Normen
B-VG Art130 Abs1 Z2;
B-VG Art132 Abs2;
GSpG 1989 §50 Abs4;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170925.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Am 22. Februar 2017 wurde von der belangten Behörde durch ihre Organe in einem von der revisionswerbenden Partei betriebenen Lokal in D eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) durchgeführt. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 2017 wurde gegenüber der revisionswerbenden Partei gemäß § 56a Abs. 1 und 3 GSpG die Betriebsschließung dieses Lokals in D verfügt. Am 23. Februar 2017 wurde von einem Organwalter der belangten Behörde dieses Lokal in Anwesenheit eines Hausbetreuers erneut aufgesucht und von Letzterem der Hauptwasserhahn zu- sowie der Strom abgedreht.
2 Am 4. April 2017 erhob die revisionswerbende Partei wegen des Anbringens von Amtssiegeln an der Eingangstür am 22. Februar 2017, wegen der Durchführung einer Hausdurchsuchung am 22. Februar 2017, wegen des "Durchbrechens einer Decke zwischen Untergescho(ß) und Erdgescho(ß)" am 22. Februar 2017 sowie wegen der Durchführung einer Hausdurchsuchung am 23. Februar 2017 Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde betreffend das behauptete Durchbrechen der Decke am 22. Februar 2017 und die Durchführung einer Hausdurchsuchung am 22. Februar 2017 als unbegründet ab. Die revisionswerbende Partei wurde zum Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens an den Bund in Höhe von EUR 3.376,60 verpflichtet. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG die Beschwerde betreffend die Anbringung von Amtssiegeln an der Eingangstüre am 22. Februar 2017 und eine behauptete Hausdurchsuchung am 23. Februar 2017 als unzulässig zurück. Weiters erklärte das LVwG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
4 Das LVwG stellte folgenden Sachverhalt fest:
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft D vom 20. Jänner 2017 sei gegenüber der revisionswerbenden Partei die Betriebsschließung angedroht und diese aufgefordert worden, Glücksspiele einzustellen und keine weiteren Glücksspiele mehr durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. Anlässlich der Kontrolle am 22. Februar 2017 sei unter Beiziehung der Feuerwehr D die Eingangstüre zwangsweise geöffnet worden, da trotz des mehrmaligen Klopfens und der mehrmaligen diesbezüglichen Aufforderung die Eingangstüre nicht geöffnet worden sei. Dabei seien im Kellergeschoss Glücksspielgeräte gefunden worden. Die Verbindungstür, welche als eine Art Falltüre ausgeführt gewesen sei und zum Keller geführt habe, sei zum Kontrollzeitpunkt mit einem Vorhängeschloss gesichert gewesen, welches unter Beiziehung der Feuerwehr D geöffnet worden sei. Die Fassadengestaltung sei bei beiden Lokalen einheitlich gewesen. Im Rahmen dieser Sichtung sei keine systematische Durchsuchung durchgeführt worden.
Am 23. Februar 2017 sei die Betriebsstätte neuerlich von der Bezirkshauptmannschaft D in Begleitung des Hausbetreuers aufgesucht worden. Dabei sei die Wasser- und Stromzufuhr zum ganzen Lokal abgestellt worden, worüber die revisionswerbende Partei nicht verständigt worden sei.
5 Nach Darstellung der Überlegungen zur Beweiswürdigung führte das LVwG rechtlich aus, dass die zwangsweise Öffnung der Tür sowie die Kontrolle nach dem GSpG eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt darstelle. Die Siegel seien im Zuge der Betriebsschließung angebracht worden, sodass aufgrund des subsidiären Charakters der Maßnahmenbeschwerde das Anbringen der Siegel im Betriebsschließungsverfahren geltend zu machen sei; diesbezüglich sei die Beschwerde daher zurückzuweisen. Es könne jedoch nicht als ein Akt von Zwangsgewalt angesehen werden, wenn eine Behörde eine versiegelte und außer Betrieb stehende Räumlichkeit betrete, um die Strom- und Wasserversorgung abzudrehen; auch die diesbezügliche Beschwerde sei daher zurückzuweisen. Aufgrund des begründeten Verdachtes, dass in dem Lokal Glücksspiele durchgeführt würden, sei das Aufbrechen des Schlosses vertretbar und verhältnismäßig gewesen. Eine Hausdurchsuchung habe nicht stattgefunden. Die darauf Bezug nehmenden Beschwerden seien daher abzuweisen. Da vier Verwaltungsakte angefochten worden seien, sei der Schriftsatzbzw. Verhandlungsaufwand viermal zu ersetzen.
6 Gegen diese Entscheidungen richtet sich die außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Hat das Verwaltungsgericht - wie hier - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0048, mwN).
12 Die Revision erweist sich als unzulässig:
Anbringen von Amtssiegeln:
13 Soweit die revisionswerbende Partei vorbringt, es gebe betreffend die Zulässigkeit des Anbringens eines Amtssiegels in Betriebsschließungsverfahren nach ihrer Ansicht keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, verkennt sie, dass das LVwG ihre diesbezügliche Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass diese Frage im Betriebsschließungsverfahren zu klären sei. Dagegen enthält die Revision jedoch kein Vorbringen. Somit wird keine für das vorliegende Verfahren präjudizielle Rechtsfrage aufgeworfen, weil sich das LVwG mit der Frage der Zulässigkeit des Anbringens von Amtssiegeln aufgrund einer anderen Rechtsauffassung - die von der revisionswerbenden Partei jedoch nicht bekämpft wird - in seinem Beschluss gar nicht auseinander gesetzt hat (vgl. zum Erfordernis der Präjudizialität einer Rechtsfrage: VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021).
Berechnung des Kostenersatzanspruches:
14 Wenn sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Vorschreibung der Kosten nach § 35 VwGVG wendet, so ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Revision nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, wenn sich diese Rechtsfrage innerhalb des Revisionspunktes - das ist das vom Revisionswerber selbst definierte Prozessthema - stellt (vgl. z. B. VwGH 29.6.2017, Ra 2017/16/0076; 29.3.2017, Ra 2016/10/0005; 24.11.2016, Ro 2014/07/0037).
15 Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2015/16/0137, mwN).
16 Die revisionswerbende Partei hat in ihrem mit
"3. Revisionspunkte und Anfechtungserklärung" überschriebenen Vorbringen die Verletzung im subjektiv-öffentlichen Recht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der behaupteten Zwangsmaßnahmen geltend gemacht, jedoch keine Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der Auferlegung des Kostenersatzes behauptet. Es wird daher mit dem Zulässigkeitsvorbringen im Zusammenhang mit der Kostenvorschreibung der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens verlassen. Schon deshalb war die Revision in diesem Umfang zurückzuweisen.
Hausdurchsuchung am 23. Februar 2017:
17 Unter der Überschrift "2.1.3 Zurückweisung der Beschwerde betreffend die Hausdurchsuchung am 23. Februar 2017, Verstoß gegen die ständige Judikatur des VwGH" bringt die Revision im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung vor, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen näher genannte hg. Rechtsprechung, "zumal am 23.02.2017 von der belangten Behörde () ohne Kenntnis bzw Verständigung der Revisionswerberin () erneut deren Geschäftslokal betreten wurde(,) um sämtliche Versorgungsleitungen abzudrehen".
18 Dabei übersieht die revisionswerbende Partei, dass das bloße Betreten einer Liegenschaft von einer Hausdurchsuchung zu unterscheiden ist, wobei sowohl das zwangsweise Betreten einer Liegenschaft als auch die Durchführung einer Hausdurchsuchung jeweils als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren wäre (vgl. VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937).
Die revisionswerbende Partei hatte in ihrer Maßnahmenbeschwerde betreffend den 23. Februar 2017 beantragt, die Durchführung einer Hausdurchsuchung durch die BH für rechtswidrig zu erklären. Das LVwG hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass kein zwangsweises Betreten des am Vortag versiegelten Lokals stattgefunden habe. Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, das sich nur auf ein zwangsweises Betreten bezieht, wird im Revisionsfall jedenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt (vgl. zum Prozessthema einer Maßnahmenbeschwerde: VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0287).
Zum sonstigen Zulässigkeitsvorbringen:
19 Dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei, das Landesverwaltungsgericht habe mit der Nichtaufnahme von Beweisen gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen, ist entgegenzuhalten, dass die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang aufgezeigt wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen. Mit dem alleinigen Zulässigkeitsvorbringen, das LVwG habe die Beweisanträge als Erkundungsbeweise abgewiesen, was mit der Judikatur des "OGH" nicht im Einklang stehe, gelingt es der revisionswerbenden Partei nicht, eine Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels darzulegen. Hinsichtlich der nun gerügten Unterlassung der Einvernahme des Zeugen C ist der revisionswerbenden Partei entgegenzuhalten, dass sie weder in ihrer Beschwerde noch in den danach eingebrachten Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf dessen Einvernahme zu einem bestimmten Beweisthema gestellt hat. Wenn das LVwG daher nach Durchführung der Einvernahmen der übrigen Zeugen aufgrund deren übereinstimmenden Angaben zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt sei und die Verhandlung daher geschlossen hat, ist dieser Beurteilung im Rahmen der Rechtskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten. Ein relevanter Verfahrensmangel wurde daher nicht aufgezeigt.
20 Soweit die revisionswerbende Partei schließlich vorbringt, dass das LVwG Ermittlungstätigkeiten unterlassen habe, weil die belangte Behörde entweder in ihren Räumlichkeiten oder in jenen einer anderen Gesellschaft eine Lade geöffnet und deren Inhalt fotografiert habe, wird damit ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:
21 Das LVwG hat ein Beweisverfahren durchgeführt und näher begründete Feststellungen getroffen. Da die revisionswerbende Partei nicht genau angibt, in wessen Räumlichkeiten diese Lade geöffnet worden sein soll, wird damit keine konkrete Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels (nämlich der behaupteten fehlerhaften Ermittlungstätigkeit) für das hier zu entscheidende Verfahren aufgezeigt (vgl. VwGH 16.1.2018, Ra 2017/22/0212).
22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat mit Beschluss zurückzuweisen.
23 Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
24 Ein Ausspruch über Aufwandersatz für die von der Bezirkshauptmannschaft erstattete Revisionsbeantwortung kam nicht in Betracht, weil die belangte Behörde keinen Aufwandersatz beantragt hat (§ 59 Abs. 1 VwGG).
Wien, am 24. April 2018
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