VwGH Ra 2018/12/0002

VwGHRa 2018/12/000228.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien in 1010 Wien, Schottenring 7-9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2017, GZ W221 2127813-1/11E, betreffend Besoldungsdienstalter (mitbeteiligte Partei: Mag. MM in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5), zu Recht erkannt:

Normen

GehG 1956 §12 Abs3 idF 2015/I/065;
GehG 1956 §12 Abs3 Z2 idF 2015/I/065;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018120002.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte steht seit 1. März 2015 in einem öffentlich-rechtlichen Exekutivdienstverhältnis zum Bund. Mit Antrag vom 19. November 2015 begehrte er die bescheidmäßige Feststellung des Besoldungsdienstalters zum Dienstantritt.

2 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien (LPD) vom 2. Mai 2016 wurde ein Besoldungsdienstalter von zwei Jahren und sechs Monaten festgestellt. Begründend führte die Dienstbehörde aus, vor dem Hintergrund des § 12 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) seien an Vordienstzeiten sechs Monate Grundwehrdienst sowie zwei Jahre Grundausbildung für den Exekutivdienst bei der LPD angerechnet worden. Die Höchstgrenze für die Anrechenbarkeit des Grundwehrdienstes bilde die derzeit vorgesehene Mindestdauer von sechs Monaten.

3 Würde man sich im vorliegenden Fall die anderen, fachverwandten Vortätigkeiten wegdenken, so wäre der Mitbeteiligte als E2b-Beamter weder schlechter verwendbar bzw. wäre keine längere fachliche Einarbeitung und Einschulung auf dem Arbeitsplatz notwendig gewesen. Er würde auch die Aufgaben für einen beachtlichen Zeitraum nicht mangels Routine nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen können, zumal die polizeiliche Grundausbildung für alle Bediensteten dieselbe Grundvoraussetzung schaffe, um den vielseitigen Aufgaben eines Polizeibeamten gerecht zu werden.

4 In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Mitbeteiligte - wie schon früher in einer Stellungnahme - aus, es wären ihm auch die Zeiten seiner Berufstätigkeit im Rahmen von Projekten zur Suche von Massengräbern in Rechnitz als Vordienstzeiten anzurechnen gewesen. Zwei Drittmittelprojekte seien direkt vom Bundesministerium für Inneres, Abteilung IV/7 Gedenkstätten beauftragt worden. Es handle sich um eine kriminalistisch-forensische Suche nach Kriegstoten, welche er für die Universität Wien koordiniert habe. Weitere Beteiligte seien das BMI.BK sowie die damalige Leichensuchhundestaffel der Bundesgendarmerie gewesen. Aufgrund seiner Tätigkeit bei diesen Projekten sei ein erheblich höherer Arbeitserfolg im Vergleich zu einem anderen Berufseinsteiger zu erwarten und gegeben gewesen. Der Mitbeteiligte begründete ausführlich, dass er seiner Ansicht nach auf Grund der von ihm bei dieser Tätigkeit erworbenen Fähigkeiten im Bereich des Umgangs mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, des sensiblen Umgangs mit religiösen und ethischen Materien, im Bereich der Mediation und Verhandlungstätigkeit, der Daten- und Aktenrecherche sowie Archivarbeit, der GIS-kartografischen Darstellung von tatortrelevanten Fakten, der professionellen und umsichtigen Spurensicherung, der Dokumentation und des Gerichtswesens sowie des Umgangs mit großen Datenmengen einen erheblich höheren Arbeitserfolg im Vergleich zu einem anderen Berufseinsteiger erzielt habe.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung teilweise Folge und stellte ein Besoldungsdienstalter von vier Jahren und neun Monaten fest.

6 Dabei ging es von folgendem Sachverhalt aus: Der Mitbeteiligte habe von 1. Juli 1997 bis 31. August 1998 seinen Präsenzdienst absolviert. Im April 2005 habe er sein Diplomstudium der Geografie mit dem akademischen Grad des Magisters der Naturwissenschaften abgeschlossen. Vom 1. März 2004 bis 31. Mai 2006 habe er als freier Dienstnehmer am Institut für Geografie und Regionalforschung der Universität Wien gearbeitet. Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres durchgeführt worden sei, habe die Suche nach den Massengräbern in Rechnitz aufgrund des Massakers im Jahr 1945 betroffen. Im Zuge dieser Tätigkeit sei es die Aufgabe des Mitbeteiligten gewesen, sämtliche bereits vorhandenen Akten aufgrund vorheriger Suchen zu sichten, Archive abzusuchen, Zeugen zu erheben und sämtliche Informationen mittels kartografischer Darstellung zusammenzufassen. Es sei gelungen, mehrere bisher nicht abgesuchte Verdachtsflächen zu eruieren, auf denen anschließend unter der Koordination des Mitbeteiligten Kernbohrungen durchgeführt worden seien. Auf Anregung des Mitbeteiligten seien Leichensuchhunde zum Einsatz gelangt, welche menschliche Spuren entdeckt hätten, die in weiterer Folge forensisch untersucht worden seien. Durch Berichtslegung im Mai 2006 habe die Tätigkeit des Mitbeteiligten im Rahmen dieses Projekts geendet.

7 Darüber hinaus habe der Mitbeteiligte im Sommersemester 2006 (31. März  bis 31. August 2006) sowie im Sommersemester 2009 (1. März bis 31. August 2009) als Lektor am Institut für Geografie und Regionalforschung der Universität Wien eine Lehrveranstaltung zum Thema Bodengeografie und -ökologie im Ausmaß von einer Wochenstunde abgehalten.

8 Nach erfolgreicher Absolvierung des Auswahlverfahrens für den Polizeidienst habe der Mitbeteiligte von 1. März 2013 bis 1. März 2015 die verpflichtende Grundausbildung durchlaufen. Im Auswahlverfahren habe er 965,1 von 982 Punkten erreicht, wobei für die positive Absolvierung des Auswahlverfahrens eine Punkteanzahl von 139,3 ausreichend sei.

9 Die Grundausbildung bestehe aus diversen Seminaren (Einführung und Behördenorganisation, angewandte Psychologie, Kommunikation und Konfliktmanagement, Berufsethik und Gesellschaftslehre, Menschrechte, Dienstrecht, Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre, Straf- und Privatrecht, Verfassungsrecht und Europarecht, Verkehrsrecht, Verwaltungsrecht, Kriminalistik, Bürokommunikation, Kompetenztraining, Einsatztraining, Sport, Erste Hilfe und Fremdsprachen) und einem Berufspraktikum. Der Mitbeteiligte habe die Dienstprüfung in allen Fächern mit Auszeichnung bestanden.

10 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligte habe in seiner Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht plausibel darlegen können, dass er sich durch seine Tätigkeit im Rahmen des Projektes betreffend die Suche der Massengräber in Rechnitz zahlreiche Fertigkeiten angeeignet habe, die ihn im Vergleich zu durchschnittlichen Berufseinsteigern hätten erheblich besser verwenden lassen.

11 Den unmittelbaren Nutzen seiner beruflichen Vorerfahrung sehe das Bundesverwaltungsgericht insbesondere in folgenden Bereichen: Datenrecherche, Dokumentation, eigeninitiatives Arbeiten, Spurensicherung sowie kartografische Darstellung der erhobenen Fakten in einem geografischen Informationssystem (GIS). Dabei handle es sich um ein Programm, das wie der von der Polizei verwendete Sicherheitsmonitor funktioniere.

12 Der Mitbeteiligte könne damit Zeiten vorweisen, die nicht ohnehin von der Mehrheit der potentiellen Bewerber vorgewiesen werden könnten und durch die er sich deutlich von typischen Berufseinsteigern abhebe. Seine erheblich bessere Verwendbarkeit im Vergleich zu einem durchschnittlichen Berufseinsteiger werde schließlich auch durch die Dienstbeschreibung vom 10. Oktober 2017 bestätigt, in welcher ausgeführt werde, dass der Mitbeteiligte sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht den zu erwartenden Arbeitserfolg übertreffe. Er zeichne sich zum Beispiel durch überdurchschnittlich genaue Dokumentation aus, habe im Vergleich zu anderen eine überdurchschnittliche Auffassungsgabe und sei bereits nach kurzer Anleitung und Einschulung in der Lage, selbstständig zu arbeiten. Aus der von der belangten Behörde vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung ergebe sich, dass ein Exekutivbediensteter den operativen Exekutivdienst (auch) durch eigeninitiative Wahrnehmung zu verrichten habe. Dazu führe die Dienstbeschreibung aus, dass der Mitbeteiligte sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht mehr Verwaltungsübertretungen wahrnehme und zur Anzeige bringe und diese überdurchschnittlich genau dokumentiere.

13 Auch wenn in der Dienstbeschreibung ausgeführt werde, dass nicht bekannt gewesen sei, welche beruflichen Vorkenntnisse der Mitbeteiligte habe und davon ausgegangen werde, dass der höhere Arbeitserfolg insbesondere auf die Motivation und Arbeitsfreude des Mitbeteiligten zurückzuführen sei, gelange das Bundesverwaltungsgericht in Kenntnis der Vorerfahrungen des Mitbeteiligten zum Ergebnis, dass diese sehr wohl entscheidend seien für dessen bessere Verwendbarkeit, die durch die Dienstbeschreibung belegt sei. Gerade die in der Dienstbeschreibung hervorgehobenen Punkte der überdurchschnittlich genauen Dokumentation, der überdurchschnittlichen Auffassungsgabe und der Fähigkeit, nach kurzer Anleitung selbstständig zu arbeiten, seien nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes maßgeblich auf seine berufliche Vorerfahrung zurückzuführen, in welcher er selbstständig habe arbeiten müssen und gründliches Dokumentieren, Befragen von Zeugen, Spurensicherung und den Umgang mit einem Tatort praktisch erlernt habe. Darüber hinaus habe der Mitbeteiligte bereits die Aufnahmeprüfung mit einer überdurchschnittlichen Punkteanzahl absolviert und die Dienstprüfung mit lauter Auszeichnungen abgeschlossen. Insgesamt zeige dies das Bild eines überdurchschnittlich engagierten und geeigneten Exekutivbediensteten.

14 Die Behörde halte dem insbesondere entgegen, dass alle Exekutivbediensteten durch die Grundausbildung gleich ausgebildet würden und dabei alles lernten, was sie für ihre Tätigkeit im Berufsleben brauchten. Dem sei einerseits entgegen zu halten, dass durch eine so strenge Auslegung dem § 12 Abs. 3 GehG der Boden entzogen wäre und demnach keinem Exekutivbediensteten irgendeine Berufstätigkeit angerechnet werden könnte, weil nichts einschlägig wäre, was nicht im Sinne des Gesetzes sein könne. Andererseits verkenne diese Argumentation für den vorliegenden Fall, dass der alleinige Besuch der Grundausbildung dem Mitbeteiligten zwar sicherlich die erforderlichen Fertigkeiten für den Polizeidienst mitgegeben habe, er allein aufgrund dieser jedoch insofern "schlechter" verwendbar gewesen wäre, als er seine Aufgaben (nur) entsprechend einem durchschnittlich guten Exekutivbediensteten erfüllt hätte. Das Verfahren und die vorgelegten Dokumente hätten jedoch klar ergeben, dass der Mitbeteiligte überdurchschnittliche Leistungen erbringe.

15 Da es sich bei der vom Mitbeteiligten von 1. März 2004 bis 31. Mai 2006 geleisteten Tätigkeit als freier Dienstnehmer am Institut für Geografie und Regionalforschung der Universität Wien um eine einschlägige Berufstätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 GehG handle, sei diese Zeit im Ausmaß von zwei Jahren und drei Monaten zusätzlich zu den von der Dienstbehörde berücksichtigten Zeiten anzurechnen.

16 Weiters wurde begründet, weshalb die weiteren Zeiten des Präsenzdienstes und die Zeit als Lektor an der Universität Wien für die Lehrveranstaltung "Übung Bodengeografie und -ökologie" nicht anrechenbar seien.

17 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliege. Auch sonst lägen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Der Wortlaut der angewendeten Bestimmungen sei eindeutig.

18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision der Dienstbehörde, in der beantragt wird, der Verwaltungsgerichtshof wolle das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben oder dahin abändern, dass das Begehren des Mitbeteiligten als unbegründet abgewiesen werde.

19 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. ausgeführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Arten von Zusatzqualifikationen unter dem Tatbestand "vorhandene Routine" in § 12 Abs. 3 Z 2 GehG als Vordienstzeiten anrechenbar seien sowie zur Frage, wann ein "erheblich höherer Arbeitserfolg" vorliege, der nach der genannten Bestimmung ebenfalls für eine Anrechenbarkeit erforderlich sei. Das Bundesverwaltungsgericht sei auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach für die Beurteilung der Einschlägigkeit nach § 12 Abs. 3 GehG ein Betrachtungszeitraum von sechs Monaten nach der Aufnahme ins Dienstverhältnis ausreichend sei.

20 Im Rahmen der Ausführung der Revisionsgründe wird u. a. vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht lege den Begriff "erheblich höherer Arbeitserfolg" in § 12 Abs. 3 Z 2 GehG in einer Art und Weise aus, bei der die Entscheidung über eine Anrechnung bzw. Nichtanrechnung kaum einer Überprüfung zugänglich sei, weil sie auf jede Form eines Maßstabes verzichte. Die Qualifikationsbeurteilung beschränke sich nur auf wenige Tätigkeiten, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Vortätigkeit und der Übererfüllung der Anforderungen dargelegt werde (Datenrecherche, Dokumentation, eigeninitiatives Arbeiten, Spurensicherung sowie kartografische Darstellung der erhobenen Fakten in einem geografischen Informationssystem). Diese wenigen Tätigkeiten stellten in der Folge die ausschließliche Grundlage dafür dar, auf Basis eines sehr allgemein umschriebenen Anforderungsprofiles eines Exekutivbediensteten Schlussfolgerungen über die bessere Verwendbarkeit des Mitbeteiligten zu ziehen. Für die Mehrheit der Tätigkeiten eines Exekutivbediensteten werde ein solcher Zusammenhang jedoch nicht näher erörtert, sondern ohne weitere Nachweise festgestellt. Das Bundesverwaltungsgericht führe offenkundig Eigenschaften, die in der Person des Mitbeteiligten lägen, auf seine Vortätigkeiten zurück, obwohl eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass er diese Eigenschaften von Natur aus aufweise und sie nicht erst durch die Tätigkeit im Rahmen des Projektes an der Universität Wien erworben habe. Kognitive Fähigkeiten wie Auffassungsgabe oder die Fähigkeit zur selbstständigen Arbeit stünden nach Ansicht der Dienstbehörde in keinem Zusammenhang mit einer spezifischen beruflichen Vorerfahrung, sondern seien vielmehr - im Sinne eines erforderlichen Mindestniveaus - von der Dienstbehörde bei der Einrichtung und Besetzung des Arbeitsplatzes als allgemeine Anforderungen zu berücksichtigen.

21 In gleicher Weise sei auch die Fähigkeit zu eigeninitiativer Leistungserbringung zu qualifizieren. Im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Argumente, dass der Mitbeteiligte sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht mehr Verwaltungsübertretungen wahrnehme, zur Anzeige bringe und überdurchschnittlich genau dokumentiere, sei nach Ansicht der Dienstbehörde nicht nachvollziehbar, aus welchen sachlichen Überlegungen heraus ableitbar sein solle, dass diese Qualifikationen aus der beruflichen Vorerfahrung resultierten. Insbesondere etwa die Quantität von bearbeiteten Übertretungen in Verbindung mit beruflicher Vorerfahrung zu bringen, gehe nach Ansicht der Dienstbehörde völlig ins Leere.

22 Auch der vom Bundesverwaltungsgericht getätigte Verweis auf die durch den Bediensteten mit überdurchschnittlicher Punkteanzahl erfolgte Absolvierung der Aufnahmeprüfung bzw. den ausschließlich mit Auszeichnungen erfolgten Abschluss der Dienstprüfung zeige die unzulässige Vermengung von in der Person des Bediensteten liegenden Eigenschaften mit allenfalls aus der beruflichen Vorerfahrung resultierenden Qualifikationen. Aus dem bloßen Faktum der Erbringung überdurchschnittlicher Leistungen im Zuge der Neuaufnahme bzw. der Grundausbildung in weiterer Folge die Einschlägigkeit der beruflichen Vorerfahrung ableiten zu wollen, gehe ins Leere.

23 So werde dazu nicht einmal ansatzweise dargelegt, welche Kenntnisse und Fähigkeiten im Zuge der Neuaufnahme bzw. aus Anlass des Abschlusses der Grundausbildung bewertet würden. Dennoch werde festgestellt, die jeweiligen Ergebnisse seien auf die beruflichen Vorerfahrungen zurückzuführen. Es werde dabei jedoch in keiner Weise ausgeführt, inwieweit den an anderer Stelle des Erkenntnisses aufgezählten Tätigkeiten auch tatsächlich zumindest die theoretische Eignung zukommen könnte, Einfluss auf die genannten Ergebnisse zu haben, zumal es aufgrund der Verschiedenartigkeit der Vortätigkeiten einerseits und der überprüften Qualifikationen andererseits überwiegend sogar denkunmöglich erscheine, dass die insbesondere im Zuge des Auswahlverfahrens anlässlich der Neuaufnahme bewerteten Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten in einem direkten Zusammenhang mit den bei der Universität Wien erworbenen beruflichen Vorerfahrungen stehen könnten. Die Ergebnisse des Auswahlverfahrens und der Dienstprüfung könnten daher nicht als Indiz für die Einschlägigkeit der Vorverwendung gewertet werden.

24 Weiters habe das Bundesverwaltungsgericht das Kriterium der Erheblichkeit in § 12 Abs. 3 Z 2 GehG verkannt und seine Betrachtung hinsichtlich beruflicher Vorerfahrung einerseits ausschließlich auf die Mitarbeit des Mitbeteiligten im Rahmen des Drittmittelprojekts an der Universität Wien und die im Zuge dieses Projekts erbrachten Tätigkeiten gestützt und andererseits jedoch eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Berufsbild eines im Exekutivdienst in Verwendung stehenden Bediensteten weitestgehend unterlassen.

25 Das Erkenntnis lasse eine umfassende Auseinandersetzung mit den einem Beamten des Exekutivdienstes der Verwendungsgruppe E2b obliegenden Aufgaben bzw. Tätigkeiten weitgehend vermissen. Das Bundesverwaltungsgericht habe es nicht nur unterlassen, die Aufgaben bzw. Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit aufzugliedern, sondern es fehle auch eine wenigstens auch bloß ansatzweise Quantifizierung derselben. Es wird keine Gewichtung bei den exekutivdienstlichen Aufgaben vorgenommen, welche für die Beurteilung der Einschlägigkeit herangezogen würden. Es sei daher sowohl in inhaltlicher als auch in quantitativer Hinsicht nicht nachvollziehbar, inwieweit den nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes aus der beruflichen Vorerfahrung resultierenden Qualifikationen die dargestellte Bedeutung auch tatsächlich zukomme.

26 Als Beispiel sei auf die vom Bundesverwaltungsgericht aus der Zeit der Verwendung bei der Universität Wien hervorgehobene kartografische Darstellung erhobener Fakten in einem Informationssystem (GIS), das dem bei der Polizei in Verwendung stehenden Sicherheitsmonitor vergleichbar sein solle, verwiesen. Es fehle eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, in welchem Umfang Tätigkeiten am Sicherheitsmonitor zum regulären Tätigkeitsbild eines Exekutivbediensteten zählten und insbesondere fehle eine nachvollziehbare Darlegung dessen, worin daher die daraus ableitbare bessere Verwendung im Exekutivdienst beruhen solle. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes ließen den Schluss zu, dass die Frage der Einschlägigkeit nicht bloß am Maßstab des regulären Tätigkeitsbildes eines im Exekutivdienst verwendeten uniformierten Exekutivbediensteten nach Abschluss der Grundausbildung beurteilt worden sei, sondern auch Aspekte einer allfälligen späteren Tätigkeit, die unter Umständen erst nach Überstellung in eine andere Besoldungsgruppe ausgeübt werde, in die Beurteilung einbezogen worden seien. Dadurch, dass es das Bundesverwaltungsgericht nicht nur unterlassen habe, die Aufgaben bzw. Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit aufzugliedern, sondern auch eine wenigstens bloß ansatzweise Quantifizierung derselben vorzunehmen, habe es gleichzeitig aber auch den Begriff der "Routine" in § 12 Abs. 3 Z 2 GehG in einer Art und Weise ausgelegt, die über den äußerstmöglichen Wortsinn hinausgehe, weil es das repetitive Element des Begriffs "Routine" - also dass es sich um regelmäßig wiederholt und nicht bloß fallweise zu erbringende dienstliche Aufgaben, mithin Kernaufgaben der eigentlichen Diensterbringung handeln müsse - nicht beachtet habe. Der Begriff "Routine" habe eine klare Bedeutung, die bereits der französische Wortstamm durchaus nahelege: Routine sei, wenn man dieselbe Tätigkeit so häufig wiederkehrend ausgeübt habe, dass im Bedarfsfall ohne besondere Beanspruchung des Denkvermögens die weitere Vorgangsweise bekannt sei und diese ohne besondere Aufmerksamkeit vollzogen werden könne. Daraus ergebe sich, dass nur schematische Abläufe Gegenstand von Routine sein könnten. Für einen nicht schematisch ausgestalteten Dienstbetrieb wie z.B. den Exekutivdienst sei die Routine nur eingeschränkt einsetzbar. Die Routine eines Exekutivbeamten sei dagegen außerhalb des Dienstes kaum erwerbbar, weil diese Aufgaben regelmäßig dem hoheitlichen Bereich vorbehalten seien. Deshalb sei auch nach der ins Treffen geführten Verwendung bei der Universität Wien nicht weniger Aufsicht und Begleitung bei Dienstantritt als Exekutivbeamter erforderlich.

27 Überdies verkenne das Bundesverwaltungsgericht, dass § 12 Abs. 3 Z 2 GehG einen "erheblich" höheren Arbeitserfolg fordere und nicht bloß "überdurchschnittliche Leistungserbringung". Auf die Frage der Erheblichkeit der betreffenden Qualifikationen für den Exekutivdienst sei folglich auch nicht weiter eingegangen worden. So werde zwar mehrfach die "bessere Verwendbarkeit" angeführt und etwa die Fähigkeit zur "überdurchschnittlichen Dokumentation" betont, es werde allerdings nicht darauf eingegangen, ob diese zusätzlichen Qualifikationen für die Besetzung eines Arbeitsplatzes im Exekutivdienst überhaupt erheblich seien. Wenn aber bei Wegdenken einer Vortätigkeit die dienstliche Inanspruchnahme in den ersten Monaten im Großen und Ganzen dieselbe gewesen wäre, könne es sich dabei nicht um einen erheblich höheren Arbeitserfolg handeln, weil sich die Vorkenntnisse nur vereinzelt als nützlich erwiesen hätten. Nicht umsonst würden Qualifikationen von erheblicher Bedeutung regelmäßig bereits in der Ausschreibung des Arbeitsplatzes angeführt.

28 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurück-, in eventu die Abweisung der Revision beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

29 Soweit in der Revisionsbeantwortung ausgeführt wird, die Revision erfülle nicht die gesetzmäßige Voraussetzung der Bezeichnung des verletzten Rechtes im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG, ist festzuhalten, dass es bei Amtsrevisionen nicht um die Geltendmachung subjektiver Rechte geht, weshalb das Formerfordernis der Angabe der Revisionspunkte nach § 28 Abs. l Z 4 VwGG nicht zum Tragen kommt. Die Grenzen des Rechtsstreites werden bei Amtsrevisionen durch die Anfechtungserklärung des Revisionswerbers gezogen. Dabei tritt an die Stelle der Angabe des Revisionspunktes das in § 28 Abs. 2 VwGG enthaltene Gebot der Erklärung über den Umfang der Anfechtung. Diesem Gebot ist bereits dann entsprochen, wenn die Revision die Angabe enthält, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit angefochten werde (vgl. VwGH 19.2.2018, Ro 2018/12/0001). Da die vorliegende Revision der LPD diese Angabe enthält, erweist sie sich insoweit als zur ordnungsgemäßen Behandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof geeignet.

30 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits im Sinne der vom Verwaltungsgericht getroffenen Beurteilung geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. z.B. VwGH 10.12.2018, Ra 2018/12/0003; 12.9.2016, Ro 2015/12/0021).

31 Die vorliegende Amtsrevision ist schon deshalb zulässig, weil die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung, wann ein "erheblich höherer Arbeitserfolg" vorliegt und wann eine "vorhandene Routine" kausal im Sinne des § 12 Abs. 3 Z 2 GehG ist, abweicht (vgl. VwGH 19. 2.2018, Ro 2018/12/0001).

32 Die Revision ist aus folgenden Gründen auch berechtigt:

33 § 12 GehG idF BGB1. I Nr. 64/2016 lautete auszugsweise wie folgt:

"Besoldungsdienstalter

§ 12. (l) Das Besoldungsdienstalter umfasst die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten.

(2) Als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter

anzurechnen sind die zurückgelegten Zeiten

l. in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft

oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des

Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der

Schweizerischen Eidgenossenschaft;

2. ...

3. ...

(3) Über die in Abs. 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten

der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines

einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt

höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine

Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist einschlägig,

insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die

l. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz

überwiegend unterbleiben kann oder

2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die

vorhandene Routine zu erwarten ist.

..."

34 Das Besoldungsdienstalter in § 12 GehG wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 geschaffen. Im Bericht des Verfassungsausschusses, 457 BlgNR 25. GP  2, heißt es in Bezug auf die Anrechnungsvoraussetzungen in § 12 Abs. 3 GehG:

"Die Berücksichtigung von Zeiträumen, die auf die besoldungswirksame Zeit weiterhin anrechenbar sind, beschränkt sich auf jene Vordienst-Zeiten (im Ausmaß von maximal zehn Jahren), die eine einschlägige Bedeutung im Hinblick auf die aufzunehmende Tätigkeit im Bundesdienst aufweisen."

35 Die Materialien zu § 12 Abs. 3 GehG, idF BGBl. I Nr. 65/2015, RV 585 BlgNR 25. GP , S 8f, lauten wie folgt:

"Mit dieser Änderung wird klargestellt, dass die Höchstgrenze von zehn Jahren für die Berufstätigkeit und das Verwaltungspraktikum gemeinsam gilt. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die Vordienstzeiten nur teilweise anzurechnen sind, wenn sie nur zum Teil einschlägig sind. Im Übrigen bleiben die Kriterien zur Beurteilung, ob eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum einschlägig ist, im Vergleich zur Stammfassung der Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 unverändert:

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte