VwGH Ra 2018/14/0300

VwGHRa 2018/14/030031.1.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2018, W249 2161291-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140300.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 30. Juli 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30. Mai 2017 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 25. September 2018, E 2656/2018-11, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2018, E 2656/2018-13, trat er dem Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde zur Entscheidung ab.

5 Gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Erlassung der Rückkehrentscheidung wendet sich die vorliegende Revision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst geltend macht, die vom BVwG herangezogenen Länderberichte seien aufgrund der sich rasch ändernden Lage in Afghanistan nicht ausreichend aktuell. Zudem habe sich das BVwG nicht ausreichend mit der konkreten Situation des "verwestlichten" Revisionswerbers, der nahezu sein gesamtes Leben im Iran verbracht habe, auseinandergesetzt. Dazu werde auf aktuelle Länderberichte, die auszugsweise in der Revision zitiert wurden, und auf die mit 30. August 2018 datierten Richtlinien des UNHCR verwiesen. Zudem habe das BVwG bei seiner Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG nicht berücksichtigt, ob es dem Revisionswerber möglich wäre, sich in Afghanistan eine Existenz aufzubauen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Werden Verfahrensmängel - wie hier hinsichtlich der Aktualität der Berichte über die Lage im Herkunftsstaat - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107, mwN).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass er nicht verkennt, dass die Lage in Afghanistan sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt ist. Davon zu unterscheiden ist aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (vgl. etwa VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0095).

11 Es ist nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber, der nach den in der Revision nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen des BVwG ein gesunder, junger Mann im erwerbsfähigen Alter sei und über ein familiäres Netzwerk in Kabul verfüge, im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grundlage der im Zeitpunkt des Erkenntnisses vorliegenden Berichtslage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit dem realen Risiko konfrontiert wäre, in eine existenzbedrohende Notlage im Sinne des Art. 3 EMRK zu geraten (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0266; 24.10.2018, Ra 2018/14/0107 und VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).

12 Soweit sich die Revision im Hinblick auf die in ihr zitierten Länderberichte darauf stützt, dass dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul nicht zumutbar sei, und das die Nichtberücksichtigung der aktuellen Richtlinien des UNHCR vom 30. August 2018 ins Treffen führt, ist im Besonderen auszuführen, dass diese erst nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG datieren und daher bei der Entscheidung über die Revision keine Berücksichtigung finden können (vgl. etwa VwGH 4.10.2018, Ra 2018/18/0475).

13 Der Revision gelingt es somit nicht, die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel aufzuzeigen.

14 Insofern die Revision vorbringt, das BVwG hätte sich nicht mit dem Vorbringen einer "westlichen Orientierung" des Revisionswerbers auseinandergesetzt, ist darauf hinzuweisen, dass in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid lediglich eine "Verwestlichung" der Mutter und der Schwester des Revisionswerbers vorgebracht wurde und sich erstmals in der Revision dazu Ausführungen im Hinblick auf den Revisionswerber befinden. Diese unterliegen soweit dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbot, weshalb sie bereits aus diesem Grund nicht geeignet sind, die Zulässigkeit der Revision im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG zu begründen (vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0197, mwN).

15 Auch vermag die Revision nicht darzulegen, dass das BVwG im vorliegenden Fall tragende Verfahrensgrundsätze verletzt oder eine unvertretbare Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorgenommen hätte (vgl. VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN). Insbesondere hat sich das BVwG bereits bei der Prüfung von § 8 AsylG hinreichend damit auseinandergesetzt, ob es dem Revisionswerber möglich ist, sich in seinem Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage zu schaffen, und hat sich diese Erwägungen auch bei der Interessenabwägung zu eigen gemacht.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2019

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