VwGH Ro 2017/13/0003

VwGHRo 2017/13/000325.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der B Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die Gregorich & Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1190 Wien, Heiligenstädter Straße 50-52, Top 3 und 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 7. Dezember 2016, Zl. RV/7101566/2016, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1994 §1;
UStG 1994 §19 Abs1a;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017130003.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist eine GmbH, die Bauleistungen erbringt und sich in den Streitjahren für Bauvorhaben in Österreich portugiesischer Subunternehmer bediente. Bei der Rechnungslegung der Subunternehmer an die Revisionswerberin wurde von einem Übergang der Umsatzsteuerschuld auf die Revisionswerberin als Empfängerin der Leistungen ausgegangen.

2 Die Revisionswerberin erbrachte im Rahmen dieser Bauvorhaben - neben Beistellung etwa von Schalung und Großgeräten ohne Verrechnung - aber auch ihrerseits an die Subunternehmer Leistungen, die von diesen zu vergüten waren.

Revisionsgegenständlich sind in dieser Hinsicht die Unterbringung von Arbeitnehmern sowie Aufwendungen für deren Arbeitsmittel, Werkzeuge, Arbeitskleidung und Verpflegung. Auf Grund entsprechender Vereinbarungen mit den Subunternehmern stellte die Revisionswerberin ihren jeweils eigenen Aufwand für diese Leistungen den Subunternehmern mit einem Aufschlag von 10% "Bearbeitungsgebühr" in Rechnung.

3 Streitpunkt des Verfahrens ist die Ansicht der Revisionswerberin, auch bei diesen von ihr an die Subunternehmer erbrachten Leistungen handle es sich um Bauleistungen, sodass es gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 zum Übergang der Umsatzsteuerschuld auf die portugiesischen Subunternehmer als Leistungsempfänger gekommen sei. Die von der Revisionswerberin an die Subunternehmer gelegten Rechnungen enthielten den ausdrücklichen Hinweis darauf und keine Umsatzsteuer.

4 Im Bericht vom 18. September 2015 über eine bei der Revisionswerberin durchgeführte Außenprüfung wurde dargelegt, die "Kostenbelastungen" der Subunternehmer teilten nicht das umsatzsteuerliche Schicksal der Bauleistungen, sondern seien gesondert zu beurteilen und für sich genommen keine Bauleistungen.

5 In ihren unter Verzicht auf Beschwerdevorentscheidungen eingebrachten Beschwerden gegen Bescheide, mit denen das Finanzamt die Revisionswerberin für die Jahre 2011 bis 2014 zur Entrichtung von Umsatzsteuer (u.a.) für die strittigen Leistungen heranzog, und in der Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht berief sich die Revisionswerberin auf die Erwähnung der Vermietung von Containern als Beispiel einer Bauleistung in Rz 2602c der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 sowie auf die dort auch getroffene Aussage, im "Zweifel" könne "vom Leistenden und vom Leistungsempfänger einvernehmlich davon ausgegangen werden, dass eine Bauleistung vorliegt".

6 In der Verhandlung stellte die Revisionswerberin klar, dass die bei der Beherbergung der Arbeiter zum Teil verwendeten Container jeweils von einer Containerfirma aufgestellt worden seien und die Revisionswerberin bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der Arbeiterquartiere nicht zwischen Mietwohnungen und Containern unterschieden habe. Für die Revisionswerberin als "reine Baufirma" habe kein Zweifel daran bestanden, dass auch ihre den Subunternehmern erbrachten Leistungen Bauleistungen seien.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab. Es hielt der auf die Umsatzsteuerrichtlinien 2000 gestützten Argumentation entgegen, solche Erlässe seien für das Bundesfinanzgericht nicht bindend. Die Erwähnung der Container an der von der Revisionswerberin bezeichneten Stelle stehe aber auch unter der im vorliegenden Fall nicht erfüllten Voraussetzung, dass es sich um Container handle, die "vom Vermieter aufgestellt und mit Grund und Boden verbunden werden". Die von der Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Beherbergung der Arbeiter erbrachten Leistungen seien nicht Bau-, sondern Besorgungsleistungen. Ein "Zweifel" am Nichtvorliegen von Bauleistungen bestehe nicht, doch sei der Berufung auf die Zweifelsregel in den Umsatzsteuerrichtlinien 2000 auch entgegenzuhalten, dass diese nur gelte, wenn es zu keinem Steuerausfall gekommen sei. Die weiteren noch strittigen Leistungen wertete das Bundesfinanzgericht als Lieferungen.

8 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil zu der "Frage, ob Bauleistungen und bestimmte Serviceleistungen zueinander im Verhältnis von Hauptleistung und unselbständiger Nebenleistung stehen", noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

9 In der Revision sind Revisionspunkt und Revisionsgründe wie folgt ausgeführt:

"2) Revisionspunkt

das angefochtene Erkenntnis verletzt die (Revisionswerberin) in ihrem Recht darauf, die genannten Leistungen (folgerichtig) als Bauleistungen gem. § 19 Abs 1a UStG zu behandeln.

3) Revisionsgründe

Grundsätzlicher Zweck der Regelung ist die Vermeidung von Steuerausfällen in der Bauwirtschaft, die dadurch entstehen, dass Subunternehmer an Generalunternehmer Rechnungen mit offenem Ausweis der USt legen, die diese zum Vorsteuerabzug berechtigen, die Subunternehmer die USt aber nicht abführen (Vgl ua Kuder in Melhardt/Tumpel, UStG2 (2015) § 19 Tz 44). Ob der Leistungsempfänger im In- oder Ausland ansässig ist, ist für die Anwendung dieser Regelung unbeachtlich (Vgl Kuder in Melhardt/Tumpel, UStG2 (2015) § 19 Tz 59; UStR 2000 Rz 2602b).

Im vorliegenden Fall wurde - wie bereits oben ausgeführt - angenommen, dass von Seiten der (Revisionswerberin) eine Bauleistung vorliegt, die zu der gewünschten (Steuerausfallvermeidenden) Reverse-Charge-Behandlung führt.

Nach der oben erwähnten Aussage des BFG könnte hier auch im Zweifelsfall nicht von einer Bauleistung ausgegangen werden, da dies nur möglich sei, wenn es zu keinem Steuerausfall komme. Im vorliegenden Fall liege jedoch ein solcher aufgrund der aufgeschlagenen Bearbeitungsgebühr nicht vor. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass im Sinne einer Nettobetrachtung hierbei von keinem Steuerausfall ausgegangen werden kann, da sich die Subunternehmer die USt diesfalls als VSt zurückgeholt hätten.

Desweiteren können die Leistungen der (Revisionswerberin) aufgrund des engen funktionalen Zusammenhanges in diesem Fall als unselbständige Nebenleistung der erbrachten Bauleistung angesehen werden. Dies vor allem deshalb, da sich die (Revisionswerberin) und die Subunternehmer hinsichtlich derselben Bauprojekte gegenseitig sowohl als Leistungserbringer als auch als Leistungsempfänger wechselseitig gegenüberstehen.

Wären die Leistungen nicht von der (Revisionswerberin) sondern von einem anderen Unternehmen erbracht worden, wäre(n) diese ebenso in die Preiskalkulationen der Subunternehmer (hinsichtlich der Leistungen dieser an die (Revisionswerberin)) miteinbezogen worden, als wie wenn dies (womöglich) im vorliegenden Fall geschehen ist."

10 Das Finanzamt hat in einem als Revisionsbeantwortung bezeichneten, aber nicht mit einem Antrag auf Aufwandersatz verbundenen Schriftsatz mitgeteilt, es habe den Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes nichts hinzuzufügen.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Gemäß § 19 Abs. 1a erster Satz UStG 1994 wird bei "Bauleistungen" unter bestimmten weiteren Voraussetzungen die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet. Nach den letzten beiden Sätzen der Bestimmung sind Bauleistungen "alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen" (vgl. zu diesem Begriff der "Bauleistungen" VwGH 19.9.2013, 2011/15/0049, VwSlg 8848/F).

13 Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass die Subunternehmer an die Revisionswerberin und diese an ihre Kunden Bauleistungen erbrachten. Strittig ist im Zusammenhang mit der ersten dieser Leistungsbeziehungen die Einordnung der von der Revisionswerberin als Empfängerin der Bauleistungen wiederum an die Subunternehmer erbrachten Leistungen.

14 Dass die strittigen Leistungen - etwa wegen der Unterbringung von Arbeitern u.a. in Containern - für sich genommen Bauleistungen im Sinne der zitierten Legaldefinition gewesen wären, sodass die Umsatzsteuerschuld auch auf die Subunternehmer übergegangen wäre, wenn diese selbst Unterkünfte angemietet und die Arbeitsmittel, Werkzeuge, Arbeitskleidung und Lebensmittel bei Dritten erworben hätten, versucht die Revisionswerberin - im Sinne auch der Gründe für die Zulassung der Revision - nicht mehr geltend zu machen. Sie stützt sich auf den engen Zusammenhang der Leistungen mit dem Baugeschehen und hilfsweise auch weiterhin auf die Zweifelsregel in Rz 2602c der Umsatzsteuerrichtlinien 2000.

15 Nach dieser Erlassregelung kann im Zweifelsfall (als Beispiele werden der Einbau von Küchen und Ladeneinrichtungen genannt) "vom Leistenden und vom Leistungsempfänger einvernehmlich davon ausgegangen werden, dass eine Bauleistung vorliegt". Auf die Frage eines Steuerausfalls wird hier nicht Bezug genommen, wohl aber für den (ganz am Ende der Rz 2602c erörterten) gegenteiligen Fall, dass der Leistende und der Leistungsempfänger "im Zweifelsfall" angenommen haben, "dass eine Bauleistung nicht vorliegt", und sich dies "nachträglich als falsch erweist". In einem solchen Fall soll es bei der falschen Annahme bleiben, wenn der Empfänger etwa beweisen kann, dass der Leistende die Umsatzsteuer schon an das Finanzamt abgeführt hat.

16 Die Revisionswerberin beruft sich auf den ersten und nicht auf den zweiten dieser Fälle, weshalb der die Erlassregelung für den zweiten Fall betreffende Hinweis des Bundesfinanzgerichtes, den die Revision zu entkräften versucht, ins Leere ging. Zutreffend ist hingegen der Hinweis im angefochtenen Erkenntnis auf die begrenzte rechtliche Verbindlichkeit solcher Erlässe (vgl. zuletzt VwGH 31.1.2018, Ra 2017/15/0038, Rn. 22f, zu den Einkommensteuerrichtlinien). Ob es zum Übergang der Steuerschuld auf die Subunternehmer kommen konnte, muss für den Verwaltungsgerichtshof - wie schon für das Bundesfinanzgericht - davon abhängen, ob es sich tatsächlich um Bauleistungen handelte. War dies nicht der Fall, so steht dies dem Übergang der Steuerschuld auch entgegen, wenn die am Leistungsaustausch Beteiligten einvernehmlich gegenteiliger Ansicht waren.

17 Zu prüfen bleibt daher, ob der enge Zusammenhang mit dem Baugeschehen die strittigen Leistungen zu Elementen von Bauleistungen werden ließ, was dem Bundesfinanzgericht aus Gründen, die es im Zusammenhang mit dem darauf beruhenden Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision nicht darlegt, offenbar nicht ganz ausgeschlossen schien.

18 In dem schon erwähnten Erkenntnis vom 19. September 2013, 2011/15/0049, VwSlg 8848/F, hat der Verwaltungsgerichtshof hervorgehoben, dass das Vorliegen einer unselbständigen Nebenleistung auch im Zusammenhang mit § 19 Abs. 1a UStG 1994 zu beachten sei. Unselbständige Nebenleistungen, die in der Hauptleistung aufgehen und deren umsatzsteuerliches Schicksal teilen würden, können die strittigen Leistungen der Revisionswerberin aber weder im Verhältnis zu den Bauleistungen der Subunternehmer, bei denen diese der Revisionswerberin nicht als Leistungsempfänger gegenüberstanden, noch im Verhältnis zu den Bauleistungen der Revisionswerberin an ihre Kunden, die nicht auch die Empfänger der strittigen Leistungen waren, gewesen sein. Dass der Wert dieser Leistungen letztlich in die Bauleistungen der Revisionswerberin einfloss, ändert nichts daran, dass die Empfänger der strittigen Leistungen die Subunternehmer waren, wovon auch die Revisionswerberin ausging. Mangels Leistungseinheit konnten die Leistungen, die für sich genommen keine Bauleistungen waren, somit auch nicht als unselbständige Nebenleistungen in Bauleistungen als Hauptleistungen aufgehen.

19 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. April 2018

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