscheidung sei aber zu einem Sachverhalt ergangen, der mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei. Im gegenständlichen Verfahren seien die Voraussetzungen für die geltend gemachte Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) bereits im Wirtschaftsjahr 2011 eingetreten, weil die Revisionswerberin die Kündigung des Mietverhältnisses am 19. April 2011 beschlossen habe und dies auch entsprechend festgehalten und umgesetzt worden sei. Dem Erkenntnis vom 31. März 2011 liege ein völlig anders gelagerter Sachverhalt zugrunde: Dort habe der Vermieter dem Mieter im Veranlagungszeitraum 2002 den Zutritt zu den gemieteten Geschäftsräumen verwehrt, weshalb dieser im Veranlagungszeitraum 2001, in dem er die AfaA habe geltend machen wollen, noch von einer Fortführung des Betriebes bzw. des Mietverhältnisses ausgegangen sei.

11 Das Finanzamt wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen ab.

12 Die Revisionswerberin stellte den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht. Im Vorlageantrag betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2011, Feststellung Gruppenträger 2009 bis 2011 und Körperschaftsteuer Gruppe 2009 bis 2011 wiederholte sie die Ausführungen in der Beschwerde und brachte zu den Mieterinvestitionen vor: "Basierend auf der unternehmensrechtlich zwingenden Abschreibung und mangels abweichenden steuerlichen Vorschriften wurde aufgrund der Maßgeblichkeit auch steuerlich im Wirtschaftsjahr 2011 eine außergewöhnliche AfA gemäß § 8 Abs. 4 EStG iHv EUR 49.960,39 geltend gemacht."

13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden keine Folge.

14 Zu den Doppel- oder Überzahlungen führte das Bundesfinanzgericht aus, dass das Entgelt iSd österreichischen Umsatzsteuerrechts dem Entgelt iSd des deutschen Umsatzsteuerrechts entspreche, sodass die - im angefochtenen Erkenntnis näher dargestellte - Rechtsprechung des BFH auch für den Revisionsfall Aussagekraft besitze. Aus dieser Rechtsprechung ergebe sich, dass die von den Kunden geleisteten Doppel- oder Überzahlungen der Umsatzsteuer zu unterziehen seien. Die Zahlungen stünden in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der von der Revisionswerberin erbrachten Leistung. Die Kunden tilgten eine vermeintliche Kaufpreisschuld, die Doppel- oder Überzahlung beruhe lediglich auf einem Motivirrtum. Würden die Doppel- oder Überzahlungen zurückgezahlt, läge eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 16 UStG 1994 vor.

15 Das Vorbringen der Revisionswerberin, der EuGH stelle im Gegensatz zu der von der Finanzverwaltung zitierten Rechtsprechung des BFH sehr wohl auf das Zahlungsmotiv ab, verhelfe der Beschwerde nicht zum Erfolg. Die Revisionswerberin stütze ihr diesbezügliches Vorbringen auf eine in der Literatur vertretene Auffassung, in der das Urteil des EuGH vom 3. März 1994, Tolsma, Rs C-16/93 , angesprochen werde (Gurtner/Pichler, SWK 2008, 299). Aus der Entscheidung Tolsma lasse sich aber für den Beschwerdefall schon deshalb nichts gewinnen, weil es dort bereits an einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger mangle, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht würden.

16 Dem von der Revisionswerberin vertretenen Standpunkt, wonach eine Gleichbehandlung von Doppel- oder Überzahlungen und Fehlüberweisungen geboten sei, könne sich das Bundesfinanzgericht ebenfalls nicht anschließen. Bei einer Fehlüberweisung sei kein steuerbarer Vorgang gegeben, weil das Entgelt in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Leistung stehe. Die Doppel- oder Überzahlung stehe im Gegensatz dazu im Zusammenhang mit einem tatsächlichen Leistungsaustausch, weil der Kunde seine vermeintliche Kaufpreisschuld tilgen wolle; sie beruhe lediglich auf einem Motivirrtum (Hinweis auf BFH 19.7.2007, V R 11/05).

17 In Bezug auf die Mieterinvestitionen stellte das Bundesfinanzgericht fest, die Revisionswerberin habe am 7. August 2007 einen unbefristeten Mietvertrag betreffend die Geschäftsräumlichkeiten der Filiale in X abgeschlossen. Das Mietverhältnis habe am 1. September 2007 begonnen. Eine Aufkündigung des Mietvertrages sei unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende des Quartales möglich gewesen, wobei die Revisionswerberin für die Dauer von fünf Jahren, sohin bis 1. September 2012, auf eine Kündigung verzichtet habe. Am 19. April 2011 habe die Geschäftsführung der Revisionswerberin beschlossen, den Mietvertrag per 30. Juni 2012 aufzukündigen und das Mietverhältnis mit 30. September 2012 zu beenden. Am 15. September 2012 habe in der Filiale der letzte Verkaufstag stattgefunden, und am 30. September 2012 sei das Geschäftslokal an den Vermieter übergeben worden.

18 In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts führte das Bundesfinanzgericht aus, die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer richte sich nicht nach dem Zeitraum der voraussichtlichen Benutzung durch den Besitzer oder nach anderen subjektiven Erwägungen, sondern nach der objektiven Möglichkeit einer Nutzung des Wirtschaftsgutes (Hinweis auf VwGH 7.9.1993, 93/14/0081; 27.1.1994, 92/15/0127; 23.5.2007, 2004/13/0052).

19 Nach der in Literatur und Judikatur übereinstimmend vertretenen Auffassung seien Investitionen des Mieters auf die voraussichtliche Nutzungsdauer, höchstens auf die voraussichtliche Mietdauer abzuschreiben. Werde der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, sei für die Abschreibung die Nutzungsdauer der Investition maßgebend. Ende das Mietverhältnis vorzeitig, könne entweder eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung iSd § 8 Abs. 4 EStG 1988 geltend gemacht oder der Restbuchwert als Aufwand gewinnmindernd ausgeschieden werden (Hinweis auf Doralt, EStG13, § 7 Tz 65).

20 § 8 Abs. 4 EStG 1988 erkläre eine Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung für zulässig. Wie der Verwaltungsgerichtshof dargetan habe, liege eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung vor, wenn durch außergewöhnliche Umstände die Verwendungsmöglichkeit eines Wirtschaftsgutes ende oder gemindert werde. In Bezug auf eine Mieterinvestition könne eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses zu einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Abnutzung führen, wenn eine weitere (andere) Verwendungsmöglichkeit durch den Mieter nicht gegeben sei. Die Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung könne laut Verwaltungsgerichtshof nur in dem Jahr geltend gemacht werden, in dem die Gründe hierfür eingetreten seien bzw. hätten auffallen müssen (Hinweis auf VwGH 31.3.2011, 2008/15/0150).

21 Laut Revisionswerberin bestehe die außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung der Mieterinvestitionen darin, dass diese mit Beendigung des Mietverhältnisses entsorgt werden müssten. Die Revisionswerberin räume selbst ein, dass das Ende der Verwendungsmöglichkeit erst mit Beendigung des Mietverhältnisses eintrete. Das Mietverhältnis habe mit 30. September 2012 geendet, weshalb eine Absetzung für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung im Wirtschaftsjahr 2011 nicht in Betracht komme. Beim Beschluss vom 19. April 2011 handle es sich lediglich um die Absicht, das Mietverhältnis zum ehest möglichen Zeitpunkt (30. Juni 2012) aufzukündigen, damit es zum ehest möglichen Zeitpunkt (30. September 2012) ende (Hinweis auf VwGH 18.12.1990, 89/14/0091, wonach eine bloße Absicht noch nicht ausreichend sei, um eine Änderung der bisherigen AfA vorzunehmen).

22 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses für zulässig und begründete dies damit, dass "zur steuerlichen Behandlung von Doppel- oder Überzahlungen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiert".

23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

24 Das Finanzamt hat von einer Revisionsbeantwortung Abstand genommen.

 

25 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

26 Die Revision wendet sich gegen die umsatzsteuerliche Erfassung der in den Streitjahren vereinnahmten Doppelbzw. Überzahlungen und führt auf das Wesentlichen zusammengefasst aus, dass sich der österreichische Entgeltbegriff entgegen der Rechtsauffassung des Bundesfinanzgerichts dadurch von der deutschen Rechtslage unterscheide, dass das vom EuGH entwickelte do-ut-des Prinzip im österreichischen UStG explizit auch für freiwillige Zahlungen gesetzlich verankert sei. Auch aus unionsrechtlichen Überlegungen ergebe sich, dass unter Beachtung des do-ut-des Prinzips sowie des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität nur jene Zahlungen Entgeltbestandteil sein könnten, die der Leistungsempfänger (nicht bloß irrtümlich) zur Erlangung einer anderen Leistung tätige. Schließlich sprächen auch teleologische Erwägungen gegen den vom Bundesfinanzgericht vertretenen Entgeltbegriff. Eine Unterscheidung zwischen rechtsgrundlosen Zahlungen rein anhand des Zahlungsmotivs, das für den Zahlungsempfänger regelmäßig nicht erkennbar und in einer Vielzahl von Fällen auch nicht ermittelbar sei, könne vom Gesetzgeber nicht intendiert sein.

27 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt.

28 Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem lautet:

"Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen."

29 § 4 UStG 1994 in der für den Revisionsfall maßgeblichen Fassung lautet auszugsweise:

"§ 4. (1) Der Umsatz wird im Falle des § 1 Abs. 1 Z 1 nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten (Solleinnahmen);

(...)

(2) Zum Entgelt gehört auch,

1. was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung freiwillig aufwendet, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten, (...)"

30 § 16 UStG 1994 in der für den Revisionsfall maßgeblichen Fassung lautet auszugsweise:

"§ 16. (1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben

1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und

2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.

(...)

(3) Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn

1. das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, so sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen; (...)"

31 Für die Anknüpfung des Entgeltes an die tatsächlich erhaltene Gegenleistung spricht der Wortlaut von Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG . Danach gehört zur Bemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten "erhält oder erhalten soll" (zuvor Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ).

32 Gemäß § 4 UStG 1994 zählen Leistungen des Leistungsempfängers zum Entgelt, soweit sie aufgewendet werden, um die Leistung des Unternehmers zu erhalten. Nur das ist Entgelt, was in einer Zweckbindung zur Erlangung der Lieferung oder sonstigen Leistung steht (Entgeltlichkeitszusammenhang). Im Falle einer Differenz zwischen vereinbartem und tatsächlich geleistetem Entgelt ist maßgebend, was wirtschaftlich tatsächlich zugeflossen, also endgültig gezahlt wurde (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 4 Tz 10, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

33 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 27. Mai 1999, 97/15/0067, über einem Fall entschieden, in dem eine Tochtergesellschaft Waren der Muttergesellschaft zu wesentlichen überhöhten Preisen erwarb. Der Mehrbetrag wurde nicht geleistet, um die Ware zu erhalten, sondern um in verdeckter Form Gewinne auszuschütten. Der Verwaltungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis aus, dass insoweit kein Entgeltlichkeitszusammenhang besteht. Gleiches muss bei Vorliegen einer echten Fehlüberweisung gelten, weil es in diesem Fall an einer Leistungsbeziehung zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger fehlt.

34 Anders als bei einer echten Fehlüberweisung ist bei einer Doppel- oder Überzahlung der unmittelbare Zusammenhang zwischen Entgeltzahlung und Leistung noch gegeben, weil der Kunde - wenn auch irrtümlich - seine vermeintliche Kaufpreisschuld tilgen will und die Doppel- oder Überzahlung im Zusammenhang mit einem tatsächlichen Leistungsaustausch steht. Es stößt daher auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn das Bundesfinanzgericht die in Rede stehenden Doppel- oder Überzahlungen als Teil des Entgelts angesehen und wie zuvor das Finanzamt der Umsatzsteuer unterworfen hat (vgl. idS auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 4 Tz 16/1).

35 Soweit die Revisionswerberin den Standpunkt vertritt, dass ihr im Wirtschaftsjahr 2011 eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung iSd § 8 Abs. 4 EStG 1988 zustehe, ist ihr zu entgegnen:

36 Aufwendungen des Mieters auf den Bestandsgegenstand, die nicht bloß Erhaltungsmaßnahmen (Instandhaltung, Instandsetzung) sind, werden nicht sofort als Betriebsausgaben des Mieters abgesetzt. Sie führen zu so genannten "Mieterinvestitionen", die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wie Wirtschaftsgüter im wirtschaftlichen Eigentum des Mieters nach den Grundsätzen der §§ 7 und 8 EStG 1988 abgeschrieben werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Mieter - durch Gesetz oder durch Vereinbarung - das Recht auf Entschädigung in Höhe des Restwertes der Einbauten bei Beendigung des Bestandverhältnisses oder auf Entfernung der Investitionen eingeräumt ist (vgl. VwGH 20.3.2014, 2011/15/0120; 31.5.2011, 2008/15/0153; 25.10.2006, 2006/15/0152;

24.2. 2004, 99/14/0250).

37 Die Funktion der Abschreibung besteht in der Verteilung der Aufwendungen auf die Nutzungsdauer. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bestimmt sich nach den objektiven Möglichkeiten einer Nutzung, wobei den subjektiven Verwendungsabsichten des Steuerpflichtigen (wie etwa der geplanten Dauer der betrieblichen Tätigkeit) keine Bedeutung beizumessen ist (vgl. VwGH 27.1.1994, 92/15/0127; 7.9.1993, 93/14/0081; 23.5.2007, 2004/13/0052).

38 § 8 Abs. 4 EStG 1988 erlaubt eine Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung. Eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung liegt vor, wenn durch außergewöhnliche Umstände die Verwendungsmöglichkeit endet oder gemindert wird. In Bezug auf eine Mieterinvestition kann eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses zur Abschreibung nach den Regeln einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Abnutzung führen, soweit eine weitere (andere) Verwendungsmöglichkeit durch den Mieter nicht gegeben ist (vgl. VwGH 31.3.2011, 2008/15/0150).

39 Im gegenständlichen Fall hat im abweichenden Wirtschaftsjahr 2011 noch ein aufrechtes Mietverhältnis (auf unbestimmte Dauer) bestanden. Der Plan des Mieters, künftighin das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden, führt nicht zu einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Abnutzung der Mieterinvestitionen, zumal diese bis zur tatsächlichen Beendigung des Mietverhältnisses uneingeschränkt nutzbar waren. Subjektive Einstellungen und Planungen des Mieters als solche mindern die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer nicht. Daher hat das Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin zu Recht die Abschreibung wegen außergewöhnlicher wirtschaftlicher Abnutzung im Streitjahr 2011 versagt.

40 Gegenstand des Verfahrens vor dem Finanzamt und dem Bundesfinanzgericht war das auf die behauptete Minderung der Nutzungsdauer gestützte Begehren auf Absetzung für

außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung gemäß § 8 Abs. 4 EStG 1988. Schon im Hinblick auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot war daher nicht auf das eine allfällige Teilwertminderung behauptende Revisionsvorbringen einzugehen.

41 In Bezug auf Feststellung Gruppenträger 2009 und 2010 sowie Körperschaftsteuer 2009 und 2010 enthält die Revision kein Vorbringen und zeigt somit diesbezüglich von vornherein keine Rechtsverletzung auf.

42 Die Revision erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am 24. Oktober 2019

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