VwGH Ra 2017/17/0910

VwGHRa 2017/17/091031.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision 1. der U G s.r.o., 2. der L L KEG, 3. des M D und 4. des S L, alle vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien vom 30. März 2017, VGW- 002/V/064/3508/2016-38, VGW-002/V/064/3542/2016-38, VGW- 002/V/064/1146/2017-38, VGW-002/064/1145/2017-38, VGW- 002/064/1148/2017-38, VGW-002/064/3507/2016-38, VGW- 002/064/3541/2016-38 und VGW-002/V/064/1149/2017-38, betreffend Beschlagnahme, Einziehung und Bestrafung nach dem Glücksspielgesetz, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art133 Abs4;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §54 Abs2;
VStG §44a Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170910.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 27. Jänner 2016 sprach die Landespolizeidirektion Wien die Beschlagnahme und Einziehung von vier anlässlich einer Kontrolle im Lokal der zweitrevisionswerbenden Partei vorgefundenen Glücksspielgeräten aus.

2 Mit Straferkenntnis vom 11. Jänner 2017 erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Viertrevisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der zweitrevisionswerbenden Partei zu verantworten gehabt habe, dass diese in ihrem Lokal mit den vier Glücksspielgeräten verbotene Ausspielungen zugänglich gemacht habe. Weiters wurde die Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei ausgesprochen.

3 Mit einem weiteren Straferkenntnis vom 11. Jänner 2017 erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Drittrevisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG für schuldig, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der erstrevisionswerbenden Partei zu verantworten gehabt habe, dass diese in dem oben genannten Lokal mit den vier Glücksspielgeräten verbotene Ausspielungen veranstaltet habe. Weiters wurde die Haftung der erstrevisionswerbenden Partei ausgesprochen.

4 Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der erstrevisionswerbenden Partei gegen die Einziehung zurück und gab den Beschwerden gegen die Bestrafung insofern Folge, als es jeweils den Tatzeitraum einschränkte und die Strafhöhe herabsetzte. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, die mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung betreffend den Ausspruch der Einziehung verbunden wurde.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision rügt in der Zulässigkeitsbegründung, aus den durch die angefochtene Entscheidung modifizierten Sprüchen der beiden Straferkenntnisse gehe nicht hervor, dass die in einem Nebenraum befindlichen Glücksspielgeräte nur mit "Bons" betrieben hätten werden können, die bei einem "Boniergerät" im Lokal erworben hätten werden können. Damit übersieht die Revision aber, dass es zur Beurteilung, ob eine verbotene Ausspielung veranstaltet bzw. zugänglich gemacht wird, nicht auf den Umstand ankommt, ob ein Glücksspielgerät selbst den Einsatz in Form von Münzen oder Banknoten entgegennimmt bzw. selbst einen allfälligen Gewinn ausfolgt. Das Vorbringen, dass lediglich in der Begründung des Straferkenntnisses ausgeführt wird, in welcher Form im Revisionsfall die vermögenswerten Leistungen durch die Spieler erbracht worden sind, vermag daher keinen Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des Straferkenntnisses aufzuzeigen. Auch wenn das Boniergerät nicht beschlagnahmt wurde, so ändert dies im Übrigen nichts an der Strafbarkeit von verbotenen Ausspielungen mit Geräten mit Internetverbindungen (vgl. VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021).

10 Die Revision weist überdies darauf hin, dass die Bildschirme der Geräte bei der Kontrolle "eingefroren" gewesen seien und schließt daraus auf das Fehlen der Betriebsbereitschaft der Geräte, sodass die Beschlagnahme unzulässig gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine solche Spielbereitschaft noch nicht durch jederzeit unmittelbar reversible Maßnahmen beendet wird. Die konkrete Beurteilung einer Maßnahme als derart reversibel und die sich daraus ergebende Betriebsbereitschaft hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; eine diesbezügliche Feststellung obliegt dem Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn die Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. z. B. VwGH 31.5.2017, Ra 2015/17/0077, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung ist aber im Revisionsfall nicht ersichtlich. Dasselbe gilt auch zum Vorbringen des Fehlens eines ausreichend substantiierten Verdachts, zumal das Verwaltungsgericht im Revisionsfall - entgegen dem Revisionsvorbringen - ausführliche Feststellungen zu den angebotenen Spielen und den dabei verwendeten Bons getroffen hat.

11 Die Revision bestreitet das Verschulden der zweit- und viertrevisionswerbenden Parteien (das sind die Lokalinhaberin und ihr Geschäftsführer), die auf ein nicht näher bezeichnetes Gutachten eines Sachverständigen vertrauen hätten können. Aus diesem hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Verwendung des im Lokal befindlichen Boniergerätes für verbotene Glücksspiele ergeben. Es habe auch sonst keine Anhaltspunkte gegeben, dass in dem von der Lokalinhaberin an die erstrevisionswerbende Partei vermieteten Nebenraum Glücksspiele veranstaltet worden seien. Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision vom unstrittig festgestellten Sachverhalt, sodass schon deshalb mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird.

12 Die Revision behauptet, dass im Hinblick auf die Möglichkeit von online-Glücksspielen auf den Geräten eigentlich der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 6 GSpG zur Anwendung gelangen hätte müssen. Dabei entfernt sie sich aber vom festgestellten Sachverhalt, bei dem von einer bloßen Förderung oder Ermöglichung von Glücksspielen im Sinne der genannten Bestimmung nicht die Rede sein kann.

13 Hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, bestimmte Beweise aufzunehmen, ist darauf hinzuweisen, dass in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann vorläge, wenn dieses Vorgehen grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (VwGH vom 23.6.2017, Ra 2016/08/0141). Solches wird in der Revision aber nicht aufgezeigt.

Auch mit dem Vorbringen, das Gericht sei nicht auf die Vorlage des Disclaimers durch die revisionswerbenden Parteien eingegangen, wird noch nicht dargelegt, dass dem Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Verschuldens, in dem im Übrigen sehr wohl auf jeden "Disclaimer" eingegangen wurde, ein Fehler unterlaufen wäre.

14 Die Revision misst der Bestimmung des § 54 Abs. 2 GSpG, wonach die Einziehung "mit selbständigem Bescheid" zu verfügen ist, die Bedeutung bei, dass mit dem Einziehungsbescheid nicht auch die Beschlagnahme ausgesprochen werden dürfe. Dabei übersieht sie aber, dass durch die Verwendung des Wortes "selbständig" lediglich die Unabhängigkeit der Einziehung vom Ausgang von allfälligen damit im Zusammenhang stehenden Strafverfahren zum Ausdruck gebracht wird (vgl. die Erl. zur RV BGBl. I Nr. 73/2010). Dass in dem Bescheid, mit dem die Einziehung verfügt wird, keine anderen behördlichen Anordnungen enthalten sein dürfen, lässt sich daraus hingegen nicht schließen.

15 Die Revision rügt zwar auch, das Verwaltungsgericht hätte im Revisionsfall wegen der Geringfügigkeit der Verstöße gegen das GSpG von der Einziehung absehen müssen, unterlässt es aber darzulegen, woraus sich eine solche Geringfügigkeit ergeben hätte, weshalb schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird.

16 Zum Zulässigkeitsvorbringen hinsichtlich der Kohärenzprüfung und "Prüfung der Unionsrechtswidrigkeit" ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH vom 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C- 347/09 , Rn. 83 f; vom 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; vom 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Von dieser - weiterhin anwendbaren - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall jedenfalls im Ergebnis nicht abgewichen.

17 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (VwGH vom 5.10.2017, Ra 2017/17/0332).

18 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

19 Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

20 Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 31. Jänner 2018

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