VwGH Ra 2018/09/0109

VwGHRa 2018/09/010921.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 15. Mai 2018, LVwG 20.32-270/2018-16, LVwG 40.32-315/2018-16, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark; mitbeteiligte Partei:

I Kft. in S, vertreten durch Dr. Günter Schmid und Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs1 Z2;
B-VG Art132 Abs2;
GewO 1994 §360;
GSpG 1989 §56 Abs3;
GSpG 1989 §56a Abs1;
GSpG 1989 §56a;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090109.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Im Lokal S fand am 15. Jänner 2018 eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) statt. Die mitbeteiligte Partei war zu diesem Zeitpunkt Inhaberin des Betriebes. Anlässlich dieser Kontrolle wurde vor Ort die Betriebsschließung über jene Räumlichkeiten, in denen sich Glücksspielgeräte befanden, verfügt. Im Innenbereich der Sicherheitstüre wurde eine schriftliche Bescheinigung über die Betriebsschließung angebracht. Die Zutrittstüre zu den Räumlichkeiten wurde versperrt und mit Siegeln versehen.

2 Mit Maßnahmenbeschwerde vom 25. Jänner 2018 beantragte die mitbeteiligte Partei das Anbringen von Amtssiegeln an der Eingangstür ab 15. Jänner 2018 für rechtswidrig zu erklären.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) der Maßnahmenbeschwerde Folge und sprach aus, dass die der belangten Behörde zurechenbare, am 15. Jänner 2018 stattgefundene Maßnahme rechtswidrig gewesen sei (Spruchpunkt I.). Der Bund habe der mitbeteiligten Partei den Ersatz des Schriftsatzaufwandes in Höhe von 737,60 Euro zu leisten (Spruchpunkt II.) und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig (Spruchpunkt III.). Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, dass § 56a GspG keine Ermächtigung zur Anbringung von Amtssiegeln anlässlich einer Betriebsschließung vorsehe.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen. Das LVwG legte die Verwaltungsakten vor. Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Soweit in der Amtsrevision ein Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vorgebracht wird, nach welcher im Rahmen der faktischen Betriebsschließung nach § 56a GSpG jedenfalls auch amtliche Siegel angebracht werden können, erweist sich die Revision als zulässig und begründet:

8 Bei der Betriebsschließung gemäß § 56a GSpG handelt es sich um eine einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahme nach dem Vorbild des § 360 GewO, die auch das Anbringen von Amtssiegeln oder Plomben umfasst (vgl. VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924).

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine von der Behörde gemäß § 56a Abs. 1 GSpG verfügte Betriebsschließung - solange kein Bescheid gemäß § 56 Abs. 3 GSpG erlassen worden ist - als Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen und mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar (vgl. etwa VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937, mwN). Wurde jedoch ein Betriebsschließungsbescheid erlassen, können die - bereits vorgenommenen - mit der Betriebsschließung zusammenhängenden faktischen Verfügungen nicht mehr mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden (siehe etwa zur Anbringung eines Amtssiegels VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu weiters festgehalten, dass der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Zweck dient, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Es sollten mit dieser Beschwerde aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein, wobei die Zulässigkeit dieser Beschwerde insbesondere auch nicht von der (allenfalls längeren) Dauer des sonst zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verwaltungsverfahrens abhängt (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/09/0068, mwN).

11 Im Rahmen der faktischen Betriebsschließung können nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls auch amtliche Siegel - im Wege des Verschlusses der Betriebsstätte - angebracht werden, handelt es sich dabei doch um äußere Zeichen der amtlichen Verfügung über eine Sache, wodurch mittelbar auch der Bestand dieser Verfügung gewährleistet werden soll (vgl. erneut VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924).

12 Im vorliegenden Fall lag anlässlich der Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz am 15. Jänner 2018 eine faktische behördliche Schließung eines Betriebes vor, die unter anderem im Wege des Verschlusses der Betriebsstätte durch das Anbringen von Amtssiegeln erfolgte. Das LVwG kam zum Schluss, dass § 56a GSpG keine Ermächtigung zur Anbringung von Amtssiegeln anlässlich einer Betriebsschließung vorsehe und beurteilte die durchgeführte Maßnahme daher allein deshalb als rechtswidrig.

13 Diese Annahme erweist sich allerdings vor dem Hintergrund der soeben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht zutreffend.

14 Indem das LVwG zu Unrecht davon ausging, dass § 56a GSpG keine Grundlage für eine Versiegelung im Rahmen der Betriebsschließung biete, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

15 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 21. Februar 2019

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