VwGH Ra 2018/03/0133

VwGHRa 2018/03/013320.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. G L in G, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1A/1.St., gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 25. April 2018, Zl. 405- 1/254/1/11-2018, betreffend Übertretung des Salzburger Jagdgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), zu Recht erkannt:

Normen

JagdG Slbg 1993 §158 Abs1 Z8;
JagdG Slbg 1993 §158 Abs1 Z8a;
JagdG Slbg 1993 §158 Abs1 Z8b;
JagdG Slbg 1993 §158 Abs1 Z8c;
JagdG Slbg 1993 §158 Abs1 Z8d;
VStG §44a Z2;
VStG §44a Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018030133.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 I. Gegenstand

2 A. Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 21. November 2017 wurde dem Revisionswerber die Übertretung des § 158 Abs. 1 Z 8d iVm § 61 Abs. 1 erster Satz und § 27 Abs. 1 Salzburger Jagdgesetz (JG) zur Last gelegt und gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eine Ermahnung erteilt, da er es als Jagdleiter einer näher bezeichneten Eigenjagd zu verantworten habe, dass der für das Jagdjahr 2015 für dieses Jagdgebiet festgesetzte Mindestabschuss bis zum Beginn der Schonzeit (1. Jänner 2017) nicht erfüllt worden sei. Mit Bescheid des Bezirksjägermeisters vom 31. März 2016 sei der Mindestabschuss für das Jagdjahr 2016 für dieses Jagdgebiet in Bezug auf Rotwild bestimmt worden und seien die darin festgelegten vier Kälber nicht erlegt worden.

3 B. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, als es in der Tatumschreibung die Jahreszahl "2015" auf "2016" korrigierte und erachtete eine Revision dagegen als unzulässig. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt worden, zu welcher der (im Verfahren vor dem VwG unvertretene) Revisionswerber nicht erschienen sei. Aus dem vorliegenden Verfahrensakt ergebe sich, dass Verfahrensgegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens nicht das Jagdjahr 2015 sondern 2016 sei. Dies sei auch unmissverständlich aus der Spruchformulierung der angefochtenen Ermahnung zu entnehmen. Für das im Verantwortungsbereich des Revisionswerbers gelegene Jagdgebiet sei ein Mindestabschuss von einem Hirsch Klasse III, ein Spießer, drei Tiere und vier Kälber vorgesehen. Aus der Abschussliste sei ersichtlich, dass der Abschuss von vier Kälbern nicht erfolgt sei. Gemäß § 61 Abs. 1 JG habe der Jagdinhaber den für sein Jagdgebiet festgesetzten Mindestabschuss bis zum Beginn der Schonzeit zu erfüllen. Aus dem wiedergegebenen Sachverhalt ergebe sich eindeutig die Tatbildlichkeit hinsichtlich § 61 Abs. 1 leg. cit..

C. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der von der Behandlung der Beschwerde absah und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat (VfGH 25.9.2018, E 2305/2018-6).

4 D. In der Folge wurde die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Revision erhoben. Die belangte Behörde sah von der Einbringung einer Revisionsbeantwortung ab.

5 II. Rechtslage

6 A. Die für den vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen des Salzburger Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 100/1993 idF LGBl. Nr. 21/2015 (JG), lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Erlassung der Abschußpläne

§ 60

(1) Die Landesregierung hat auf die Dauer von längstens drei Jahren mit Verordnung für jeden Rot- und Gamswildraum die Abschüsse, die jährlich mindestens durchgeführt werden müssen (Mindestabschüsse), soweit erforderlich auch aufgegliedert nach Geschlechtern und Altersklassen, sowie die Aufteilung dieser Abschüsse auf die einzelnen Wildregionen festzulegen.

...

(4) Die Bezirksjägermeister haben für alle Hegegemeinschaften und Jagdgebiete ihres Wirkungsbereichs (§ 125 Abs 1 Z 2) unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Besprechungen nach Abs 3 bzw auf die gemäß Abs 3a erlassenen Verordnungen im Einvernehmen mit dem betroffenen Jagdinhaber und der örtlich zuständigen Bezirksbauernkammer einen Jahresabschussplan mit Bescheid zu erlassen.

...

Erfüllung des Mindestabschusses

§ 61

(1) Der Jagdinhaber hat den für sein Jagdgebiet festgesetzten Mindestabschuß bis zum Beginn der Schonzeit zu erfüllen. Sind Zwischenfristen vorgeschrieben, muß der entsprechende Teil des Mindestabschusses bis zum vorgegebenen Zeitpunkt erfüllt sein. Wird der Jahresabschussplan gemäß § 60 Abs 4 nicht bis zum 15. April erlassen, können Abschüsse im Ausmaß der im letztgültigen Jahresabschussplan festgelegten Mindestabschüsse vorgenommen werden.

...

Strafbestimmungen

§ 158

(1) Soweit die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 10.000 EUR zu bestrafen, wer

...

8. den für sein Jagdgebiet festgelegten Mindestabschuss

nicht bis zum Beginn der der Schusszeit unmittelbar nachfolgenden Schonzeit erfüllt, wenn auch der für die betreffende Wildregion in einer Verordnung gemäß § 60 Abs 1 insgesamt festgelegte Mindestabschuss bis zum Beginn der Schonzeit nicht erfüllt worden ist;

8a. grob fahrlässig oder vorsätzlich den für sein

Jagdgebiet festgelegten Mindestabschuss nicht bis zum Beginn der der Schusszeit unmittelbar nachfolgenden Schonzeit erfüllt, wenn der für die betreffende Wildregion in einer Verordnung gemäß § 60 Abs 1 insgesamt festgelegte Mindestabschluss bis zum Beginn der Schonzeit erfüllt worden ist;

8b. in zwei aufeinander folgenden Jahren den für sein

Jagdgebiet jeweils festgelegten Mindestabschuss nicht bis zum Beginn der der zweiten Schusszeit unmittelbar nachfolgenden Schonzeit erfüllt, wenn der für die betreffende Wildregion in einer Verordnung gemäß § 60 Abs 1 insgesamt festgelegte Mindestabschluss bis zum Beginn der Schonzeit erfüllt worden ist;

  1. 8c. den festgelegten Höchstabschuss überschreitet;
  2. 8d. sonst den §§ 59 bis 62 oder den im Abschussplan getroffenen Festlegungen zuwider handelt.

    ..."

    7 B. Die hier maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013 (VStG) lautet (auszugsweise) wie folgt:

    "§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt

worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete

Gesetzesbestimmung;

..."

8 III. Erwägungen

9 A. Entgegen der im Wesentlichen lediglich den Text des Art. 133 Abs. 4 B-VG wiedergebenden Begründung des VwG erweist sich die Revision angesichts der Abweichung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als zulässig und im Ergebnis als begründet.

10 B. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, (u.a.) die als erwiesen angenommene Tat (Z 1), die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2), sowie die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung (Z 3) zu enthalten. § 44a Z 2 VStG räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint; Gleiches gilt für die Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmung nach § 44a Z 3 VStG (VwGH 27.6.2018, Ra 2018/15/0019). Unter angewendeter Gesetzesbestimmung iSd § 44a Z 3 VStG ist die Strafsanktionsnorm (Strafnorm) zu verstehen, welche jene Strafdrohung enthält, in der die tatsächlich verhängte Strafe Deckung findet und derart bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. dazu nochmals VwGH 27.6.2018, Ra 2018/15/0019, und ferner VwGH 26.7.2002, 2001/02/0253, VwGH 11.6.1997, 95/01/0430, und VwGH 20.12.1994, 92/04/0276).

11 C. § 158 Abs. 1 Z 8 bis Z 8d SJG erhielten ihre im Revisionsfall maßgebende Fassung durch die Novelle LGBl. Nr. 21/2015.

12 In der Regierungsvorlage dazu (vgl. Nr. 286 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages (3. Session der 15. Gesetzgebungsperiode) wird dazu (u.a.) Folgendes ausgeführt:

"Gemäß dem ersten Tatbestand des geltenden Abs 1 Z 8 begeht einer Verwaltungsübertretung, wer den festgelegten Mindestabschuss nicht bis zum Beginn der Schonzeit erfüllt. Für die Strafbarkeit gemäß dem geltenden Abs 1 Z 8 ist es unbeachtlich, ob der für die betreffende Wildregion insgesamt festgelegte Mindestabschuss erfüllt wurde oder nicht.

Wurde jedoch der für die betreffende Wildregion festgelegte Mindestabschuss insgesamt erfüllt, so besteht aus jagdfachlicher bzw wildökologischer Sicht kein Bedürfnis nach einer Bestrafung des säumigen Jagdberechtigten. Bezogen auf die der Festlegung der Mindestabschüsse für die gesamte Wildregion zu Grunde liegenden wildökologischen Überlegungen sind die Auswirkungen der Nichterfüllung der festgelegten Mindestabschüsse in einem Jagdgebiet vernachlässigbar bzw unbedeutend, wenn diese Nichterfüllung in einem einzelnen Jagdgebiet durch die Erfüllung der Mindestabschüsse in der gesamten Wildregion wieder aufgewogen wird. Ein Bedürfnis nach einer Bestrafung des säumigen Jagdberechtigten besteht unter spezial- oder generalpräventiven Gesichtspunkten.

Diesen Überlegungen tragen die in der Z 8a und 8b enthaltenen Tatbestände Rechnung: Ein mit der Erfüllung seines Mindestabschusses säumiger Jagdberechtigter ist gemäß Abs 1 Z 8a nicht zu bestrafen, wenn der für die betreffende Wildregion insgesamt festgelegte Mindestabschuss erfüllt worden ist und der säumige Jagdberechtigte bei Nichterfüllung seiner Pflicht nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Der Tatbestand der Z 8b des Abs 1 erfasst dagegen einen solchen Jagdberechtigten, der durch ein qualifiziertes Verhalten, das sowohl in einem aktiven Tun als auch in einem Unterlassen, etwa in einer beharrlichen jagdlichen Untätigkeit, bestehen kann, die Erfüllung des für sein Jagdgebiet festgelegten Mindestabschusses vereitelt hat. Einem solchen Jagdberechtigten kommt im Gegensatz zur Z 8a die Erfüllung des für die betreffende Wildregion insgesamt festgelegten Mindestabschusses nicht zugute.

Die Tatbestände der Z 8c und 8d des Abs 1 entsprechen den weiteren, im geltenden Abs 1 Z 8 enthaltenen Tatbeständen."

13 Vor diesem Hintergrund ist die Nichterfüllung des Mindestabschusses im eigenen Jagdgebiet nur in folgenden Fällen strafbar:

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