Normen
ASVG §293;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §45 Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220037.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein russischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Karapapaken, reiste am 21. August 2009 mit einem Visum C nach Österreich ein und stellte am 22. Juni 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Dezember 2010 wurde dieser Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigen abgewiesen und der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
2 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Juni 2016 wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 16. Februar 2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ab. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber in Österreich nie einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Der Revisionswerber plane, in Zukunft einer ehrenamtlichen Beschäftigung bei der Caritas nachzugehen. Er leide an Schilddrüsenkrebs. In einem arbeitsmedizinischen Gutachten vom 12. November 2015 sei eine Arbeitsunfähigkeit bis 11. November 2017 attestiert worden. In den Jahren 2009 und 2010 sei der Revisionswerber zweimal in Österreich an der Schilddrüse operiert worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe der Revisionswerber angegeben, dass seit 2015 eine graduelle Besserung seiner Erkrankung eingetreten sei. Der Revisionswerber sei nicht dauerhaft erwerbsunfähig, sondern es liege lediglich eine befristete Erwerbsunfähigkeit vor. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der Revisionswerber seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen von vornherein dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern könne. Der Revisionswerber erfülle nicht die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 3 und 4 NAG.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber - nach Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof sowie Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof - die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Verwaltungsgericht stütze seine Feststellung bezüglich der bloß befristeten Erwerbsunfähigkeit ausschließlich auf das im Rahmen eines Verfahrens nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) eingeholte arbeitsmedizinische Gutachten vom 12. November 2015. In diesem Verfahren vor dem Magistrat der Stadt Wien sei es nur um die Klärung der Frage, ob eine Erwerbsunfähigkeit vorliege und diese länger als ein Jahr bestehen würde, gegangen. Daher könne dieses Gutachten niemals einzige Grundlage für die Feststellung bezüglich der Dauerhaftigkeit einer Erwerbsunfähigkeit bzw. für die Frage des Vorliegens einer Behinderung im Sinn von Art. 7 B-VG sein. Abgesehen davon habe das Verwaltungsgericht kein rechtliches Gehör zu seinen diesbezüglichen Feststellungen gewährt und dem Revisionswerber nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt, Beweise zur Dauerhaftigkeit seiner Erwerbsunfähigkeit vorzulegen.
8 Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn dessen Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Diese Voraussetzung liegt dann vor, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen (§ 11 Abs. 5 NAG).
9 Dem Vorbringen des Revisionswerbers ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber die Verfahrensakten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zur Kenntnis brachte und er die Möglichkeit hatte, zur Dauerhaftigkeit seiner Erwerbsunfähigkeit ein Vorbringen zu erstatten.
10 Weiters ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (VwGH 16.1.2018, Ra 2017/22/0212, mwN).
11 Vor dem Hintergrund der Aussage des Revisionswerbers vor dem Verwaltungsgericht in der Verhandlung vom 22. September 2016, wonach es ihm bis 2015 gesundheitlich gar nicht gut gegangen sei und er aufgrund seiner Erkrankung gesundheitlich sehr beeinträchtigt gewesen sei, vermag der Revisionswerber eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes - unter Heranziehung des arbeitsmedizinischen Gutachtens vom 12. November 2015 - zur vorübergehenden Dauer seiner Erwerbsunfähigkeit nicht aufzuzeigen.
12 Schon deshalb war auf das weitere - auf der Annahme des Vorliegens einer dauernden Erwerbsunfähigkeit basierende - Revisionsvorbringen nicht einzugehen.
13 Soweit der Revisionswerber darüber hinaus das Unterlassen von Ermittlungen als wesentlichen Verfahrensfehler rügt, genügt der Hinweis, dass in der Zulassungsbegründung der Revision die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang nicht dargelegt wird (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0099, mwN).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2018
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