Normen
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art168 lite;
62014CJ0187 DSV Road VORAB;
62017CC0531 Vetsch Int. Transporte Schlussantrag;
BAO §115;
BAO §21 Abs1;
BAO §269 Abs1;
UStG 1994 §1 Abs1 Z1;
UStG 1994 §12 Abs1 Z2 lita;
UStG 1994 §12 Abs1 Z2 litb;
UStG 1994 §12;
UStG 1994 §6;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017150022.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 11. Dezember 2014 wurde festgehalten, aus China gelangten Waren (im Wesentlichen Bekleidung, Schuhe, Handtaschen) zunächst in den slowenischen Seehafen Koper und würden von dort in den weitaus überwiegenden Fällen nach Österreich verbracht, hier verzollt und sodann nach Italien und Ungarn weitergeleitet; in einigen Fällen erfolge auch eine direkte Beförderung von Koper nach Ungarn oder Italien. In China ansässige Unternehmen würden dabei als Lieferer auftreten und Rechnungen ausstellen; die Mitbeteiligte werde in den Rechnungen als Empfänger (Käufer) angegeben; sie verrechne diese Waren an verschiedene Abnehmer in Italien oder Ungarn. Mit der Abwicklung der Einfuhrformalitäten sei eine Spedition beauftragt worden; die Mitbeteiligte werde Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer.
2 Die Mitbeteiligte sei in den Bestellvorgang hinsichtlich der Waren selbst nicht involviert; die Bestellungen würden zur Gänze von den Abnehmern in Italien vorgenommen, indem sie diese entweder selbst an die Unternehmen in China senden oder über ein von der Mitbeteiligten beauftragtes drittes Unternehmen (L GmbH) abwickeln ließen. Die L GmbH erhalte von der Mitbeteiligten dafür eine Provision.
3 Die Mitbeteiligte habe sowohl mit den Abnehmern als auch den Lieferanten Grundverträge ("business contracts") mit im Wesentlichen folgenden Inhalten geschlossen:
a) betreffend Lieferanten:
1. Vertragsgegenstand sei der Zwischenhandel zwischen der Mitbeteiligten (A) und dem chinesischen Lieferanten (B)
2. Vertragsinhalt:
A kaufe Frachtgut und verkaufe es vereinbarungsgemäß per Container an Kunden in der EU;
B erhalte die Zahlung des Rechnungsbetrags und Warenwerts direkt vom Endabnehmer;
A verrechne B nach der Lieferung ein Entgelt für seinen Aufwand;
als Lieferkondition gelte ¿DDP', vertragsgemäß würden
Frachtkosten und Zoll (Abgaben) dem Lieferanten B von dem von ihm bekannt gegebenen Transportunternehmen in Rechnung gestellt;
B sei für die Qualität der Produkte verantwortlich, diese müsse den Vorschriften der EU entsprechen;
A akzeptierte keine Waren, bei denen es sich um Produktpiraterie handle;
Mängelbeschwerden würden direkt von den Endabnehmern an B gerichtet;
A übernehme keine Haftung für allfällige Zahlungsausfälle oder Zahlungsverzug zwischen den Endabnehmern und B;
der Rechnungspreis müsse dem echten Warenwert entsprechen, dies werde vom Lieferer auch garantiert.
3. Leistungen, zu denen die Mitbeteiligte verpflichtet sei:
Abwicklung der Zollformalitäten im eigenen Namen eingehende Kommunikation mit dem Frachtführer bei der Lieferung der Container
sorgfältige Prüfung der Importdokumente auf ihre Richtigkeit für die Abwicklung der Einfuhrformalitäten
Rechnungslegung an die Endabnehmer in der EU auf Basis des Handelsvertrags
ordnungsgemäße steuerliche Behandlung jedes einzelnen Containers und jeder Rechnung
monatliche Umsatzsteuererklärungen an die österreichischen
Steuerbehörden
Extrastat-Bericht für jeden Container
b) Vereinbarung mit einem Kunden (hier etwa in Italien)
Der Käufer versichert, in den Streitjahren Bestellungen von Waren aus dem Sortiment, die vom Vertragspartner der Mitbeteiligten in China hergestellt wird, vorzunehmen;
das Sortiment und die Menge werden wunschgemäß über den Vertreter (L GmbH) angefordert;
die Qualitätskontrolle der Waren wird zum Teil direkt vom Endabnehmer in China nach Abschluss der Produktion organisiert werden;
die Zahlungsvereinbarung lautetet ¿DDP Door IT' grundsätzlich 90 Tage nach Auslieferung direkt an den Produzenten in China;
ordnungsgemäße Meldungen an die Finanzverwaltung betreffend Intrastat und Steuern werden vom Abnehmer oder dessen Steuerberater vorgenommen.
4 In einer Niederschrift sei ergänzend angegeben worden, als Lieferkonditionen würden die Incoterms DDP (delivered duties paid) sowie CIF (cost insurance freight) vereinbart. In beiden Fällen erfolgten Verzollung und Transport im Auftrag der Mitbeteiligten. Bei "CIF" erfolge die Zahlung der Frachtkosten von Koper bis zu den einzelnen Entladestellen der Kunden der Mitbeteiligten durch die Mitbeteiligte. Bei "DDP" erfolge die Frachtzahlung durch den Lieferer. Ungeachtet dessen könne die Mitbeteiligte den Container im Einfuhrort in Österreich stoppen.
5 Die hier zu beurteilenden Vorgänge seien nicht darauf gerichtet, der Mitbeteiligten die wirtschaftliche Substanz der Waren so endgültig zuzuwenden, dass gerade die Zuwendung des Gegenstandes den besonderen wirtschaftlichen Gehalt des Vorganges ausmache. Die Mitbeteiligte erwerbe nicht Waren, die sie anschließend weiterliefere und sei auch bei ihrer Einfuhr nicht umsatzsteuerrechtlich über sie verfügungsberechtigt, sodass ein Vorsteuerabzug nicht vorgenommen werden könne.
6 Mit Bescheiden vom 11. Dezember 2014 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für 1/2014 und 4/2014 wieder auf. Weiters setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 sowie für die Zeiträume 1-9/2014 fest. Es verwies dazu - auch zur Begründung der Wiederaufnahme - auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung.
7 Die Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Beschwerde. 8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge. Es änderte den Umsatzsteuerbescheid 2013 ab, hob die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 1 und 4/2014 ersatzlos auf und erklärte die Beschwerde betreffend die zugehörigen Sachbescheide (Umsatzsteuer 1 und 4/2014) als gegenstandslos; die Bescheide betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 2, 3 und 5-9/2014 hob das Bundesfinanzgericht ersatzlos auf. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
9 Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, der Unternehmer könne nur jene Einfuhrumsatzsteuer (als Vorsteuer) abziehen, die für Gegenstände entrichtet worden sei bzw. geschuldet werde, die für sein Unternehmen eingeführt worden seien. Im vorliegenden Verfahren sei zu prüfen, ob die von der Mitbeteiligten und ihren Vertragspartnern gesetzten Vorgänge als Lieferung (mit Verschaffung der Verfügungsmacht über die gelieferten Gegenstände) oder als sonstige Leistung zu beurteilen sei.
10 Aus den zwischen den chinesischen Lieferanten und der Mitbeteiligten geschlossenen Rahmenverträgen gehe hervor, dass der Wille der Vertragsparteien primär darauf ausgerichtet gewesen sei, die im Seewege gelieferten Waren (Container) mit Ausfolgung derselben in Koper in das Eigentum der Mitbeteiligten (Käuferin) zu übertragen. Durch die erfolgte körperliche Übergabe der Waren an den jeweils von der Mitbeteiligten beauftragten Frachtführer (als ihren Vertreter) sei der Mitbeteiligten auch die Verfügungsmacht über die Container bzw. die sich in den Containern befindlichen Handelswaren eingeräumt worden. Die Lieferung der zum Verkauf an verschiedene Unternehmer in der EU bestimmten Waren habe aus Sicht der Vertragsparteien eine Grundvoraussetzung dafür dargestellt, dass die ab Übernahme der Container in Koper von der Mitbeteiligten erbrachten sonstigen Leistungen (Beförderung der Güter nach Fürnitz, Anmeldung für die Verzollung sowie Weiterbeförderung der Waren an die Kunden in Italien und sonstigen Staaten der EU) hätten zustande kommen können.
11 Es sei zutreffend, dass die in den Rahmenverträgen der Mitbeteiligten und ihrer europäischen Kunden enthaltenen Vertragsbedingungen, wonach etwa die Endkunden den Kaufpreis nicht an ihre Vertragspartnerin (die Mitbeteiligte), sondern direkt an die chinesischen Lieferanten zu zahlen hätten, etwaige Gewährleistungsansprüche direkt gegenüber den jeweiligen chinesischen Erzeugern geltend zu machen hätten sowie sich ergebende Zahlungsschwierigkeiten oder -ausfälle von Endkunden zu Lasten der chinesischen Lieferanten gingen, Vertragskautelen seien, die wohl kaum in Handelsgeschäften dieser Art zu finden seien. Die Abwälzung von Preis- und Gewährleistungsrisiko auf den jeweiligen Erzeuger schränke zweifellos das Unternehmerrisiko der Mitbeteiligten beträchtlich ein. Diese Bestimmungen vermöchten aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass der Hauptinhalt der mit den chinesischen Lieferanten abgeschlossenen Rahmenverträge die Lieferung von Containerware darstelle. Im Falle von Leistungsstörungen in der Abwicklung der Kaufgeschäfte zwischen den chinesischen Lieferanten und der Mitbeteiligten wäre es an der Mitbeteiligen gelegen, tätig zu werden und entsprechende Schritte zu setzen.
12 Auch wenn die Vereinbarungen jeweils auch Elemente aus Verträgen zu Gunsten bzw. zu Lasten Dritter enthielten, so ergebe sich eine unmittelbare Berechtigung und Verpflichtung ex contractu nur zwischen den jeweiligen Vertragsparteien. Die Mitbeteiligte habe sich aufgrund der vorliegenden Vertragslage in einer Position befunden, die es ihr nach körperlicher Übernahme der Waren in Koper erlaubt habe, den weiteren Beförderungsvorgang nach Verzollung nicht nur zu stoppen, sondern in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht mit den übernommenen Handelsgütern zu schalten und walten wie eine Eigentümerin. Zwischen den chinesischen Lieferanten und den Kunden der Mitbeteiligten in Europa seien keinerlei Vereinbarungen abgeschlossen worden.
13 Der Umstand, dass die Warenbestellungen der europäischen Endkunden großteils über den Agenten der Mitbeteiligten (L GmbH) abgewickelt worden seien - zum Teil seien die Warenbestellungen auch direkt von den europäischen Endkunden bei den chinesischen Lieferanten erfolgt - stehe der rechtlich und faktisch vorhandenen Dispositionsmöglichkeit der Mitbeteiligten in Bezug auf die gelieferten Gegenstände nicht entgegen. Selbst wenn die Mitbeteiligte nur mittelbar in den Bestellvorgang eingebunden gewesen sei, so würden sämtliche Bestellungen als Bestellungen der Mitbeteiligten gelten.
14 Dass die vorliegende Vertragskonstruktion in Verbindung mit den tatsächlichen Abläufen darauf ausgerichtet gewesen sei, der Mitbeteiligten die Verfügungsmacht über das Frachtgut zu verschaffen, manifestiere sich auch in der Verwendung von handelsrechtlichen Traditionspapieren (Konnossement in Form von Bill of Lading bzw. Seawaybill). Dieses Traditionspapier verkörpere derart das verbriefte Gut, dass die Übereignung des Papiers die Übereignung des Gutes bewirke.
15 Im Hafen Koper sei durch die nach Ausfolgung der Bill of Lading durch Vertreter der Mitbeteiligten an die jeweilige Reederei erfolgte körperliche Übergabe der Containerware der Mitbeteiligten die Verfügungsmacht an den Waren verschafft worden. Der Mitbeteiligten sei nicht bloß faktisch Verfügungsmacht eingeräumt worden, sie sei auch in rechtlicher Hinsicht in die Position versetzt worden, mit den übernommenen Gegenständen wie eine Eigentümerin zu verfügen und diese entsprechend für ihr Handelsgeschäft zu verwenden.
16 Dass ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vorliegen würde, habe das Finanzamt nicht einmal behauptet; derartiges sei auch nicht erkennbar.
17 Die chinesischen Lieferanten hätten ihre an die Mitbeteiligte erbrachten Leistungen (Containerlieferungen) an die Mitbeteiligte fakturiert. Die Mitbeteiligte selbst habe wiederum den Verkauf der Container an ihre jeweiligen Kunden in Europa fakturiert. Sowohl die Kauf- wie auch die Verkaufsvorgänge hätten Eingang in das Rechenwerk der Mitbeteiligten gefunden. Die erworbenen Waren würden daher als für das Unternehmen der Mitbeteiligten bzw. für Zwecke ihrer besteuerten Umsätze eingeführt gelten.
18 Dass die Eingangs- und Ausgangsfakturen in Bezug auf den darin ausgewiesenen Rechnungsbetrag identisch gewesen seien, ergebe sich aus der vorliegenden Geschäftskonstruktion, wonach der Gewinn der Mitbeteiligten pauschal je Container bemessen worden sei und damit bereits in dem von den chinesischen Lieferanten festgelegten Verkaufspreis enthalten (eingepreist) gewesen sei.
19 Die Festlegung einer Gewinnmarge in der vorliegenden Art möge für Geschäfte dieser Art untypisch sein. Der Umstand, dass der Verkaufspreis von den chinesischen Lieferanten vorgegeben sei und das Geschäftsmodell als solches für alle Beteiligten transparent gewesen sei, erweise sich für die Beurteilung betreffend die Verfügungsmacht als unschädlich.
20 Die Tätigkeit der Mitbeteiligten habe insgesamt betrachtet aus Elementen einer Lieferung und solchen einer sonstigen Leistung (Vorbereitung und Begleitung im Zollverfahren, Transport der Waren) bestanden. Die von der Mitbeteiligten ausbedungenen (unüblichen bzw. untypischen) Vertragskautelen stellten keine so schwerwiegende Einschränkung dar, dass die zwischen den chinesischen Lieferanten und der Mitbeteiligten abgeschlossenen Kaufgeschäfte als solche in Frage stünden. Nach der gegebenen Vertragslage sei die Intention der Vertragsparteien (chinesische Lieferanten und Mitbeteiligte) auf die Lieferung bzw. den Import von Containerware ausgerichtet gewesen. Dieselbe Absicht, nämlich die Lieferung von Handelsware, sei dem Vertragsverhältnis zwischen der Mitbeteiligten und ihren europäischen Kunden zugrunde gelegen.
21 Durch die vertraglich vereinbarten Vorbehalte sei zwar das unternehmerische Risiko der Mitbeteiligten minimiert worden, da sie weder "Preisgefahr" noch Gefahr einer Haftungsinanspruchnahme im Gewährleistungsfall zu tragen gehabt habe. Allerdings habe ein Unternehmerrisiko durch die Tragung der Gefahr des zufälligen Untergangs der Waren ab Übernahme bis zur Lieferung an den Endkunden bestanden. Der Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs habe in Bezug auf die Verfügungsmacht zumindest indiziellen Charakter. Die Mitbeteiligte habe sich durch den Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung gegen Unwägbarkeiten dieser Art abgesichert.
22 Das Finanzamt habe die durch die Mitbeteiligte erbrachten Warenlieferungen an ihre Kunden in Europa als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt. Eine derartige Behandlung hätte bei Verneinung der Verfügungsmacht über die importierten Waren nicht erfolgen dürfen.
23 Zu vom Zollamt übermittelten Unterlagen, wonach einige italienische und spanische Unternehmen mit der Mitbeteiligten keine Geschäftsbeziehungen unterhalten hätten, obgleich diese als Kunden der Mitbeteiligten geführt worden seien, sei zu bemerken, dass ein Nachweis darüber, dass die Mitbeteiligte in Umsatzsteuermalversationen verwickelt gewesen wäre, nicht erbracht worden sei. Da keinerlei substanzielle Beweise im Zusammenhang mit einer Umsatzsteuerhinterziehung vorlägen, blieben diese Ergebnisse im Rahmen der rechtlichen Beurteilung außer Ansatz.
24 Die zu beurteilende Rechtsfrage, ob bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation der Mitbeteiligten Verfügungsmacht über die importierten Handelswaren zugekommen sei, erfülle die Zulassungsvoraussetzungen für eine ordentliche Revision.
25 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.
26 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung und einen weiteren Schriftsatz eingebracht. Aufwandersatz wurde darin nicht angesprochen.
27 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
28 Das Finanzamt macht zunächst geltend, das Bundesfinanzgericht sei zu Unrecht zur Auffassung gelangt, die Mitbeteiligte habe die umsatzsteuerrechtliche Verfügungsmacht über die von ihr importierten Waren gehabt. Bei den zu beurteilenden Vorgängen handle es sich nicht um Lieferungen, sondern um sonstige Leistungen. Der wahre wirtschaftliche Gehalt sei nicht darauf gerichtet gewesen, der Mitbeteiligten die wirtschaftliche Substanz der Gegenstände endgültig zuzuwenden, und zwar so, dass gerade die Zuwendung der Gegenstände den besonderen wirtschaftlichen Gehalt des Vorganges ausmache.
29 Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Umsatzsteuer (Einfuhrumsatzsteuer).
30 Gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 lit. a UStG 1994 kann der Unternehmer die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Weiters kann der Unternehmer in den Fällen des § 26 Abs. 3 Z 2 UStG 1994 die geschuldete und auf dem Abgabenkonto verbuchte Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994 abziehen.
31 Entscheidend für den strittigen Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ist somit, ob Gegenstände für das Unternehmen des Abgabepflichtigen eingeführt wurden. Der eingeführte Gegenstand muss dabei entweder zum Gebrauch, zum Verbrauch oder zum Verkauf bestimmt sein (vgl. VwGH 24.3.2015, 2013/15/0238, mwN). Artikel 168 Buchstabe e der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die den Abzug der vom Beförderer der betreffenden Waren, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat, geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer ausschließt (EuGH 25.6.2015, DSV Road, C-187/14 ).
32 Entscheidend ist demnach, ob die eingeführten Gegenstände für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet wurden. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefert bzw. erbringt (vgl. neuerlich EuGH 25.6.2015, DSV Road, C-187/14 , Rn. 49).
33 Hiefür ist wiederum maßgeblich, wie die von der Mitbeteiligten erbrachten Leistungen umsatzsteuerlich zu beurteilen sind.
34 Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist die einzelne Leistung. Der Umfang der einzelnen Leistung ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen. Ist eine Leistungseinheit anzunehmen, so ist umsatzsteuerlich nur eine (einzige) Leistung gegeben. Die steuerlichen Folgen richten sich einheitlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Gesamtleistung bzw. der Hauptleistung (vgl. VwGH 27.6.2018, Ra 2016/15/0075).
35 Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. VwGH 13.9.2018, Ra 2017/15/0050, mwN).
36 Im vorliegenden Fall hatte die Mitbeteiligte Vereinbarungen sowohl mit (chinesischen) Lieferanten als auch mit (italienischen) Abnehmern geschlossen, wobei in den Vereinbarungen mit den Lieferanten auf jene mit den Endabnehmern verwiesen wurde und umgekehrt.
37 Nach den Vereinbarungen mit den Lieferanten sollte die Zahlung des Rechnungsbetrags (für die Waren) unmittelbar vom Endabnehmer erfolgen; die Mitbeteiligte übernahm hiefür keine Haftung. Die Mitbeteiligte würde hingegen nur für ihren Aufwand ein Entgelt an den Lieferanten verrechnen (bei Lieferkondition "CIF": Verrechnung an den Empfänger). Als Leistungen, zu denen die Mitbeteiligte verpflichtet sei, wurden dazu ausschließlich Leistungen zur Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports genannt. Schließlich wurde in der Vereinbarung mit den Lieferanten auch festgehalten, dass Mängelbeschwerden von den Endabnehmern direkt an die Lieferanten gerichtet würden. In den Vereinbarungen mit den Kunden wurde hiezu angeführt, die Qualitätskontrolle der Waren werde zum Teil direkt vom Endabnehmer in China organisiert werden; das Bundesfinanzgericht geht - im Revisionsverfahren unbestritten - weiters davon aus, dass etwaige Gewährleistungsansprüche von den Kunden direkt gegenüber den jeweiligen chinesischen Erzeugern geltend zu machen waren. Die Eingangsfakturen der Mitbeteiligten waren mit den Ausgangsfakturen in Bezug auf den darin ausgewiesenen Rechnungsbetrag identisch; der Gewinn der Mitbeteiligten ergab sich aus einem Pauschalbetrag pro Container.
38 Damit standen in den Vereinbarungen die Leistungen der Mitbeteiligten im Zusammenhang mit der Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports im Mittelpunkt.
39 Vor diesem Hintergrund bestand der wirtschaftliche Gehalt des Vorganges darin, dass die Mitbeteiligte Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports erbringt (zum Teil an die chinesischen Lieferanten, zum Teil an die italienischen Abnehmer), während die Lieferung der Ware als unmittelbar vom chinesischen Lieferanten an den jeweiligen Kunden erfolgt zu werten ist. Soweit in diesem Zusammenhang der Mitbeteiligten auch die Verfügungsbefugnis an Gegenständen - etwa durch Übergabe von Traditionspapieren - eingeräumt wurde, so diente dies lediglich dazu, diese Abwicklung durch die Mitbeteiligte zu ermöglichen. Es liegt somit eine sonstige Leistung der Mitbeteiligten vor.
40 Der Wert der beförderten Waren gehört nicht zu den Kosten, die in diese von der Mitbeteiligten erbrachte Leistung einfließen, sodass die darauf entfallende Vorsteuer nicht abgezogen werden kann.
41 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
42 Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass das angefochtene Erkenntnis - soweit es Umsatzsteuer 2013 sowie Umsatzsteuer 2- 3/2014 und 5-9/2014 betrifft (die Wiederaufnahme samt Neufestsetzung für 1 und 4/2014 könnte gestützt auf diesen Verfahrensmangel nicht erfolgreich bekämpft werden, da das Finanzamt die Wiederaufnahme nicht auf einen davon betroffenen Tatsachenkomplex gestützt hat) - auch mit dem in der Revision aufgezeigten Verfahrensmangel belastet ist.
43 Einem Unternehmer steht kein Recht auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung zu, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz oder ein anderer Umsatz in der Lieferkette, der dem vom Vertragspartner des Unternehmers getätigten Umsatz vorausgegangen oder nachgefolgt ist, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet war (vgl. VwGH 25.4.2018, Ra 2015/13/0025; vgl. auch die Schlussanträge der Generalanwältin, 6.9.2018, Vetsch Int. Transporte GmbH, C-531/17 ).
44 Gemäß § 115 iVm § 269 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Finanzgerichts, auch die sachverhaltsmäßigen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung zu ermitteln (vgl. VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0064; 31.1.2018, Ro 2016/15/0020, je mwN).
45 Das Finanzamt hatte im Verfahren umfangreiche Ermittlungsergebnisse zu den Lieferanten und Abnehmern der Mitbeteiligten vorgelegt, woraus sich insbesondere Zweifel an der Einhaltung der sich aus dem Mehrwertsteuerrecht ergebenden Pflichten durch die Abnehmer der Mitbeteiligten ergaben. Es war Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, diese Erhebungen allenfalls zu ergänzen (oder nach § 269 Abs. 2 BAO ergänzen zu lassen) und sodann insbesondere Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen (Umsatzsteuermalversationen, die der Mitbeteiligten bekannt waren?) bzw. in rechtlicher Beurteilung zu prüfen, ob aufgrund des vorliegenden Sachverhalts die Mitbeteiligte derartige Malversationen hätte kennen müssen. Das Bundesfinanzgericht konnte sich nicht darauf zurückziehen, dass das Finanzamt und die Zollbehörde dazu keine Nachweise erbracht hätten.
46 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 18. Oktober 2018
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