Normen
VStG §22 Abs2;
VStG §22;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §52 Abs8;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020062.L00
Spruch:
1.) zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die Vorschreibung der Kosten des Strafverfahrens betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2.) den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 30. August 2016 wurde der Revisionswerber einer Übertretung des § 15 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 2 Abs. 1 Vorarlberger Wettengesetz schuldig erkannt. Dem Revisionswerber wurde als zur Vertretung nach außen berufenem Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft mit näheren Konkretisierungen vorgeworfen, er habe es zu verantworten, dass am 5. Mai 2016 um 12.00 Uhr sowie um 12.24 Uhr und am 22. März 2016 um 12.12 Uhr sowie um 12.19 Uhr gewerbsmäßig Wettkunden vermittelt worden seien und somit die Tätigkeit eines Wettunternehmers ausgeübt worden sei, obwohl die Gesellschaft nicht im Besitz einer hierfür erforderlichen Bewilligung gewesen sei. Über den Revisionswerber wurde eine Geldstrafe von EUR 2.000,-
- (Ersatzfreiheitsstrafe 26 Stunden) verhängt.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht keine Folge. Es bestätigte das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, änderte den Spruch aber dahingehend ab, dass es für die Übertretungen am 5. Mai 2016, 12.00 Uhr (Spruchpunkt 1.), am 5. Mai 2016, 12.24 Uhr (Spruchpunkt 2.), am 22. März 2016, 12.12 Uhr (Spruchpunkt 3.) sowie am 22. März 2016 um 12.19 Uhr (Spruchpunkt 4.) Geldstrafen von je EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je sechs Stunden) verhängte.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Gemäß § 1 Abs. 2 Vorarlberger Wettengesetz, LGBl. Nr. 18/2003 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 9/2012, ist Wettunternehmer, wer Wetten gewerbsmäßig abschließt (Buchmacher), wer Wetten gewerbsmäßig vermittelt (Totalisateur) oder wer Wettkunden gewerbsmäßig vermittelt (Vermittler von Wettkunden).
7 Gemäß § 2 Abs. 1 Vorarlberger Wettengesetz, LGBl. Nr. 18/2003, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 9/2012 bedarf die Tätigkeit eines Wettunternehmers in einer oder mehreren Betriebsstätten im Land einer Bewilligung der Landesregierung.
8 Gemäß § 15 Abs. 1 lit. a Vorarlberger Wettengesetz, LGBl. Nr. 18/2003, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 44/2013 begeht eine Übertretung, wer die Tätigkeit als Wettunternehmer ohne die erforderliche Bewilligung oder Berechtigung aufgrund einer Anzeige ausübt.
9 Der Revisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision vor, dass eine gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkunden die Vermittlung einer Mehrzahl von Wettkunden voraussetze bzw. zumindest aber die Vermittlung einer Mehrzahl von Wettkunden vom Gesamtkonzept - wie im gegenständlichen Fall - umfasst sei. Es sei daher vom Verwaltungsgericht nicht jede vermittelte Wette als gesonderte Verwaltungsübertretung zu bestrafen gewesen. Der Revisionswerber ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass es sich gegenständlich um ein fortgesetztes Delikt handle. Das angefochtene Erkenntnis stehe seiner Meinung nach im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum fortgesetzten Delikt.
Mit dieser Ansicht ist der Revisionswerber nicht im Recht:
10 Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht den Spruch des Straferkenntnisses insofern abgeändert hat, als anstelle der Gesamtstrafe von EUR 2.000,-- für die Vermittlung von Wettkunden an zwei verschiedenen Tagen zu je zwei verschiedenen Tatzeiten jeweils Einzelstrafen von vier Mal je EUR 500,-- verhängt wurden. Das Verwaltungsgericht ging erkennbar davon aus, dass am 5. Mai 2016 sowie am 22. März 2016 jeweils zu unterschiedlichen Uhrzeiten Wettkunden vermittelt wurden, wobei pro vermitteltem Wettkunden je eine Einzelstrafe verhängt wurde.
11 Für das Verwaltungsstrafverfahren gilt beim Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsübertretungen, anders als im gerichtlichen Strafverfahren, nach § 22 Abs 2 erster Satz VStG das Kumulationsprinzip. Danach ist grundsätzlich jede gesetzwidrige Einzelhandlung, durch die der Tatbestand verwirklicht wird, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs beim fortgesetzten Delikt bzw. beim Dauerdelikt (vgl. VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108 mwH). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein fortgesetztes Delikt vor, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und wegen der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentraten (vgl. VwGH 16.2.2012, 2010/01/0009).
Um von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, müssen die Einzelakte von einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss, vom sogenannten Gesamtvorsatz getragen sein, das heißt, der Täter muss von vornherein ein bestimmtes Endziel ins Auge gefasst haben, das er durch die Begehung mehrerer Teilakte, somit schrittweise, erreichen will. Von einem solchen Gesamtvorsatz kann daher nur dann gesprochen werden, wenn der Täter den angestrebten Enderfolg von Anfang an in seinen wesentlichen Umrissen erfasst hat, sodass sich die einzelnen Akte zu dessen Erreichung nur als Teilhandlungen eines (von vornherein gewollt vorhandenen) Gesamtkonzeptes darstellen. Erst dieser innere Zusammenhang lässt die Einzelakte nur als sukzessive Verwirklichung des einheitlich gewollten Ganzen erscheinen (vgl. VwGH 6.5.1996, 96/10/0045).
12 Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, die Tätigkeit eines Wettunternehmers bewilligungslos ausgeübt zu haben, weil an mehreren Tagen bzw. zu unterschiedlichen Uhrzeiten Wettkunden an einen Buchmacher zum Abschluss jeweils konkret bezeichneter Wetten vermittelt wurden.
13 Der vorliegende Sachverhalt erfüllt die Merkmale eines fortgesetzten Deliktes nicht. Zunächst ist vorauszuschicken, dass jedenfalls hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 2. gegenüber den beiden anderen Spruchpunkten bereits der erforderliche zeitliche Zusammenhang fehlt. Insbesondere ist aber hinsichtlich aller ihm vorgeworfenen - im Übrigen nicht bestrittenen - Übertretungen nicht zu erkennen, dass beim Revisionswerber in der hier gegenständlichen Konstellation ein vorgefasster einheitlicher Willensentschluss, der sich im Übrigen auch auf die Gewerbsmäßigkeit zu beziehen hat (vgl. VwGH 18.10.1989, 89/02/0073 mwH), vorgelegen wäre. Es ist nicht erkennbar, welches "Endziel" im Sinne der zitierten Rechtsprechung der Revisionswerber von vornherein ins Auge gefasst hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei der zu verschiedenen Tatzeiten vorgenommenen Vermittlung von Wettkunden anhand unterschiedlicher sportlicher Veranstaltungen jeweils ein eigener Willensentschlusses vorgelegt hat, weshalb nicht von einem fortgesetzten Delikt ausgegangen werden kann. In diesem Zusammenhang ist der Revisionswerber auch auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach der allgemeine Entschluss, eine Reihe gleichartiger strafbarer Handlungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu begehen, nicht ausreicht, um subjektiv einen Fortsetzungszusammenhang zu begründen (vgl. VwGH 3.4.2008, 2007/09/0183).
14 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in diesem Umfang zurückzuweisen.
15 Hinsichtlich der vorgeschriebenen Kosten des Strafverfahrens erweist sich die Revision allerdings als zulässig und begründet:
Der Revisionswerber bringt diesbezüglich vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen sind, wenn der Beschwerde (teilweise) Folge gegeben wird (Hinweis auf VwGH 7.6.2017, Ra 2017/17/0017 und 2.9.2014, Ra 2014/17/0019). Mit dieser Ansicht ist der Revisionswerber im Recht. Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall die von der Behörde mit 26 Stunden festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe auf vier Mal sechs Stunden, somit auf insgesamt 24 Stunden, herabgesetzt. In einem derartigen Fall ist die Vorschreibung von Kosten nicht zulässig (vgl. VwGH 7.9.1995, 94/09/0164; zur insoweit weiterhin anwendbaren Judikatur zu § 65 VStG vgl. VwGH 29.6.2016, Ra 2016/09/0033).
Das angefochtene Erkenntnis war daher hinsichtlich des Kostenausspruches wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Wien, am 2. Mai 2018
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