VwGH Ra 2018/18/0536

VwGHRa 2018/18/05366.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H L, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2018, Zl. L512 1418375-3/28E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180536.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Pakistans und stammt aus der Provinz Punjab. Er stellte am 15. Juni 2010 den ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, welchen er im Wesentlichen damit begründete, dass sein Vater im Jahr 2004 aufgrund politischer Streitigkeiten getötet worden sei. Zwei Monate später sei der Täter ermordet worden, woraufhin dessen Brüder Rache geschworen hätten. Der Revisionswerber sei tätlich angegriffen und mit dem Tod bedroht worden, weshalb er das Land verlassen habe.

2 Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2. Jänner 2013 wurde dieser Antrag rechtskräftig zur Gänze abgewiesen und der Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.

3 Am 11. Juni 2013 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass zwei unbekannte Männer am 29. Mai 2013 auf das Haus der Familie geschossen hätten. Es handle sich dabei um jene Männer, welche im Jahr 2004 seinen Vater getötet und den Revisionswerber im Jahr 2010 attackiert hätten. Die Männer hätten der Familie des Revisionswerbers mit dem Tod gedroht.

4 Mit Bescheid vom 11. Jänner 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) - im zweiten Verfahrensgang - den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel nach §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Pakistan zulässig sei und setzte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde mit einer Spruchberichtigung hinsichtlich der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 als unbegründet ab (Spruchpunkt A) und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

6 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Revisionswerbers werde aufgrund von näher dargestellten Gründen als unglaubwürdig erachtet. Selbst bei Wahrunterstellung sei dem Revisionswerber Asyl nicht zu gewähren, weil ihm als mobilem, erwachsenem und arbeitsfähigem jungen Mann eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, etwa in Islamabad, offen stehe. Es könne nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Verfolger den Revisionswerber überall in Pakistan suchen würden, zumal keine besondere Exponiertheit des Revisionswerbers vorliege, ein zentrales Einwohnermeldesystem fehle und eine hohe Bevölkerungsdichte Pakistans bestehe. Dem Revisionswerber drohe bei einer Rückkehr nach Pakistan keine dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechende Behandlung. Der Revisionswerber stamme aus dem Punjab, einer der sichersten Regionen Pakistans, zudem sei eine Niederlassung außerhalb seines Heimatbezirkes möglich und zumutbar. Betreffend die Rückkehrentscheidung ging das BVwG aus näher dargestellten Gründen vom Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet aus.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG verkenne den Umfang seiner Ermittlungspflicht im Bereich der Länderfeststellungen. Das BVwG unterlasse darzulegen, "welche Überlegungen der tatsächlichen Auswahl des repräsentativen Querschnittes des Quellenmaterials zugrunde liegen" würden. Weder das BFA noch das BVwG hätten dem Revisionswerber das konkrete Quellenmaterial vorgehalten. Hinsichtlich der Auswahl des Quellenmaterials liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Die Auswahl der gegenständlich ausgewählten Quellen weise nicht im Geringsten eine Systematik auf und lasse "jede analytische, wissenschaftliche, sachverhaltsbezogene Auswertung vermissen". Zur angenommenen innerstaatlichen Fluchtalternative fehle jede Feststellung konkreter sozialer Kontakte des Revisionswerbers in Islamabad. Zudem fänden sich keinerlei Überlegungen zur Zumutbarkeit, was nicht nur Art. 8 Abs. 1 der Statusrichtlinie, sondern auch höchstgerichtlicher Rechtsprechung, der Rechtsprechung des EuGH und der UNHCR-Richtlinie Nr. 4 widerspräche.

8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Soweit der Revisionswerber zunächst Ermittlungsmängel "im Bereich der Länderfeststellungen" sowie eine fehlende höchstgerichtliche Rechtsprechung "zur Auswahl des Quellenmaterials" moniert, zeigt der Revisionswerber weder auf, welche konkreten weiteren Ermittlungen er für notwendig erachtet hätte noch legt er die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dar (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarlegung bei Verfahrensmängeln VwGH 9.10.2014, Ra 2014/18/0036 bis 0039). Ebenso zeigt der Revisionswerber mit diesem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, welche konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte.

13 Entgegen dem Vorbringen in der Revision legte das BVwG in seiner Entscheidung zudem beweiswürdigend dar, wie es zur Auswahl der getroffenen Quellen zum Herkunftsstaat des Revisionswerbers gelangte. Inwieweit diese herangezogenen Quellen "jede analytische, wissenschaftliche, sachverhaltsbezogene Auswertung" vermissen ließen, wird in der Revision nicht näher ausgeführt, sondern lediglich pauschal und ohne Sachverhaltsbezug behauptet. Aus dem vorliegenden Akteninhalt ergibt sich auch, dass dem Revisionswerber die Länderfeststellungen zur Stellungnahme übermittelt wurden, weshalb ein Verstoß gegen das Parteiengehör nicht ersichtlich ist.

14 Ebenso gelingt es dem Revisionswerber nicht, einen relevanten Begründungsmangel betreffend die vom BVwG angenommene Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das BVwG bereits dem Fluchtvorbringen tragfähig die Glaubwürdigkeit versagte und zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorrangig eine Rückkehr in die Heimatprovinz Punjab für möglich erachtete. Diesen für sich tragfähigen Ausführungen tritt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht entgegen. Die vom BVwG zusätzlich herangezogene Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative stellt somit lediglich eine Alternativbegründung dar (vgl. zur Unzulässigkeit einer Revision bei einer tragfähigen Alternativbegründung, VwGH 16.12.2014, Ra 2014/11/0095, mwN).

15 Zudem legte das BVwG in seiner Entscheidung offen, warum es im gegenständlichen Fall von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative, etwa in Islamabad, ausgehe. Neben der vergleichsweise stabilen Sicherheitslage und der sicheren Erreichbarkeit von Islamabad stützte das BVwG diese Einschätzung auch darauf, dass es sich beim Revisionswerber um einen mobilen, erwachsenen, arbeits- und anpassungsfähigen jungen Mann handle, welcher sich auch außerhalb seiner Heimatprovinz eine Existenzgrundlage schaffen könne. Dass das BVwG mit dieser Einschätzung von der hg. Rechtsprechung abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf (vgl. idS ebenso VwGH 7.5.2018, Ra 2018/18/0088, mwN).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. November 2018

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