VwGH Ra 2018/14/0084

VwGHRa 2018/14/008426.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, über die Revision des 1. A, der 2. B, des 3. C, der 4. D, und des 5. E, alle vertreten durch Mag. Michaela Krömer, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 2018,

  1. 1) Zl. W234 2137576-2/4E, 2) Zl. W234 2137580-2/3E,
  2. 3) Zl. W234 2137583-2/3E, 4) Zl. W234 2137588-2/3E und
  3. 5) Zl. W234 2137585-2/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z23;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §68 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140084.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind verheiratet, die Dritt- bis Fünftrevisionswerber sind deren minderjährige Kinder. Die Revisionswerber, Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellten am 15. Juni 2016 (teilweise neuerliche) Anträge auf internationalen Schutz.

2 Als Begründung brachten sie vor, dem Erstrevisionswerber sei wegen der behaupteten Unterstützung von Rebellen gedroht worden, die notwendige Dialysebehandlung nicht mehr zu ermöglichen.

3 Mit Bescheiden vom 3. Oktober 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge auf internationalen Schutz ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerber in die Russische Föderation zulässig sei.

4 Mit Erkenntnis vom 8. Mai 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber im hier maßgeblichen Umfang als unbegründet ab.

5 Am 15. Dezember 2017 stellten die Revisionswerber neuerlich Anträge auf internationalen Schutz. Als Begründung brachten sie vor, der Erstrevisionswerber werde weiterhin von den Sicherheitsbehörden bzw. dem Militär gesucht; die Fluchtgründe aus dem vorhergehenden Verfahren würden weiterhin bestehen. Zudem sei der Erstrevisionswerber schwer krank; sein gesundheitlicher Zustand habe sich seit Oktober 2017 verändert. Er werde als Dialysepatient in Tschetschenien nicht behandelt.

6 Mit Bescheiden vom 10. Februar 2018 wies das BFA die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerber in die Russische Föderation zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diese Entscheidungen erhobenen Beschwerden ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer hier nicht relevanten Maßgabe als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 1896-1900/2018-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Die außerordentliche Revision begründet die Zulässigkeit erkennbar damit, dass sich der Gesundheitszustand des Erstrevisionswerbers nach Abschluss des Verfahrens vor dem BFA verschlechtert habe; der Erstrevisionswerber habe dem Bundesverwaltungsgericht dazu neue ärztliche Atteste zukommen lassen und eine mündliche Verhandlung zur Klärung der Sachlage beantragt. Das Bundesverwaltungsgericht habe jedoch in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Unrecht eine entschiedene Sache gemäß § 68 AVG angenommen, sich mit den vorgebrachten Ergänzungen nicht auseinandergesetzt und zu Unrecht die beantragte mündliche Verhandlung entfallen lassen. Auch weiche das Erkenntnis "in Bezug auf die Länderberichte" von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (gemeint wohl: zum Entfall der mündlichen Verhandlung) ab.

13 Soweit die Revision das Vorliegen einer entschiedenen Sache unter Hinweis auf erst im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte ärztliche Urkunden bestreitet, ist ihr zu erwidern, dass die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen hat (VwGH 24.6.2014, Ra 2014/19/0018). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0198, mwN). Mit ihrem Vorbringen kann die Revision daher kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wann eine entschiedene Sache vorliegt, aufzeigen.

14 Soweit sich die Revision - hinsichtlich der Zurückweisung der Anträge auf internationalen Schutz - gegen den Entfall der mündlichen Verhandlung wendet, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der auch in nach dem BFA-VG zu führenden Verfahren die Abs. 1 bis 3 und der Abs. 5 des § 24 VwGVG anzuwenden sind. Soweit es die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG betrifft, ist auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu verweisen, wonach die Verhandlung (u.a. dann) entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Dieses Ermessen ist jedenfalls im Licht des Art. 6 EMRK zu handhaben. Dies gilt sinngemäß auch für Art. 47 GRC (VwGH 18.5.2017, Ra 2017/20/0118, mwN; 18.10.2017, Ra 2017/19/0226). Dass das Verfahren insoweit fehlerhaft gewesen wäre, zeigt die Revision fallbezogen nicht auf.

15 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in den Zulässigkeitsgründen konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (VwGH 30.4.2018, Ra 2018/01/0173, mwN; 2.8.2018, Ra 2018/19/0376).

16 Diesen Anforderungen wird das Zulässigkeitsvorbringen, insoweit es - insbesondere unter Hinweis auf nicht näher konkretisierte "Länderberichte" - ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Entfall der mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in den Raum stellt und dazu einzelne Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zitiert, ohne jedoch irgendeinen konkreten Bezug zum vorliegenden Fall herzustellen, nicht gerecht.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. September 2018

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