Normen
AVG §56
AVG §66 Abs4
KJHG Stmk 2013 §41 Abs6
VE Sozialhilfe Kostenersatz Beitritt Stmk 1974
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §28
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100120.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit Bescheid vom 19. September 2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers vom 6. Juli 2017 auf Ersatz der Kosten, die diesem durch die Unterbringung der T.P. und ihrer minderjährigen Tochter E.P. im Familienhaus S. in Graz seit 14. Dezember 2016 entstanden seien, durch die mitbeteiligte Partei ab.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Juni 2018 wies das Verwaltungsgericht eine dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit der Maßgabe ab, dass der Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz gemäß Art. 7 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe (Ländervereinbarung) zurückgewiesen wurde; die Revision gegen diese Entscheidung ließ das Verwaltungsgericht nicht zu.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Land Steiermark habe die Ländervereinbarung zum Ende des Kalenderjahres 2017 gekündigt. Die Vereinbarung sei somit mit Ablauf des 31. Dezember 2017 für das Land Steiermark außer Kraft getreten.
4 Ebenso sei das Steiermärkische Kinder- und Jugendhilfegesetz - StKJHG durch die Novelle LGBl. Nr. 12/2018 derart geändert worden, dass in § 41 Abs. 6 der "Rückersatz gegenüber anderen Bundesländern entfallen" sei.
5 Bei der Frage nach der endgültigen Kostenübernahme - so das Verwaltungsgericht weiter - sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung maßgeblich, zumal es nicht um den Abspruch gehe, was zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem Zeitraum rechtens gewesen sei, sondern um die aktuelle Begründung einer Zahlungsverpflichtung der mitbeteiligten Partei oder des Revisionswerbers. Der ursprünglich zulässige Antrag gemäß Art. 7 Ländervereinbarung sei aufgrund der Änderung der Rechtslage unzulässig geworden, sodass dieser zurückzuweisen sei. 6 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.
7 Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
8 1. Für den vorliegenden Fall sind folgende Bestimmungen in den Blick zu nehmen:
9 § 41 Abs. 6 Steiermärkisches Kinder- und Jugendhilfegesetz (StKJHG) in der bis zum 31. Dezember 2017 in Kraft stehenden Fassung LGBl. Nr. 138/2013 normierte, dass hinsichtlich der Kostentragung der Sozialhilfeverbände und Städte mit eigenem Statut untereinander und der Rückersätze gegenüber anderen Bundesländern die Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes sowie die mit den anderen Bundesländern geschlossenen Vereinbarungen gelten.
10 Die zum 31. Dezember 2017 vom Land Steiermark gekündigte (vgl. dazu LGBl. Nr. 69/2017) Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe (Ländervereinbarung), LGBl. Nr. 22/1979, lautete:
"Artikel 1
Allgemeines
Die Träger der Sozialhilfe eines Vertragslandes - im folgenden als Träger bezeichnet - sind verpflichtet, den Trägern eines anderen Vertragslandes die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.
Artikel 2
Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören die Kosten, die einem Träger für einen Hilfesuchenden
a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder
b) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege und nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 54/1946 erwachsen.
Artikel 3
Zuständigkeit
(1) Soweit in den folgenden Absätzen nichts anders bestimmt ist, ist jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten hat und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat.
(...)
Artikel 5
Umfang der Kostenersatzpflicht
(1) Der zum Kostenersatz verpflichtete Träger hat, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, alle einem Träger im Sinne des Art. 2 erwachsenden Kosten zu ersetzen.
(...)
Artikel 7
Streitfälle, Verfahren
Über die Verpflichtung zum Kostenersatz hat im Streitfall die Landesregierung, in deren Bereich der zum Kostenersatz angesprochene Träger liegt, im Verwaltungsweg zu entscheiden.
(...)
Artikel 10
Kündigung
(1) Die Vereinbarung kann von jedem Vertragsland unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.
(...)"
11 2. In ihrer Zulässigkeitsdarstellung macht die Revision geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach zeitraumbezogene Ansprüche nach der im jeweiligen Zeitraum, für den die Leistungen gewährt würden, geltenden Rechtslage zu beurteilen seien (Hinweis auf VwGH 27.11.2012, 2011/10/0115).
12 Die Revision ist in Hinblick darauf zulässig und auch begründet.
13 2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof - ausgehend vom Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 4. Mai 1977, 898/75, VwSlg. 9315 A - in ständiger Rechtsprechung vertritt, hat die Rechtsmittelbehörde bzw. das Verwaltungsgericht im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids bzw. Erkenntnisses geltende Recht anzuwenden (vgl. etwa VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0066, VwSlg. 19.083 A, mwN). Eine andere Betrachtungsweise ist dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist, oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen ist. Für die Beurteilung der Frage, welche Rechtslage heranzuziehen ist, ist auf die Auslegung der im jeweiligen Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschriften abzustellen (vgl. etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2015/08/0098, mwN).
14 Für den Fall eines Kostentragungsstreits zwischen zwei Sozialhilfeträgern hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Verpflichtung zur Tragung der Kosten für Sozialhilfeleistungen nach den Rechtsvorschriften zu beurteilen ist, die in jenem Zeitraum in Geltung standen, für den die Leistungen gewährt wurden (vgl. VwGH 27.11.2012, 2011/10/0115). 15 2.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Frage der Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zur Tragung der Kosten für die Unterbringung der T.P. und ihrer minderjährigen Tochter E.P. im Familienhaus S. in Graz anhand der Rechtslage zu prüfen ist, die in jenem Zeitraum gegolten hat, für den diese Leistungen gewährt wurden. Da es sich dabei um Leistungen für einen Zeitraum ab dem 14. Dezember 2016, somit für einen Zeitraum, in dem die Ländervereinbarung noch in Kraft war, handelt, hätte das Verwaltungsgericht die (allfällige) Pflicht zur Kostentragung anhand der damals noch geltenden Bestimmungen der Ländervereinbarung zu beurteilen gehabt. Eine Zurückweisung des Antrags "aufgrund der Änderung der Rechtslage", wie sie das Verwaltungsgericht vorgenommen hat, kam somit nicht in Betracht. 16 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt und die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Rechtslage angewendet hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
17 3. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, weshalb auf das weitere Revisionsvorbringen nicht eingegangen werden muss.
18 Mit dem in den Revisionsbeantwortungen (sowie auch schon im Bescheid der belangten Behörde und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von der mitbeteiligten Partei) aufgeworfenen Argument, dass eine über ein Jahr andauernde Unterbringung in einem Mutter-Kind-Heim nach den Vorschriften des Landes Steiermark nicht möglich sei, weshalb keine Kostenersatzpflicht der mitbeteiligten Partei bestehe (vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. c Ländervereinbarung iVm Anlage 1 I.C. StKJHG-Durchführungsverordnung), wird sich das Verwaltungsgericht im fortzusetzenden Verfahren zu befassen haben. 19 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. Juni 2019
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