VwGH Ra 2018/08/0250

VwGHRa 2018/08/025029.3.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft St. Pölte n gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 4. Dezember 2018, Zl. LVwG-S-2257/001-2017, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: S A in K), zu Recht erkannt:

Normen

VStG §44a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018080250.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft (im Folgenden: BH) vom 7. September 2017 wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe als Dienstgeber den Baraa A. und den Mohamad A. vom 16. Juli 2017 von 10.20 Uhr (Arbeitsantritt) bis 10:49 Uhr (Zeitpunkt der Kontrolle) auf einer Baustelle in H. mit dem Ausräumen des Lagers beschäftigt, ohne diese Dienstnehmer gemäß § 33 Abs. 1, Abs. 1a und 2 ASVG als in der Unfallversicherung (teilversicherte) pflichtversicherte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Eine elektronische Anmeldung sei erst im Zuge der Kontrolle durchgeführt worden. Hiebei dürfte jedoch ein technisches Problem aufgetreten sein, sodass im "ELDA-Protokoll" nur eine Person ersichtlich sei.

2 Der Mitbeteiligte habe dadurch § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 5 Abs. 1 Z 2, § 7 Z 3 lit. a, § 33 Abs. 1, § 33 Abs. 1a und § 33 Abs. 2 ASVG verletzt. Über ihn würden wegen der jeweiligen Verwaltungsübertretung gemäß § 111 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 1 ASVG zwei Strafen zu je EUR 730,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 112 Stunden) verhängt und ein Kostenbeitrag von EUR 146,-- vorgeschrieben.

3 Die BH führte begründend aus, am 16. Juli 2017 sei um 10:49 Uhr auf der Baustelle eine Kontrolle durch Organe des Finanzamts durchgeführt worden. Der Mitbeteiligte habe angegeben, dass die genannten Personen seit 16. Juli 2017, 10:20 Uhr, für seinen Betrieb tätig gewesen seien. Die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen könnten als erwiesen angenommen werden, da er einer Aufforderung zur Rechtfertigung unentschuldigt keine Folge geleistet habe.

4 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Beschwerde. Er brachte vor, der am 16. Juli 2017 aufgenommenen Niederschrift zu Folge habe die Kontrolle durch die Finanzpolizei um 09.28 Uhr stattgefunden. Der im Straferkenntnis festgehaltene Tatzeitpunkt sei aus dem einzigen übermittelten Beweismittel nicht ableitbar. Der Aktenvermerk des Kontrollorgans über die am 16. Juli 2017 durchgeführte Kontrolle (wonach der Beginn der Kontrolle um 10.49 Uhr und der Arbeitsbeginn um 10.20 Uhr stattgefunden habe) könne "nur falsch sein", zumal (das Kontrollorgan) in der Niederschrift festgehalten habe, dass der Zeitpunkt der Kontrolle um 09:28 Uhr stattgefunden habe. Was um 10:20 Uhr kontrolliert worden sei, könne nicht nachvollzogen werden, es könne jedenfalls nicht das Lokal M. gewesen sein, zumal auch als Beginn der Amtshandlung (der Aufnahme der Niederschrift) 11:25 Uhr vermerkt worden sei.

5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge gegeben, den angefochtenen Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Der Anzeige des Finanzamts und der Niederschrift vom 16. Juli 2017 sei zu entnehmen, dass die genannten Personen anlässlich einer Kontrolle am 16. Juli 2017 um 09:28 Uhr beim Ausräumen des Lagers arbeitend angetroffen worden seien. Die im erstinstanzlichen Straferkenntnis genannte Tatzeit, insbesondere der Zeitpunkt des Arbeitsantritts (10:20 Uhr), fänden in der dienstlichen Wahrnehmung der Finanzpolizei keine Grundlage. § 44a VStG verlange die Angabe der als erwiesen angenommenen Tatzeit. Mangels Tatzeitkonkretisierung sei der angefochtene Bescheid aufzuheben.

6 Die ordentliche Revision sei im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision. Die Mitbeteiligte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, im Straferkenntnis seien Tatzeit und Tatort klar umschrieben, sodass dem Mitbeteiligten eine Rechtfertigung möglich gewesen und eine Doppelbestrafung wegen desselben Deliktes ausgeschlossen sei. Die Angabe der Tatzeit mit 16. Juli 2017, 10:20 Uhr (Arbeitsantritt) bis 10:49 Uhr (Zeitpunkt der Kontrolle) entspreche dem Konkretisierungserfordernis im Sinn des § 44a VStG.

9 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

10 § 44a VStG wird entsprochen, wenn der Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorwirft, dass er in die Lage versetzt wird, den Tatvorwurf zu bestreiten, und er davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 19.2.1993, 92/09/0307, mwN).

11 Im erstinstanzlichen Straferkenntnis sind Tatzeit und Tatort im Sinn des § 44a VStG ausreichend konkretisiert. Das Verwaltungsgericht hätte sich daher mit dem Beschwerdevorbringen auseinandersetzen müssen, worin bestritten wird, dass die genannten Arbeitnehmer um 10:20 Uhr die Arbeit angetreten und (zumindest) bis 10:49 Uhr fortgesetzt haben.

12 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 29. März 2019

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