VwGH Ra 2018/20/0318

VwGHRa 2018/20/031825.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, in der Rechtssache der Revision des E E O in K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Mai 2018, Zl. I406 2117193-2/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §53 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200318.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 17. Februar 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 8. November 2017 (schriftlich ausgefertigt mit 11. Dezember 2017) wies es die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27. Oktober 2015 erhobene Beschwerde als unbegründet ab.

2 Am 1. Februar 2018 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

3 Mit Bescheid vom 19. März 2018 wies das BFA diesen Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Weiters wurde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

4 Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom BVwG "teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass das in Spruchpunkt VII. verhängte Einreiseverbot auf ein Jahr herabgesetzt" wurde. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, dass das BVwG den Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des Bescheides - falsche Datierung des Antrages auf internationalen Schutz im Spruch des Bescheides -nicht beseitigt habe und das BVwG damit seine eigene Entscheidung mit einer Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet habe.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich ein Bescheid als mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet, wenn Spruch und Begründung zueinander in Widerspruch stehen oder sich aus dem Bescheid nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, über welchen Antrag abgesprochen wurde (vgl. VwGH 12.11.2013, 2013/09/0118, mwN).

11 Sowohl aus dem Bescheid des BFA als auch aus dem Erkenntnis des BVwG geht zweifelsfrei hervor, dass Verfahrensgegenstand der vom Revisionswerber gestellte Folgeantrag ist. Auch wenn dieser Folgeantrag mit einem unzutreffenden Datum bezeichnet wird, kann somit keine Rede davon sein, dass der Entscheidung nicht entnehmbar wäre, über welchen Antrag abgesprochen wird, zumal das fälschlich herangezogene Datum "23.10.2017" noch vor der mündlichen Verkündung des das erste Asylverfahren rechtskräftig abschließenden Erkenntnisses am 8. November 2017 liegt, sodass zu diesem - fiktiven - Antragsdatum offensichtlich noch kein Folgeantrag vorliegen könnte. Auf diesen Umstand wird auch in der Revision hingewiesen, die im Übrigen keinen Zweifel daran lässt, dass auch der Revisionswerber davon ausgeht, dass über seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz vom 1. Februar 2018 abgesprochen wurde.

12 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht wird, dass der Spruch des BVwG unvollständig sei, ist zu entgegnen, dass dem Erkenntnis nicht zu entnehmen ist, dass nur über einen Teil der Beschwerde abgesprochen werden sollte. So wird der Beschwerde im Spruch ausdrücklich nur "teilweise Folge gegeben" und es ist auch in Zusammenschau mit der Begründung erkennbar, dass der Beschwerde im Übrigen nicht gefolgt wurde und demnach die gesamte Beschwerde erledigt wurde.

13 Mit dem mit Blick auf eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erstatteten Zulassungsvorbringen, es lägen Sachverhaltsänderungen in Bezug auf die Entwurzelung des Revisionswerbers in Nigeria, die dort fehlende Sicherstellung des notwendigen Existenzminimums und eine sich kontinuierlich verschlechternde Sehleistung auf einem Auge vor, zeigt die Revision nicht konkret auf, inwiefern von einer entscheidungsrelevanten Sachverhaltsänderung gegenüber der rund vier Monate früher ergangenen, rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren auszugehen wäre. Das BVwG hatte zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 3.5.2016, Ra 2016/18/0056-0060; 29.5.2018, Ra 2018/20/0256, 0257, jeweils mwN). Da der Revisionswerber keinen wesentlich geänderten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt konkret aufgezeigt hat, aufgrund dessen seinem Folgeantrag Berechtigung zukommen könnte, steht die Rechtskraft des am 8. November 2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses des BVwG dem Folgeantrag des Revisionswerbers entgegen.

14 Weiters richtet sich die Zulässigkeitsbegründung gegen das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung, zu der das BVwG - nach der Ansicht des Revisionswerbers - gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) iVm Art. 8 EMRK verpflichtet gewesen wäre.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände, besondere Bedeutung zukommt. Allerdings kann gemäß dem auch im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden § 21 Abs. 7 BFA-VG - trotz Vorliegens eines diesbezüglichen Antrages - (ausnahmsweise) von der Durchführung einer Verhandlung unter anderem dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. VwGH 10.8.2017, Ra 2016/20/0105, 0106, mwN).

16 Soweit in diesem Zusammenhang vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht hätte verhandeln müssen, um sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber zu machen, wird damit aber nicht aufgezeigt, weshalb fallbezogen die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Verhandlung nicht gegeben gewesen wären. Der Sachverhalt wurde im gegenständlichen Fall ausreichend ermittelt und ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen, zumal in der Beschwerde der vom BFA festgestellte Sachverhalt - der dem Revisionswerber durchaus Integrationsbemühungen bescheinigt - nicht substantiiert bestritten wurde.

17 Der Revisionswerber rügt weiters die zu Ungunsten seiner Privatinteressen ausgefallene Interessenabwägung, die vom BVwG in Anlehnung an die belangte Behörde durchgeführt worden sei, und verweist diesbezüglich auf seine in seinen Einvernahmen vor dem BFA und in seiner Beschwerde unter Vorlage entsprechender Unterlagen offengelegten Integrationsbemühungen. Es ist anhand der Revisionsausführungen jedoch nicht zu erkennen, dass deren Gewichtung gegenüber den anderen festgestellten Umständen (z.B. Aufenthalt lediglich aufgrund zweier unbegründeter Anträge auf internationalen Schutz, Unsicherheit dieses Aufenthalts, illegales Verbleiben im Inland nach rechtskräftiger Rückkehrentscheidung) unvertretbar wäre.

18 Weiters richtet sich der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision gegen das erlassene Einreiseverbot. Die Stellung des zweiten Asylantrages könne die Verhängung des Einreiseverbots nicht rechtfertigen, da sich der Revisionswerber dem Verfahren zu seiner Außerlandesbringung nicht entzogen habe und ihm mit der Stellung des zweiten Antrages auf internationalen Schutzes faktischer Abschiebeschutz iSd § 12 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zugekommen sei.

19 Der Revisionswerber verkennt, dass sich weder das BFA noch das BVwG bei der Erlassung des Einreiseverbotes darauf gestützt haben, dass sich der Revisionswerber dem Verfahren zu seiner Außerlandesbringung entzogen habe. Ihm wurde vielmehr vorgeworfen, seiner Rückkehrverpflichtung nach dem mit 8. November 2017 rechtskräftigen ersten Asylverfahren nicht nachgekommen zu sein. Daran ändert auch die Nichtaberkennung des faktischen Abschiebeschutzes im Folgeverfahren nichts. Inwiefern die Nichtaberkennung des faktischen Abschiebeschutzes der Erlassung eines Einreiseverbotes entgegen stünde, wird somit mit dem Revisionsvorbringen nicht aufgezeigt.

20 Seitens des BFA und des BVwG wurde das Einreiseverbot auf die Missachtung des Ausreisebefehls und darüber hinaus auf die Mittellosigkeit gestützt (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349). Dass das BVwG von den zur Erlassung eines Einreiseverbotes aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf.

21 Im Zusammenhang mit der Bestreitung der Mittellosigkeit ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass der Umstand, dass einem Fremden Grundversorgung gewährt wird, Mittellosigkeit geradezu bestätigt (vgl. wiederum VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349, mwN). Soweit auf die seit Juli 2018 von einem Mitglied seiner Pfarrgemeinde übernommene Versorgung des Revisionswerbers hingewiesen wird, steht deren Wahrnehmung das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG zu beachtende Neuerungsverbot entgegen (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2016/18/0201, mwN).

22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Oktober 2018

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