European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180088.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger aus Parachinar (FATA-Gebiet) und der Volksgruppe der Paschtunen sowie der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig, stellte am 26. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Als Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, Pakistan aufgrund der allgemeinen prekären Sicherheitslage verlassen zu haben, weil er als Schiit von den Taliban bedroht werde. Im September 2014 sei das Auto, in dem sich u.a. der Revisionswerber befunden habe, von den Sunniten angegriffen worden. Nach seiner Flucht sei sein Vater im Mai 2016 als Vergeltungsmaßnahme von den Sunniten angegriffen und erschossen worden. Schließlich stützte er sich auf eine generelle Verfolgung von Schiiten in Pakistan.
2 Mit Bescheid vom 11. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ab (Spruchpunkt A. I) und den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit zurück (Spruchpunkt A. II). Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
4 Begründend stützte sich das BVwG auf die Beweiswürdigung des BFA und führte - zusammengefasst - aus, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei gänzlich unglaubwürdig. Alternativ begründete das BVwG seine Entscheidung mit dem Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative. Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens komme dem Vorbringen keine Asylrelevanz zu, zumal dem Revisionswerber eine Rückkehr nach Islamabad möglich und zumutbar sei. Unter diesem Gesichtspunkt führte es aus, dass der Revisionswerber jung, gesund, mobil, arbeits- und anpassungsfähig sei sowie über eine Schulausbildung verfüge. Er habe zwar bislang noch nicht in Islamabad gelebt, sei jedoch in Pakistan aufgewachsen und mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Es sei ihm möglich und zumutbar, seine dringendsten Lebensbedürfnisse durch Aufnahme einer eigenen beruflichen Tätigkeit (durch Hilfstätigkeiten bzw. Gelegenheitsarbeiten) in Islamabad zu decken. Zudem könne er auf die finanzielle Unterstützung seiner in Parachinar lebenden Familie zurückgreifen. Mit der Sicherheitslage in Islamabad und der Erreichbarkeit setzte sich das BVwG ebenfalls auseinander. In Anlehnung an die Länderfeststellungen verneinte es eine Gruppenverfolgung der Schiiten und Paschtunen. Das Absehen von der mündlichen Verhandlung stützte das BVwG auf § 21 Abs. 7 BFA-VG und führte aus, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen geltend macht, das BVwG sei unter näherer Begründung von den hg. aufgestellten Kriterien betreffend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewichen und habe eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen. Weiters wird zusammengefasst vorgebracht, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative undeutlich und unzureichend begründet sei, weshalb das angefochtene Erkenntnis auch in dieser Hinsicht von der angeführten hg. Rechtsprechung abweiche.
6 Die Revision erweist sich als unzulässig.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
9 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erst kürzlich ausgesprochen, dass hinsichtlich des bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative anzuwendenden Maßstabs die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und die persönlichen Umstände des Asylwerbers zu berücksichtigen sind. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 7.3.2018, Ra 2018/18/0103, mwN).
11 Eine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird mit der Zulassungsbegründung der Revision betreffend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung schon deshalb nicht aufgezeigt, weil der Revisionswerber in seiner Beschwerde die vom BFA getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht substantiiert bestritten hat. Damit war der Sachverhalt jedoch in einem bereits für sich tragenden Punkt im Sinne der hg. Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht nicht als ungeklärt zu betrachten, weshalb das BVwG letztlich von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen durfte (vgl. VwGH 2.9.2014, Ra 2014/18/0020, sowie 22.2.2018, Ra 2017/18/0351, mwN).
12 Die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber als junger, gesunder, mobiler, anpassungs- und arbeitsfähiger Mann mit einer Schulausbildung finde aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalles in Islamabad eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, begegnet keinen hg. Bedenken. Dass schiitische Paschtunen aus dem FATA-Gebiet einer besonderen Gefährdung in Islamabad ausgesetzt wären, vermochte die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen.
13 Hinsichtlich der behaupteten Gruppenverfolgung von Schiiten in Pakistan ist auf den jüngst ergangenen hg. Beschluss hinzuweisen, in welchem dem Revisionswerber, einem schiitischen Paschtunen, entgegen gehalten wurde, dass aus den Länderberichten keine Gruppenverfolgung aller Schiiten hervorgehe, sondern es auf hinzukommende persönliche Gefährdungsmerkmale ankomme (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0033, Rn. 11). Etwaige persönliche Gefährdungsmerkmale wurden im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. Mai 2018
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