Normen
B-VG Art130 Abs1 Z2;
B-VG Art132 Abs2;
GewO 1994 §360;
GSpG 1989 §56a Abs1;
GSpG 1989 §56a Abs2;
GSpG 1989 §56a Abs3;
GSpG 1989 §56a;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090090.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Im Lokal der revisionswerbenden Partei hatten bereits zahlreiche Kontrollen nach dem Glücksspielgesetz stattgefunden. Im Rahmen einer Kontrolle am 21. September 2017 wurden Glücksspielgeräte beschlagnahmt, vor Ort die Betriebsschließung dieses Lokals mündlich verkündet und das Lokal versiegelt.
2 Am 25. September 2017 gab die Rechtsanwältin der revisionswerbenden Partei ihre Vollmacht bekannt. Ein schriftlicher Betriebsschließungsbescheid vom 25. September 2017 wurde an die revisionswerbende Partei adressiert und von dieser am 2. Oktober 2017 übernommen. Gegenüber der Rechtsanwältin wurde kein Betriebsschließungsbescheid erlassen.
3 Am 18. Oktober 2017 erließ die belangte Behörde einen Bescheid, in dem sie den Betriebsschließungsbescheid vom 25. September 2017 aufhob, weil die revisionswerbende Partei vor der Betriebsschließung nicht zur Einstellung von Glücksspielen aufgefordert worden sei.
4 Mit Maßnahmenbeschwerde vom 29. November 2017 beantragte die revisionswerbende Partei die Versiegelung dieses Lokals für rechtswidrig zu erklären. Am 21. September 2017 sei das Lokal versiegelt worden. Da der Betriebsschließungsbescheid wieder aufgehoben wurde, liege kein bekämpfbarer Bescheid vor.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark diese Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurück und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei. Begründend führte es aus, dass gemäß § 56a Abs. 3 GSpG ein Bescheid als erlassen gelte, wenn er an den richtigen Adressaten gerichtet sei. Im konkreten Fall sei der schriftliche Bescheid trotz Vollmachtsbekanntgabe an die revisionswerbende Partei, nicht aber an die Rechtsvertreterin zugestellt worden. Aus diesem Grund sei innerhalb der Monatsfrist des § 56a GSpG kein schriftlicher Bescheid erlassen worden und die Verfügung der Betriebsschließung sei als aufgehoben zu qualifizieren. Sie entfalte daher gegenüber der revisionswerbenden Partei keine Rechtswirkungen. Die Beschwerde sei a limine zurückzuweisen, weil dem Gericht keine Entscheidungskompetenz im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG zukomme.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
7 Das Landesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
8 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die revisionswerbende Partei bringt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ab bzw. sei die dazu ergangene Rechtsprechung uneinheitlich, wonach die Versiegelung von Räumlichkeiten gemäß § 56a GSpG so lange eine Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt darstelle und damit bekämpfbar sei, als kein Betriebsschließungsbescheid erlassen worden sei.
11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
12 § 56a GSpG samt Überschrift lautet in der geltenden
Fassung BGBl. I Nr. 118/2016:
"Betriebsschließung
§ 56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs. 1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs. 1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.
(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
(4) In einem Bescheid nach Abs. 3 können auch andere nach Abs. 1 zulässige Maßnahmen angeordnet werden.
(5) Ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs. 1 kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
(6) Die Bescheide gemäß Abs. 3 treten, wenn sie nicht kürzer befristet sind, mit Ablauf eines Jahres außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.
(7) Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs. 3 nicht mehr vor und ist zu erwarten, dass in Hinkunft jene glücksspielrechtlichen Vorschriften, deren Nichteinhaltung für die Maßnahmen nach Abs. 3 bestimmend war, von der Person eingehalten werden, die die betriebliche Tätigkeit ausüben oder die Betriebsanlage betreiben will, so hat die Behörde auf Antrag dieser Person die mit Bescheid gemäß Abs. 3 getroffenen Maßnahmen ehestens zu widerrufen."
13 Zunächst ist festzuhalten, dass die Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG an das Verwaltungsgericht voraussetzt, dass ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Zweck dient, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Es sollten mit dieser Beschwerde aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein, wobei die Zulässigkeit dieser Beschwerde insbesondere auch nicht von der (allenfalls längeren) Dauer des sonst zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verwaltungsverfahrens abhängt (vgl. VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937, mwN).
15 Bei der Betriebsschließung handelt es sich um eine einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahme nach dem Vorbild des § 360 GewO, die auch das Anbringen von Amtssiegeln oder Plomben umfasst (vgl. VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924).
16 Im vorliegenden Fall lag eine faktische behördliche Schließung eines Betriebes vor, die unter anderem im Wege des Verschlusses der Betriebsstätte durch das Anbringen von Amtssiegeln erfolgte. Bei dieser Versiegelung des Lokals handelt es sich um die angefochtene Maßnahme.
17 Nach § 56a Abs. 3 GSpG ist über eine faktische Betriebsschließung (oder eine andere Maßnahme nach § 56a Abs. 1 GSpG) binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Solange jedoch kein Bescheid gemäß § 56a Abs. 3 GSpG erlassen worden ist, ist eine von der Behörde gemäß § 56a Abs. 1 GSpG verfügte Betriebsschließung als Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen und mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar (vgl. VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937).
18 Wurde jedoch ein Betriebsschließungsbescheid erlassen, können die - bereits vorgenommenen - mit der Betriebsschließung zusammenhängenden faktischen Verfügungen nicht mehr mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden (siehe etwa zur Anbringung eines Amtssiegels VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924). Das Gleiche gilt für den Fall, dass die mündlich verfügte Betriebsschließung gemäß § 56a Abs. 2 GSpG aufgehoben wurde. Einer solchen Aufhebung kommt die Aufhebungsfiktion des § 56a Abs. 3 GSpG gleich (siehe VwGH 28.6.2016, Ra 2015/17/0114).
19 Fallbezogen waren im Zeitpunkt der Einbringung der hier gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde die am 21. September 2017 vorgenommenen Verfügungen aufgehoben, entweder durch die Aufhebung des Betriebsschließungsbescheides oder mangels Erlassung eines Betriebsschließungsbescheides. Da beide Konstellationen - wie bereits dargelegt - zur Aufhebung der Verfügungen führen, kann es somit dahinstehen, ob der Betriebsschließungsbescheid im vorliegenden Fall ordnungsgemäß zugestellt wurde oder nicht.
20 Im vorliegenden Fall ist mit dem unbestritten der Revisionswerberin zugegangenen Bescheid vom 18. Oktober 2017 die Betriebsschließung ab dem 21. September 2017 als rechtswidrig erkannt worden.
21 Vor diesem Hintergrund ist allerdings nicht zu ersehen, welches Rechtsschutzbedürfnis die Revisionswerberin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versiegelung ihres Lokals gehabt hätte, die im Zeitpunkt der Erhebung der Maßnahmenbeschwerde jedenfalls aufgehoben war. Letztlich zeigt auch die in der Revision aufgeworfene Frage nach der "Rechtssicherheit der Betroffenen zur eigenmächtigen Entfernung der Amtssiegel" keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, zumal dies nicht Gegenstand eines Maßnahmenbeschwerdeverfahrens ist.
22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
23 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 20. März 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)