VwGH Ra 2018/18/0440

VwGHRa 2018/18/04406.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S S, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2018, Zl. W144 2185472-1/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32013R0604 Dublin-III;
AsylG 2005 §5 Abs1;
EURallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180440.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Sri Lankas, reiste im Jahr 2017 über Marokko kommend über die spanische Außengrenze illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein. Er hielt sich in Spanien bis 23. September 2017 auf und gelangte in weiterer Folge nach Österreich, wo er am 15. November 2017 internationalen Schutz beantragte.

2 Am 17. November 2017 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) unter Hinweis auf die Reiseroute des Revisionswerbers ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an die zuständige spanische Behörde. Mit Schreiben vom 27. November 2017 stimmte diese der Aufnahme des Revisionswerbers ausdrücklich zu.

3 In der Folge wies das BFA mit Bescheid vom 5. Jänner 2018 den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, sprach aus, dass Spanien für die Prüfung des Antrages zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung des Revisionswerbers gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) an und stellte fest, dass dessen Abschiebung nach Spanien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet ab, ohne zuvor über dessen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entschieden zu haben. Der auf § 35 VwGVG gestützte Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz wurde mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

5 Das Bundesverwaltungsgericht führte - sofern hier entscheidungswesentlich - aus, das BFA habe zwar im Rahmen der Konsultationen mit Spanien, ohne auf den Aufenthalt der Mutter und des Bruders des Revisionswerbers in Österreich Bezug zu nehmen, nur den Vater des Revisionswerbers als Verwandten im Bundesgebiet erwähnt. Eine relevante Mangelhaftigkeit des Konsultationsverfahrens bestehe jedoch unter diesem Gesichtspunkt nicht, weil selbst im Fall der Nennung der beiden weiteren in Österreich subsidiär schutzberechtigten Familienmitglieder ausschließlich die Zuständigkeitsnorm des Art. 13 Dublin III-VO zum Tragen gekommen wäre. Aus den Art. 16 und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO sei entgegen der Ansicht des Revisionswerbers mangels "besonderer Abhängigkeiten und humanitärer Gründe" im Bundesgebiet eine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages des Revisionswerbers nicht abzuleiten. Fallbezogen sei auch die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zur Vermeidung einer Verletzung der durch Art. 3 bzw. Art. 8 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers nicht geboten.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2018, E 1492/2018-8, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und diese über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 28. Juni 2018, E 1492/2018-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 Die vorliegende außerordentliche Revision beruft sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf das Vorliegen uneinheitlicher Rechtsprechung zu der Frage, ob zwischen Eltern und volljährigen Kindern jedenfalls ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK bestehe oder ob ein solches in der erwähnten Konstellation erst durch das Hinzutreten besonderer Merkmale begründet werde. Weiters wird in der Revision ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO geltend gemacht. Das an die spanische Behörde gerichtete Aufnahmegesuch habe, weil Angaben betreffend weitere in Österreich subsidiär schutzberechtigte Familienangehörige (Mutter und Bruder des volljährigen Revisionswerbers) gefehlt hätten, nicht sämtliche zweckdienlichen Informationen enthalten, sodass es der zuständigen spanischen Behörde nicht möglich gewesen sei, nach innerstaatlichem spanischem Asylrecht die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung zur Aufnahme des Revisionswerbers zu prüfen. Zudem liege insofern eine Verletzung der Begründungspflicht vor, als das Verwaltungsgericht lediglich auf den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt verwiesen und sich nicht mit sämtlichen in der Beschwerde vorgebrachten relevanten Einwänden auseinandergesetzt habe. Da der Revisionswerber durchgehend darauf hingewiesen habe, dass sein in Österreich bestehendes, schützenswertes Familienleben seiner Überstellung nach Spanien zwingend entgegenstehe, wäre die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen. Die Revision erweist sich als nicht zulässig.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes macht die grundrechtskonforme Interpretation des AsylG 2005 eine Bedachtnahme auf die - in Österreich in Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK notwendig. Die Asylbehörden müssen daher bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch Art. 8 EMRK berücksichtigen und bei einer drohenden Verletzung dieser Vorschrift das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin III-VO ausüben (VwGH 2.1.2017, Ra 2016/18/0235, 0239).

10 In diesem Zusammenhang vermag die Revision nicht darzulegen, dass die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, es liege fallbezogen kein schützenswertes Familienleben unter Erwachsenen im Sinn von Art. 8 EMRK vor, unvertretbar wäre.

11 Soweit die Revision auf innerstaatliche asylrechtliche Regelungen Spaniens verweist und als Hypothese in den Raum stellt, die zuständige spanische Behörde hätte bei Kenntnis der in der Revision angeführten Umstände die Aufnahme des Revisionswerbers gestützt auf Art. 17 Dublin III-VO ablehnen können, ist festzuhalten, dass die Dublin III-VO in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt; die dort enthaltenen Zuständigkeitskriterien und Verfahrensbestimmungen können nicht von den Mitgliedstaaten abweichend geregelt werden (VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0296). Dass die im vorliegenden Fall maßgeblichen Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO, deren korrekte Anwendung im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung zu prüfen ist (siehe EuGH 26.7.2017, A.S. gegen Republik Slowenien, C- 490/16 ; 7.6.2016, Ghezelbash, C-63/15 ), durch das Bundesverwaltungsgericht unzutreffend beurteilt worden wären, zeigt die Revision nicht auf.

12 Wenn in der Zulässigkeitsbegründung, ohne die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen substantiiert in Frage zu stellen, das Vorliegen von Begründungsmängeln behauptet und die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts als nicht ausreichend ausführlich dargelegt erachtet wird, mangelt es schon an der Darstellung der Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel (vgl. etwa VwGH 1.2.2018, Ra 2017/18/0337, mwN).

13 Dem weiteren Vorbringen in der Revision, wonach ein Verstoß gegen die Verhandlungspflicht vorliege, ist entgegenzuhalten, dass im asylrechtlichen Zulassungsverfahren besondere Verfahrensvorschriften zu beachten sind. Mit dem zwischen den Absätzen 3, 6a und 7 des § 21 BFA-VG zueinander bestehenden Verhältnis hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/19/0072, näher befasst. Dass das Bundesverwaltungsgericht von den dort genannten Leitlinien abgewichen wäre, legt die Revision nicht dar.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. September 2018

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