VwGH Ra 2018/05/0266

VwGHRa 2018/05/026628.5.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des C A in B, vertreten durch die Ehrenhöfer & Häusler Rechtsanwälte GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 17, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. September 2018, Zl. VGW- 001/004/4234/2018-1, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §6 Abs1
AWG 2002 §15 Abs1
AWG 2002 §79 Abs1
AWG 2002 §79 Abs1 Z1
MRKZP 07te Art4
StGB §180 Abs1 Z1
StGB §84 Abs1
StPO 1975 §198
VStG §30 Abs2
VStG §30 Abs3
VStG §45 Abs1 Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §38
62001CJ0187 Gözütok VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018050266.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es sich auf den Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien vom 13. März 2018 bezieht, in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes und in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom 13. März 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) zur Vertretung nach außen berufenes Organ der A. GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft

1) ... als gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft

tätige Person von 29.09.2017 bis 02.10.2017 in 1130 Wien, ..., Asbestzementplatten (Fassaden- und Dachplatten), welche als gefährlicher Abfall im Sinne der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003 idgF iVm ÖNORM S 2100 (‚Abfallverzeichnis'), nämlich ‚Asbestzement', Schlüsselnummer 31412, einzustufen sind, als Abfallbesitzerin gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 (bzw. Abfallsammlerin gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002) nicht so gelagert und gesammelt hat, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden, als einerseits durch die nicht befeuchtete, nicht staubdichte, auf dem Boden verstreute, vor Beschädigungen nicht geschützte vorläufige Lagerung dieser Abfälle (gebrochene Asbestzementplatten unterschiedlichster Größe) rund um das Haus in 1130 Wien, ..., krebserregende Fasern freigesetzt wurden und andererseits als Mitarbeiter asbestzementhaltige Dach- und Fassadenplatten über die Dachrinne vom Dach auf dem Boden rutschen ließen und anschließend mittels Zweischalengreifer vom Boden aufgriffen und in einen offenen LKW abluden, krebserzeugende Asbestfasern freigesetzt wurden (durch die verbundene Zerstörung der asbesthaltigen Fassadenplattenabfälle) und damit Gefährdungen der Gesundheit von Menschen und Verunreinigungen der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß nicht vermieden wurden.

2) ... als Abfallbesitzerin gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 (bzw. Abfallsammlerin gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002) und als gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätige Person entgegen § 15 Abs 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, wonach Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden dürfen, nachstehender gefährlicher Abfall im Sinne der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003 idgF iVm ÖNORM S 2100 (‚Abfallverzeichnis'), nämlich ‚Asbestzement', Schlüsselnummer 31412, am 02.10.2017 in 1130 Wien, ..., gelagert hat:

Trockene asbesthaltige Fassaden- und Dachplatten und Bruchstücke davon, da die Bruchstücke der zerbrochenen Asbestzementplatten nicht befeuchtet, staubdicht und vor Bruch gesichert gelagert wurden, sondern trocken rund um das Einfamilienhaus am Grundstück in 1130 Wien, ..., ungeschützt vor weiterer Zerstörung auf der Terrasse auf einem Schütthaufen und damit außerhalb von für die Sammlung vorgesehenen geeigneten Orten oder genehmigten Anlagen gelagert wurden. Die Bodenfläche rund um das Haus ist mangels Erfüllung des Anlagenbegriffs des AWG 2002 anlagenrechtlich nicht genehmigt. Sie ist auch für die Lagerung der genannten Abfälle kein geeigneter Ort, da durch Betreten der am Boden liegenden Abfälle durch Personen im Zuge der Abbrucharbeiten die Möglichkeit einer weiteren Zerstörung besteht und damit eine Freisetzung von krebserzeugenden Asbestfasern möglich ist.

...

3) ... als Bauunternehmen des Abbruchvorhabens auf der

Liegenschaft in 1130 Wien, ..., und als Abfallbesitzer/Abfallsammle r sowie als gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätige Person am 02.10.2017, entgegen § 6 Abs. 1 Recycling-Baustoffverordnung, BGBl. I Nr. 181/2012 in der geltenden Fassung (RBV), wonach bei Bau- oder Abbrucharbeiten gefährliche Abfälle von nicht gefährlichen Abfällen vor Ort zu trennen sind, gefährliche Abfälle (asbestzementhaltige Dach- und Fassadenplatten - Schlüsselnummer 31412) nicht von nicht gefährlichen Abfallarten getrennt wurden, sondern in Bruchstücken zusammen mit dem Sperrmüll (Schlüsselnummer 91401) auf einem LKW vermischt gelagert wurden, sodass eine nachträgliche vollständige Trennung der gefährlichen Abfälle von den nicht gefährlichen Sperrmüllabfällen nicht mehr möglich war. Gemäß § 6 Abs. 5 RBV sind der Bauherr und der Bauunternehmer für die Trennung der Abfälle verantwortlich.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1) § 15 Abs 1 iVm § 79 Abs 1 Z 1 Bundesgesetz über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002) StF BGBl. I Nr 102/2002 idgF iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr 570/2003, idgF iVm der ÖNORM S 2100 ‚Abfallverzeichnis'

2) § 15 Abs 3 iVm § 79 Abs 1 Z 1 AWG 2002 iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr 570/2003, idgF iVm der ÖNORM S 2100 ‚Abfallverzeichnis'

3) § 6 Abs. 1 und 5 Recycling-Baustoffverordnung, BGBl. II Nr 181/2012 in der geltenden Fassung (RBV) iVm § 79 Abs. 2 Z 1 leg. cit. iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr 570/2003, idgF iVm der ÖNORM S 2100 ‚Abfallverzeichnis'

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

ad 1) Geldstrafe von EUR 8.895,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche, 4 Tagen und 4 Stunden gemäß § 79 Abs. 1 zweiter Strafsatz AWG 2002

ad 2.) Geldstrafe von EUR 8.895,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche, 4 Tagen und 4 Stunden

gemäß § 79 Abs. 1 zweiter Strafsatz AWG 2002

ad 3.) Geldstrafe von EUR 4.530,00, falls diese

uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche, 4 Tagen und

4 Stunden

gemäß § 79 Abs. 2 Z 1 zweiter Strafsatz AWG 2002

..."

2 Der Revisionswerber bekämpfte dieses Straferkenntnis nur hinsichtlich der Höhe der verhängten Geldstrafen und festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht). 3 Mit dem im Beschwerdeverfahren erstatteten Schriftsatz vom 10. August 2018 stellte der Revisionswerber an das Verwaltungsgericht den Antrag, das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich der Spruchpunkte 1) und 2) gemäß § 30 Abs. 3 VStG, in eventu gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG, einzustellen. Dazu brachte er (u.a.) vor, dass ihm von der Staatsanwaltschaft Wien mit Strafantrag vom 3. Juli 2018 das Vergehen der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs. 1 Z 1 Strafgesetzbuch - StGB zur Last gelegt worden sei, in der Hauptverhandlung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 2. August 2018 mit ihm die Durchführung einer Diversion gemäß § 200 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von EUR 5.000,00 erörtert worden sei und er diese Geldbuße am 7. August 2018 zur Anweisung gebracht habe. Da im gerichtlichen Strafverfahren dasselbe Faktensubstrat wie im Verwaltungsstrafverfahren geprüft worden sei, liege hinsichtlich der Punkte 1) und 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses das Verfolgungshindernis des Verbotes der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK vor, und eine Diversion entfalte eine Sperrwirkung für das Verwaltungsstrafverfahren. Mit diesem Schriftsatz legte der Revisionswerber eine Kopie des genannten Strafantrages, des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 2. August 2018 und einen Beleg über die Buchung des Betrages von EUR 5.000,00 vom 7. August 2018 auf ein Konto des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vor.

4 In diesem Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien heißt es:

"...

(Der Revisionswerber) hat vom 29.9.2017 bis 2.10.2017 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten ... als Mittäter (§ 12 StGB) entgegen einer Rechtsvorschrift, nämlich entgegen § 15 AWG 2002, der Grenzwerteverordnung 2011 (GKV 2011) und der Technischen Regeln für Gefahrenstoffe TRGS 519 Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten', die Luft so verunreinigt, dass dadurch eine Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) eines anderen oder sonst für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer größeren Zahl von Menschen entstehen

konnte, indem er seine Mitarbeiter ... beauftragte, die Fassade

und das Dach des Hauses in 1130 Wien, ..., abzureißen, obwohl er Kenntnis über den Umstand hatte, dass die Fassade aus krebserregenden Asbest-Eternitplatten besteht, seinen oben genannten Mitarbeiter nicht die entsprechende Schutzausrüstung zur Verfügung stellte, diese nicht zur fachgemäßen Demontage und Lagerung der Asbest-Eternitplatten anleitete, sodass es dazu kam, dass er und die oben genannten Mitarbeiter die Asbest-Eternitplatten ohne Schutzausrüstung von den Holzlatten rissen und auf das darunter liegende Grundstück warfen, wo diese an einem ungeeigneten Ort, nämlich ungeschützt vor weiterer Zerstörung am Boden verstreut zwischen Bauschutt, Werkzeugen und Arbeitsgerät

entsprechend der Lichtbildbeilage ... lagerten, durch

herabfallende asbesthaltige Fassadenplatten, durch Zertreten und Manipulation auf der Baustelle und in weiterer Folge durch Verladung mittels Handschaufeln in den Zweischalengreifer, der die Bruchstücke der asbesthaltige Fassadenplatten auf eine offenen Ladefläche eines LKW verlud, weiter zerbrachen und krebserregenden Asbestfasern in einer den Grenzwert weit überschreitenden Höhe freigesetzt wurden.

(Der Revisionswerber) hat hiedurch das Vergehen der Vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs 1 Z 1 StGB begangen und wird hiefür nach § 180 Abs 1 StGB zu bestrafen sein.

..."

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag vom 10. August 2018 "auf Einstellung der Spruchpunkte 1) und 2) des angefochtenen Straferkenntnisses" gemäß § 30 Abs. 3 VStG, in eventu gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG, zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses wurde gemäß § 50 VwGVG der nur gegen die Strafhöhen gerichteten Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die zu den Punkten 1) und 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verhängten Geldstrafen von jeweils EUR 8.895,00 auf jeweils EUR 6.000,00 und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 1 Woche, 4 Tagen und 4 Stunden auf jeweils 1 Tag, 1 Stunde herabgesetzt wurden, sowie die zu Punkt 3) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe in Höhe von EUR 4.530,00 auf EUR 3.000,00 und die diesbezüglich für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche, 4 Tagen und 4 Stunden auf 5 Tage herabgesetzt, wobei im Übrigen das angefochtene Straferkenntnis bestätigt und dementsprechend der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens neu festgesetzt wurde. Unter Spruchpunkt III. des Erkenntnisses wurde ausgesprochen, dass der Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe, und unter Spruchpunkt IV., dass die A. GmbH für die über den Revisionswerber verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte. Unter Spruchpunkt V. des Erkenntnisses wurde eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt. 6 Dazu führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis, weil sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Strafhöhen richte, hinsichtlich der angelasteten Verwaltungsübertretungen dem Grunde und der Schuld nach in Rechtskraft erwachsen sei. Daraus folge, dass der Antrag vom 10. August 2018 auf Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Spruchpunkte 1) und 2) (des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) zurückzuweisen sei, weil ein hinsichtlich der angelasteten Verwaltungsübertretungen dem Grunde und der Schuld nach in Rechtskraft erwachsenes Straferkenntnis nicht mehr aufgehoben "und in weiterer Folge eingestellt" werden könne. Die diesbezüglich eingetretene Teilrechtskraft stehe sohin einem Vorgehen nach § 30 Abs. 3 VStG ebenso wie nach § 45 Abs. 1 Z 3 VStG entgegen. Es sei daher - von den im Straferkenntnis enthaltenen Feststellungen und vom Vorbringen des Revisionswerbers ausgehend - lediglich eine Prüfung und Beurteilung der Strafbemessung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vorzunehmen.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit der Erklärung, dieses hinsichtlich der Punkte I. und II., soweit sich diese auf Spruchpunkt 1) des Straferkenntnisses vom 13. März 2018 beziehen, zu bekämpfen.

8 Der Magistrat teilte mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 mit, auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung zu verzichten.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Die Revision ist in Anbetracht der in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) aufgeworfenen Frage des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu.

10 Die Revision bringt (u.a.) vor, dass die Einstellung des von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens eine Sperrwirkung für das Verwaltungsstrafverfahren entfalte, die Tathandlung der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs. 1 Z 1 StGB die Fakten des § 15 Abs. 1 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 iVm der Abfallverzeichnisverordnung iVm der ÖNORM S 2100 "Abfallverzeichnis" in ihrer Gesamtheit umfasse und das Verwaltungsgericht gemäß § 38 VwGVG die Bestimmungen des VStG (mit näher genannten Ausnahmen) sinngemäß anzuwenden habe, in welchem Zusammenhang sie auf § 30 Abs. 2 und 3 VStG hinweist. Im Hinblick auf die Anordnung des § 79 Abs. 1 AWG 2002 und insbesondere den vom Revisionswerber mit Schriftsatz vom 10. August 2018 gegebenen Hinweis auf das Ergebnis des durchgeführten schriftlichen Strafverfahrens hätte das Verwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich der Spruchpunkte 1) und 2) des erstinstanzlichen Strafverfahrens einzustellen gehabt. 11 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 24.2.2016, Ra 2016/05/0004, mwN).

12 Gemäß § 1 Abs. 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

13 In den dem Revisionswerber angelasteten Tatzeitraum stand das AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2017 in Geltung.

14 Die §§ 1, 15 und 79 AWG 2002 lauten auszugsweise:

"Ziele und Grundsätze

§ 1. ...

...

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

  1. 5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
  2. 6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden

    können,

    7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

    8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

    9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

    ..."

    "Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

..."

"Strafhöhe

§ 79. (1) Wer

1. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

...

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 EUR bis 41 200 EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 EUR bedroht.

..."

15 Die §§ 22 und 30 VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013

lauten auszugsweise:

"Zusammentreffen von strafbaren Handlungen

§ 22. (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

..."

"Zusammentreffen verschiedener strafbarer Handlungen

§ 30. (1) Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.

(2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

(3) Hat die Behörde vor dieser Entscheidung ein Straferkenntnis erlassen, so darf es vorläufig nicht vollzogen werden. Ergibt sich später, daß das Verwaltungsstrafverfahren nicht hätte durchgeführt werden sollen, so hat die Behörde das Straferkenntnis außer Kraft zu setzen und das Verfahren einzustellen.

..."

16 § 180 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 2006, BGBl. I Nr. 56, lautet:

"Vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt

§ 180. (1) Wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag ein Gewässer, den Boden oder die Luft so verunreinigt oder sonst beeinträchtigt, dass dadurch

1. eine Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) eines anderen oder sonst für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer größeren Zahl von Menschen,

2. eine Gefahr für den Tier- oder Pflanzenbestand in erheblichem Ausmaß,

3. eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder der Luft oder

4. ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, an einem unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand oder an einem Naturdenkmal, der 50 000 Euro übersteigt,

entstehen kann, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(2) Wird durch die Tat der Tier- oder Pflanzenbestand erheblich geschädigt, eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder der Luft bewirkt oder ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, an einem unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand oder an einem Naturdenkmal, der 50 000 Euro übersteigt, herbeigeführt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Hat die Tat eine der im § 169 Abs. 3 genannten Folgen, so sind die dort angedrohten Strafen zu verhängen."

17 Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (ZPEMRK), BGBl. Nr. 628/1988, in der Fassung BGBl. III Nr. 30/1998 lautet auszugsweise:

"Artikel 4 - Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden

1. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er

bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

2. Abs. 1 schließt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.

3. Dieser Artikel darf nicht nach Art. 15 der Konvention außer Kraft gesetzt werden."

18 Die §§ 17 und 38 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, haben folgenden Wortlaut:

"Anzuwendendes Recht

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."

"Anzuwendendes Recht

§ 38. Soweit In diesem Bundesgesetz nicht anders bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."

19 § 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

..."

20 Eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- und Mehrfachbestrafung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK liegt dann vor, wenn eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war und dabei der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt des Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt in dieser Konstellation, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Bestrafungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2017/05/0294, mwN; ferner dazu VfGH 14.3.2018, E 507/2017, mwN, und VwGH 27.4.2016, 2013/05/0099, mwN).

21 Tritt im Fall einer Diversion (§§ 198 ff StPO) die Staatsanwaltschaft nach Erfüllung der dem Beschuldigten auferlegten Bedingungen endgültig von der Verfolgung der Straftat zurück oder stellt das Strafgericht unter den gleichen Voraussetzungen das Strafverfahren ein, so ist das so zu behandeln, als hätte das strafgerichtliche Verfahren mit Verurteilung geendet, sodass das - in Bezug auf "dieselbe Sache" geführte - Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ist (vgl. dazu etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 Rz 1130 mwH auf das Urteil EuGH 11.2.2003, Gözütok, C-187/01 , und Brügge, C-385/01 ; ferner etwa VwGH 29.5.2015, 2012/02/0238, mwN, und OGH 17.9.2013, 11 Os 73/13i).

22 Das Tatgeschehen der dem Revisionswerber unter dem (in Teilrechtskraft erwachsenen) Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 13. März 2018 angelasteten Verwaltungsübertretung (§ 15 Abs. 1 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 iVm der Abfallverzeichnisverordnung iVm der ÖNORM S 2100) bestand im Wesentlichen darin, dass er es zu verantworten hatte, dass im Zeitraum vom 29. September 2017 bis 2. Oktober 2017 durch die nicht befeuchtete, nicht staubdichte, auf dem Boden verstreute, vor Beschädigungen nicht geschützte vorläufige Lagerung von gebrochenen Asbestzementplatten unterschiedlichster Größe rund um das Haus in 1130 Wien, ..., krebserregende Fasern freigesetzt wurden und dadurch, dass Mitarbeiter asbestzementhaltige Dach- und Fassadenplatten über die Dachrinne vom Dach auf den Boden rutschen ließen und anschließend mittels Zweischalengreifer vom Boden aufgriffen und in einen offenen LKW abluden, krebserzeugende Asbestfasern freigesetzt wurden und damit Gefährdungen der Gesundheit von Menschen und Verunreinigungen der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß nicht vermieden wurden.

23 Der oben genannten Diversion lag nach den mit dem Schriftsatz des Revisionswerbers vom 10. August 2008 vorgelegten Urkunden im Wesentlichen dasselbe Tatgeschehen zugrunde, nämlich - wie dem Revisionswerber im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 3. Juli 2018 zur Last gelegt wurde -, dass (u.a.) der Revisionswerber seine Mitarbeiter beauftragte (und es damit zu verantworten hatte), dass er und diese Mitarbeiter im selben Zeitraum und am selben Ort Asbest-Eternitplatten ohne Schutzausrüstung von den Holzlatten rissen und auf das darunter liegende Grundstück warfen, wo diese an einem ungeeigneten Ort, nämlich ungeschützt vor weiterer Zerstörung am Boden verstreut zwischen Bauschutt, Werkzeug und Arbeitsgerät, lagerten, durch herabfallende asbesthaltige Fassadenplatten, durch Zertreten und Manipulation auf der Baustelle und in weiterer Folge durch Verladung mittels Handschaufeln in den Zweischalengreifer, der die Bruchstücke der asbesthaltigen Fassadenplatten auf eine offene Ladefläche eines LKW verlud, weiter zerbrachen und krebserregende Asbestfasern in einer den Grenzwert weit überschreitenden Höhe freigesetzt wurden. Durch diese Arbeiten wurde - so der genannte Strafantrag vom 3. Juli 2018 - entgegen § 15 AWG 2002 (und anderen Rechtsvorschriften) die Luft so verunreinigt, dass dadurch eine Gefahr für das Leben oder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) eines anderen oder sonst für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer größeren Zahl von Menschen entstehen konnte (§ 180 Abs. 1 Z 1 StGB).

24 Da sich die beiden genannten Tatvorwürfe (Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses vom 13. März 2018 und der der Diversion zugrunde liegende Strafantrag vom 3. Juli 2018) zumindest im Wesentlichen auf denselben Sachverhalt beziehen, liegt "dieselbe Sache" im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK und daher insoweit eine unzulässige Doppelbestrafung im Sinne der oben genannten Judikatur vor (vgl. dazu nochmals VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0083).

25 Da der Revisionswerber das erstinstanzliche Straferkenntnis nur in den Strafaussprüchen, nicht jedoch auch im jeweiligen Schuldspruch mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht bekämpft hat, ist das Straferkenntnis insoweit in Teilrechtskraft erwachsen. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war daher nur mehr die Straffrage, sodass es diesem verwehrt war, auf die Schuldfrage einzugehen (vgl. etwa zur ständigen hg. Judikatur VwGH 14.11.2018, Ra 2016/08/0082, mwN; ferner im Zusammenhang damit etwa VwGH 19.10.2017,

Ra 2017/02/0062).

26 Gemäß § 38 VwGVG ist auf das Verfahren über Beschwerden gemä�� Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen (u.a.) die Bestimmung des § 22 VStG sinngemäß anzuwenden.

27 Gemäß § 22 Abs. 1 VStG ist, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

28 Gemäß § 79 Abs. 1 AWG 2002 begeht eine Person eine der in dieser Bestimmung angeführten Verwaltungsübertretungen nur dann, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gericht fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. 29 Nach der - ebenso gemäß § 38 VwGVG im Beschwerdeverfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 30 Abs. 2 VStG hat die Behörde, sofern eine Tat von den Behörden nur zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und es zweifelhaft ist, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

30 Das Verwaltungsgericht hat daher im Fall des § 30 Abs. 2 VStG durch (verfahrensrechtlichen) Beschluss zwingend das Beschwerdeverfahren auszusetzen, solange noch keine rechtskräftige Entscheidung des Strafgerichtes (oder der sonst in Betracht kommenden Behörde) über die Frage im Sinn dieser Gesetzesbestimmung vorliegt (vgl. etwa Stöger in Raschauer/Wessely, VStG2 § 30 Rz 7, S 457). Kommt es sodann zu einer gerichtlichen Verurteilung des Beschuldigten - dem ist, wie bereits erwähnt, eine diversionelle Erledigung gleichzuhalten - (oder zu dessen Bestrafung durch die andere Verwaltungsbehörde), ist vom Verwaltungsgericht der bei ihm angefochtene Bescheid, soweit dieser noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, aufzuheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen (vgl. Stöger in Raschauer/Wessely, VStG2 § 30 Rz 8, S 459). 31 Wurde hingegen trotz Bestehens einer Scheinkonkurrenz im Sinne des § 30 Abs. 2 VStG (somit vor der Entscheidung des Strafgerichtes oder der anderen Verwaltungsbehörde) von der Verwaltungsstrafbehörde bereits ein rechtskräftiges Straferkenntnis erlassen - oder ist, wie im vorliegenden Fall, das Straferkenntnis in Teilrechtskraft erwachsen -, so hat die Verwaltungsstrafbehörde nach § 30 Abs. 3 VStG vorzugehen, also jegliche Vollstreckung des Straferkenntnisses (des in Rechtskraft erwachsenen Teils) zu unterlassen und - sobald sich ergibt, dass das Verwaltungsstrafverfahren nicht hätte durchgeführt werden sollen - das Straferkenntnis (dessen in Rechtskraft erwachsenen Teil) außer Kraft zu setzen und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (vgl. Stöger in Raschauer/Wessely, VStG2 § 30 Rz 9 ff).

32 Im gegenständlichen Fall hat der Revisionswerber mit dem im Beschwerdeverfahren erstatteten Schriftsatz vom 10. August 2018 dem Verwaltungsgericht den genannten Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 3. Juli 2018, das Hauptverhandlungsprotokoll des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. August 2018 in diesem Strafverfahren mit dem Beschluss auf Durchführung der Diversion (Entrichtung eines Geldbetrages von EUR 5.000,-- gemäß § 200 Abs. 1 StPO) und den Beleg über den Erlag dieses Betrages zur Kenntnis gebracht und beantragt, das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich der Spruchpunkte 1) und 2) gemäß § 30 Abs. 3 VStG, in eventu gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG, einzustellen. Dieser Schriftsatz ist beim Verwaltungsgericht nach Ausweis der vorgelegten Verfahrensakten am 14. August 2018 eingelangt.

33 Das Verwaltungsgericht ist auf die vom Revisionswerber mit diesem Schriftsatz aufgeworfene Frage eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot gemäß Art. 4 des 7. ZPEMRK im Hinblick auf die genannte diversionelle Erledigung nicht weiter eingegangen, sondern hat über den Revisionswerber in Bezug (u.a.) auf den Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses eine Geldstrafe von EUR 6.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und einer Stunde) verhängt. In diesem Zusammenhang hat es in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses (u.a.) ausgeführt, dass das Straferkenntnis hinsichtlich der genannten beiden Spruchpunkte dem Grunde und der Schuld nach bereits in Rechtskraft erwachsen und daher lediglich eine Prüfung und Beurteilung der Strafbemessung vorzunehmen sei.

34 Mit dieser Beurteilung verkannte das Verwaltungsgericht das Gesetz. Wenn in Bezug auf die in Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses genannte Verwaltungsübertretung im Verhältnis zu der mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 3. Juli 2018 vorgeworfenen Straftat, wie dargestellt, ein Fall der Scheinkonkurrenz im Sinne des § 30 Abs. 2 VStG vorgelegen ist, so hätte das Verwaltungsgericht das erstinstanzliche Straferkenntnis insoweit im Strafausspruch aufheben und in diesem Umfang die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügen müssen. Infolge der durch eine diversionelle Erledigung im oben genannten Sinn entfaltenen Sperrwirkung war nämlich gemäß Art. 4 des 7. ZPEMRK und gemäß § 38 VwGVG iVm § 30 Abs. 2 VStG die Verhängung jeglicher Strafe unzulässig (vgl. dazu nochmals Stöger in Raschauer/Wessely, VStG2 § 30 Rz 8).

35 Das angefochtene Erkenntnis war daher in seinem Spruchpunkt II., soweit dieser sich auf Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bezieht, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 36 Wie bereits dargelegt wurde, war "Sache" des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht auf Grund der Beschränkung der Beschwerde auf die Bekämpfung der Strafhöhe nur mehr die Straffrage, sodass es dem Verwaltungsgericht verwehrt war, auf die Schuldfrage, hinsichtlich derer Teilrechtskraft eingetreten war, einzugehen (vgl. nochmals VwGH 19.10.2017, Ra 2017/02/0062, und VwGH 14.11.2018, Ra 2016/08/0082, mwN). Zu einer Entscheidung gemäß § 30 Abs. 3 VStG in Bezug auf den in Rechtskraft erwachsenen Teil des Spruchpunktes 1) des erstinstanzlichen Bescheides (Schuldausspruch) war das Verwaltungsgericht daher funktionell nicht zuständig (vgl. dazu etwa Stöger in Raschauer/Wessely, VStG2 § 30 Rz 10, S 464, und Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, Rz 1132).

37 Demzufolge bestand keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes, über den vom Revisionswerber mit Schriftsatz vom 10. August 2018 gestellten Antrag, das erstinstanzliche Straferkenntnis (u.a.) im Spruchpunkt 1) gemäß § 30 Abs. 3 VStG (in eventu gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG) einzustellen, zu entscheiden. Vielmehr hätte es gemäß § 17 und § 38 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG diesen Antrag an den Magistrat weiterleiten oder den Revisionswerber an diese Behörde weisen müssen.

38 Im Hinblick darauf war das angefochtene Erkenntnis in seinem Spruchpunkt I., soweit sich dieser auf Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bezieht, gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

39 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 und 4 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.

40 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 28. Mai 2019

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