Normen
32011L0095 Status-RL Art9 Abs1;
BFA-VG 2014 §20;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 13. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und führte dazu im Wesentlichen aus, im Iran geboren und aufgewachsen zu sein, nachdem seine Familie Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen habe. Er wolle nicht nach Afghanistan, weil er dort niemanden kenne und überdies Krieg herrsche.
2 Mit Bescheid vom 6. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach §§ 57, 55 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
4 Begründend führte es - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Seine Familie sei aus Afghanistan in den Iran geflüchtet, erst dort sei er geboren worden und aufgewachsen, wo er fünf Jahre die Schule besucht und als Schneider gearbeitet habe. Seine Familie lebe unter mittelmäßigen finanziellen Verhältnissen nach wie vor im Iran. Da sich das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers ausschließlich auf seinen Aufenthalt im Iran beziehe, komme ihm keine Asylrelevanz zu, und es sei keine Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Auch subsidiärer Schutz sei dem Revisionswerber nicht zu gewähren, weil ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative insbesondere in Kabul zur Verfügung stehe. Er sei ein arbeitsfähiger, junger Mann mit fünfjähriger Schulbildung, der angesichts seiner festgestellten Arbeitserfahrung (Tätigkeit als Schneider) bereits unter Beweis stellen habe können, dass er imstande sei, sich ein (ausreichendes) Einkommen zu sichern. Eine mündliche Verhandlung erachtete das BVwG als entbehrlich, weil sich aus den Akten erkennen lasse, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit ein Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht geltend gemacht wird. Zudem widerspreche die Entscheidung des BVwG der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weil sie Teile des Vorbringens des Revisionswerbers - nämlich zu dessen Volksgruppenzugehörigkeit und zu den Tatsachen, dass er nie in Afghanistan gewesen und im Iran als Afghane diskriminiert worden sei - außer Acht gelassen habe.
6 Die Revision erweist sich als nicht zulässig. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Soweit die Revision einen Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht geltend macht, ist zunächst festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018).
11 Die Revision vermag mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre. So richtete sich die Beschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich der Ermittlungen und der Beweiswürdigung des BFA lediglich gegen die Außerachtlassung näher genannter Länderberichte, die sich auf die Situation von im Iran geborenen Rückkehrern nach Afghanistan ohne dortige Anknüpfungspunkte und jene der Hazara beziehen.
12 Der Revisionswerber übersieht jedoch, dass das BFA (und in der Folge auch das BVwG) eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul annahm, welcher er mit diesem Vorbringen nicht substantiiert entgegenzutreten vermochte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber als arbeitsfähiger, junger Mann mit fünfjähriger Schulbildung und Arbeitserfahrung finde aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalles etwa in Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, im Lichte der insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken begegnet (vgl. VfGH 12.12.2017, E 2068/2017 sowie VwGH 5.2.2018, Ra 2017/18/0457 zu - in sachverhaltsmäßiger Hinsicht - gleich gelagerten Fällen).
13 Soweit der Revisionswerber in der Beschwerde und der Revision bestimmte Schwierigkeiten von im Iran geborenen Rückkehrern nach Afghanistan behauptet, zeigt er nicht auf, dass diese die Intensität einer Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie) erreichen können (vgl. zum Begriff der "Verfolgung" VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0080) oder subsidiären Schutz rechtfertigen können.
14 Ebensowenig wird mit dem Hinweis auf die Zugehörigkeit des Revisionswerbers zur Minderheit der Hazara aufgezeigt, dass das BVwG von den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Gruppenverfolgung abgewichen wäre (vgl. zur Gruppenverfolgung allgemein etwa VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mwN; daran anschließend zur Gruppenverfolgung von Hazara in Afghanistan VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0377).
15 Vor diesem Hintergrund lagen die Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG nach der eingangs zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH vor (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis zu VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018), weshalb eine solche entfallen konnte.
16 Im Lichte dieser Erwägungen fehlt es auch den in der Revision vorgebrachten allfälligen Begründungsmängeln an Relevanz (vgl. etwa VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0309-0314).
17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2018
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