Normen
AsylG 2005 §12a Abs2;
AsylG 2005 §22 Abs10;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs9;
MRK Art3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190272.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Erkenntnis vom 6. November 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers - eines afghanischen Staatsangehörigen - gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30. Juni 2017, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz vom 19. Juli 2015 zur Gänze abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung rechtskräftig ab.
2 Im November 2017 reiste der Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland aus. Er wurde jedoch am 26. Februar 2018 gemäß den Bestimmungen der Dublin III-VO nach Österreich rücküberstellt, wo er am selben Tag einen Folgeantrag stellte.
3 Im Anschluss an die niederschriftliche Einvernahme vom 10. April 2018 erkannte das BFA dem Revisionswerber mit mündlich verkündetem Beschluss den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 ab und übermittelte noch am selben Tag gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 die Verwaltungsakten dem BVwG zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. April 2018 sprach das BVwG die Rechtsmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes aus und erklärte die Revision für nicht zulässig.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das BVwG sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Insbesondere sei die für den Revisionswerber im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegende Situation in seinem Heimatstaat Afghanistan zu prüfen gewesen. Die im angefochtenen Beschluss zitierten "Erkenntnisse" seien veraltet. Der Revisionswerber habe überdies glaubhaft dargelegt, dass er nun mit weiterer "fluchtrelevanter Verfolgung" wegen des Besuchs der katholischen Kirche in Österreich rechnen müsse. Auch habe sich das BVwG zu wenig mit dem Gesundheitszustand des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Er habe einen Suizidversuch in Deutschland begangen, weshalb keinesfalls von einer unveränderten körperlichen bzw. psychischen Situation auszugehen sei. Die diesbezüglichen Feststellungen des BVwG seien daher unvollständig bzw. unrichtig.
9 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt gleichermaßen für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hatte daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Die bloß pauschale Behauptung, das BVwG habe veraltete Länderberichte herangezogen, reicht für die Geltendmachung dieses Verfahrensmangels jedoch nicht aus, da damit dessen Relevanz für den Ausgang des Verfahrens nicht dargelegt wird (vgl. dazu VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0076, mwN).
10 Ebenso verhält es sich mit dem Vorwurf an das BVwG, es habe den Gesundheitszustand des Revisionswerbers nicht ausreichend berücksichtigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist (vgl. VwGH 21.2.2017, Ra 2017/18/0008). Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0082, mit Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 183 und 189 ff).
11 Fallbezogen ist festzuhalten, dass sich das BVwG mit den vorgelegten Beweismitteln zum gesundheitlichen Zustand des Revisionswerbers auseinandergesetzt hat, soweit sie nicht bereits im rechtskräftig abgeschlossenen vorangegangenen Verfahren berücksichtigt worden waren, und angenommen hat, dass seither keine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes eingetreten ist. Dass diese Einschätzung des BVwG unvertretbar gewesen sei, vermag der Revisionswerber, angesichts der bereits im Erstverfahren gewürdigten medizinischen Gutachten und der neu vorgelegten zwei "Konsultationen", in denen jeweils keine Suizidalität festgestellt wurde, nicht darzutun. Zudem zeigt der Revisionswerber nicht auf, dass die vorgebrachte Krankheit jene vom EGMR in der Rechtssache Paposhvili gegen Belgien beschriebene Schwere und Intensität aufweist, welche dazu führen könnte, dass bei einer Abschiebung die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten würde (vgl. dazu VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0325, mwN).
12 Dem Vorbringen des Revisionswerbers, er besuche die katholische Kirche und befürchte deshalb asylrelevante Verfolgung im Herkunftsland, ist entgegenzuhalten, dass sich das BVwG mit diesem auseinandergesetzt hat und zum Ergebnis gelangt ist, dass damit kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt begründet worden ist. Dass diese einzelfallbezogene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher zur Überprüfung der Beweiswürdigung nicht berufen (vgl. dazu VwGH 7.5.2018, Ra 2018/20/0186, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 10. September 2018
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