VwGH Ro 2017/11/0012

VwGHRo 2017/11/001211.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen 1) der P GmbH in W (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2017/11/0012), vertreten durch TELOS LAW GROUP Winalek, Wutte-Lang, Nikodem, Weinzinger Rechtsanwälte GmbH, in 1090 Wien, Hörlgasse 12, sowie 2) der J d.d. in L (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2017/11/0013), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof und MMag. Maja Ranc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 13. März 2017, Zl. LVwG-2016/14/1545-6, betreffend Sicherheitsleistung nach dem AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck), zu Recht erkannt:

Normen

AVRAG 1993 §7d Abs2;
AVRAG 1993 §7i Abs4 Z2;
AVRAG 1993 §7m Abs3;
AVRAG 1993 §7m Abs5;
AVRAG 1993 §7m;
B-VG Art132 Abs1 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017110012.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerberinnen Aufwendungen in Höhe von jeweils EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Juni 2016 wurde gegenüber der Erstrevisionswerberin als Auftraggeberin (in Folge: Auftraggeberin) der Zweitrevisionswerberin (in Folge: Auftragnehmerin) gemäß § 7m Abs. 2 und Abs. 3 AVRAG der Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 56.000,-- aufgetragen. Begründend führte die belangte Behörde aus, bei einer Kontrolle durch Kontrollorgane der Finanzpolizei Landeck am 13. Juni 2016 sei festgestellt worden, dass für vierzehn Arbeitnehmer der Auftragnehmerin Lohnunterlagen gemäß § 7d Abs. 1 iVm § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG nicht vollständig bereitgehalten worden seien. Die Kontrollorgane hätten erheben können, dass sich der offene Werklohn auf EUR 800.127,81,-- belaufe, und gegenüber der Auftraggeberin einen Zahlungsstopp verhängt. Da die Strafvollstreckung aufgrund des Firmensitzes der Auftragnehmerin in Slowenien voraussichtlich nicht möglich sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

2 Sowohl die Auftraggeberin als auch die Auftragnehmerin erhoben dagegen Beschwerde.

3 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 13. März 2017 wurde den Beschwerden insofern Folge gegeben, als die vorgeschriebene Sicherheitsleistung von EUR 56.000,-- auf EUR 28.000,-- herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

4 Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, zwischen der Auftraggeberin und der Auftragnehmerin sei ein Werkvertrag über einen Betrag von EUR 816.956,38 abgeschlossen worden. Die Bezahlung erfolge in Teilrechnungen. Aus der Saldenliste ergebe sich, dass Zahlungen von EUR 156.650,26 erfolgt seien. An "direkten" Zahlungen seien EUR 140.650,26 geleistet worden. Aus der Saldenliste ergebe sich, dass "offenbar" EUR 56.000,-- der Auftragnehmerin abgezogen worden seien.

In rechtlicher Sicht führte das Verwaltungsgericht aus, im Hinblick darauf, dass der Schuldvorwurf vierzehn Arbeitnehmer betreffe und nach § 7i Abs. 4 AVRAG bei mehr als drei Arbeitnehmern eine Mindeststrafe von EUR 2.000,-- vorgesehen sei, halte es die Auferlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 28.000,-- für ausreichend. Es sei, betreffend die Höhe der verhängten Sicherheitsleistung, der Auffassung, dass der noch zu leistende Werklohn (iSd. § 7m Abs. 3 AVRAG) nicht nur "die gegenwärtige offene Teilrechnung", sondern "auch in Zukunft anfallende Teilrechnungen" mitumfasse. Davon, dass durch den Auftrag der Sicherheitsleistung der Auftraggeberin ein Schaden entstehe, könne im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, insbesondere da die Arbeiten noch weiterhin liefen und noch keine Schlussabrechnung erfolgt sei bzw. beim (große) Teile des Werklohnes ausstünden. Zudem nahm das Verwaltungsgericht eine Erschwernis bei der Strafverfolgung bzw. dem Strafvollzug in Slowenien an und begründete dies im Wesentlichen damit, dass eine Tat mit Auslandsbezug vorliege.

Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zur Frage der Parteistellung der Auftragnehmerin in einem Sicherstellungsverfahren nach § 7m AVRAG sowie zur Frage, ob unter dem "noch zu leistenden Werklohn" im Sinne ebendieser Bestimmung auch zukünftige Rechnungen oder nur fällige Teilrechnungen zu verstehen seien, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden sei. Auch zur Frage, ob die Durchführung eines Strafverfahrens mit Auslandsbezug oder die Exekution im Ausland - wie von der Finanzpolizei behauptet - für sich alleine bereits eine wesentliche Erschwernis iSd. § 7m AVRAG darstelle bzw. ob dazu noch andere Elemente hinzukommen müssten, gebe es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

5 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Verfahrensakten vorgelegten (ordentlichen) Revisionen.

 

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden Revisionen erwogen:

7 1. Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, lautet (auszugsweise):

"Vorläufige Sicherheit

§ 7l. Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, sind die Organe der Abgabenbehörden ermächtigt, eine vorläufige Sicherheit bis zum Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe festzusetzen und einzuheben. Soweit der Tätigkeitsbereich der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse betroffen ist, ist diese über die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit zu verständigen. Der/Die im § 7b Abs. 1 Z 4 genannte Beauftragte gilt als Vertreter/in des/der Arbeitgeber/in, falls dieser/diese oder ein von ihm/ihr bestellter Vertreter bei der Amtshandlung nicht anwesend ist. Auf nach dem ersten Satz eingehobene vorläufige Sicherheiten sind die §§ 37a Abs. 3 bis 5 und 50 Abs. 6 erster Satz und Abs. 8 VStG sinngemäß anzuwenden. Mit der Überweisung nach § 7m Abs. 3 oder der Erlegung einer Sicherheit nach § 7m Abs. 8 ist eine Beschlagnahme aufzuheben.

Sicherheitsleistung - Zahlungsstopp

§ 7m. (1) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, können die Organe der Abgabenbehörden in Verbindung mit den Erhebungen nach § 7f sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in schriftlich auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen (Zahlungsstopp). § 50 Abs. 6 erster Satz VStG findet sinngemäß Anwendung. Der Zahlungsstopp ist in jenem Ausmaß nicht wirksam, in dem der von ihm genannte Betrag höher ist als der noch zu leistende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt. Der Zahlungsstopp darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Leistet der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in entgegen dem Zahlungsstopp den Werklohn oder das Überlassungsentgelt, gilt im Verfahren nach Abs. 3 der Werklohn oder das Überlassungsentgelt als nicht geleistet. Die Organe der Abgabenbehörden sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dürfen einen Zahlungsstopp nur dann auftragen, wenn eine vorläufige Sicherheit nach § 7l nicht festgesetzt oder nicht eingehoben werden konnte. Leistet der/die Auftragnehmer/in oder der/die Überlasser/in die vorläufige Sicherheit nachträglich oder eine Sicherheit, ohne dass eine solche festgesetzt wurde, aus eigenem, ist der Zahlungsstopp von der Bezirksverwaltungsbehörde durch Bescheid aufzuheben; ein allfälliges Verfahren nach Abs. 3 ist einzustellen.

(2) Die Abgabenbehörden und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse haben nach Verhängung eines Zahlungstopps nach Abs. 1 binnen drei Arbeitstagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Erlegung einer Sicherheit nach Abs. 3 zu beantragen, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat darüber innerhalb von zehn Arbeitstagen ab Einlangen des Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. In diesen Verfahren haben die im ersten Satz genannten Einrichtungen Parteistellung, soweit diese den Antrag auf Erlegung einer Sicherheit gestellt haben. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

(3) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Die §§ 37 und 37a VStG sind in diesen Fällen, sofern in dieser Bestimmung nichts anderes vorgesehen ist, nicht anzuwenden. Mit Erlassung eines Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg.

(4) Als Werklohn oder als Überlassungsentgelt gilt das gesamte für die Erfüllung des Auftrages oder der Überlassung zu leistende Entgelt.

(5) Die Überweisung nach Abs. 3 wirkt für den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in gegenüber dem/der Auftragnehmer/in oder dem/der Überlasser/in im Ausmaß der Überweisung schuldbefreiend.

(6) Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in ist verpflichtet, auf Anfrage der Bezirksverwaltungsbehörde die Höhe und Fälligkeit des Werklohnes oder des Überlassungsentgeltes bekannt zu geben. Können aus dem noch zu leistenden Werklohn oder Überlassungsentgelt die Sicherheitsleistung sowie der sich aus § 67a ASVG und § 82a EStG ergebende Haftungsbetrag nicht bedeckt werden, kann der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in von seinem Recht zur Leistung des Werklohns an das Dienstleistungszentrum (§ 67c ASVG) jedenfalls Gebrauch machen.

... ."

8 2.1. Die Revisionen bringen zur Zulässigkeit u.a. vor, dass zur Frage der Begrenzung des noch zu leistenden Werklohns iSd § 7m AVRAG Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, insbesondere zur Frage, ob darunter auch künftige Rechnungen zu verstehen seien oder nur bereits fällige Teilrechnungen. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2016, G 283/2016, ausdrücklich festgehalten, dass als Sicherheit nur ein bereits fälliger Werklohn vorgeschrieben werden dürfe. Im gegenständlichen Fall seien aber weder im erst- noch im zweitinstanzlichen Verfahren Erhebungen dazu durchgeführt worden, welcher Werklohn zum Zeitpunkt der Kontrolle fällig gewesen sei, sondern hätten belangte Behörde und Verwaltungsgericht die Höhe der Sicherheit nur anhand der theoretisch zu erwartenden Sanktion ausgerichtet. Dies widerspreche "offensichtlich" dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, wonach nur auf den bereits fälligen Werklohn abgestellt werden dürfe, da es dazu zunächst notwendig sei, festzustellen, in welcher Höhe der Werklohn überhaupt zum fraglichen Zeitpunkt fällig gewesen sei.

9 2.2. Die Revisionen sind schon im Hinblick auf dieses Vorbringen im Ergebnis zulässig.

10 3. Die Revisionen sind auch begründet.

11 3.1. Zunächst ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, dass wegen der in § 7m Abs. 5 AVRAG vorgesehen schuldbefreienden Wirkung einer Überweisung der vorgeschriebenen Sicherheitsleistung gegenüber dem Auftragnehmer auch dieser - neben dem zum Erlag der Sicherheitsleistung verpflichteten Auftraggeber - zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG legitimiert ist. Die Beschwerde der Zweitrevisionswerberin wurde demnach vom Verwaltungsgericht zutreffend als zulässig behandelt.

12 3.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2016, G 283/2016 ua, Folgendes ausgeführt:

"2.2.2.2. Dem Auftraggeber wird aber auch keine Zahlungsverpflichtung auferlegt, die sich gegenüber dem Auftragnehmer nicht bereits aus dem Zivilrecht ergibt: Entgegen der Auffassung der Landesverwaltungsgerichte ist der Auftraggeber nämlich nicht verpflichtet, die Sicherheitsleistung vor Fälligkeit des Werklohns zu leisten. Wie das Zusammenspiel von ‚Zahlungsstopp' in §7m Abs1 leg.cit. und der daran anknüpfenden Verpflichtung zur ‚Sicherheitsleistung' an die Behörde aus dem ‚noch zu leistenden Werklohn' gemäß §7m Abs3 leg. cit. zeigt, geht es bei der Zahlungsverpflichtung im Rahmen der Sicherheitsleistung immer nur um jenen Werklohn (oder um Teile desselben), den der Auftraggeber tatsächlich bereits schuldet. Es gibt weder im Gesetz noch in den Materialien einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber dem Auftraggeber jeglichen Schutz habe entziehen wollen, den ihm das Werkvertragsrecht gegenüber dem Auftragnehmer bietet. Der Auftraggeber ist vielmehr nach Erlassung eines Zahlungsstopps durch die Organe der Abgabenbehörden gemäß §7m Abs1 AVRAG sowie nach Erlassung des - von diesen Behörden sodann bei sonstigem Außerkrafttreten des Zahlungsstopps - gemäß §7m Abs2 AVRAG binnen drei Arbeitstagen zu beantragenden Bescheides über die Sicherheitsleistung nach §7m Abs3 leg.cit. nicht anders gestellt, als er es im Falle einer Pfändung der Forderung des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber durch Dritte mittels Erlassung eines Zahlungsverbotes ("Drittverbot") an den Auftraggeber und Überweisung der Forderung zur Einziehung an den Gläubiger gemäß §294 EO wäre.

2.2.2.3. Da der Auftraggeber somit lediglich mit dem dem Auftragnehmer geschuldeten Werklohn in Anspruch genommen werden kann, haftet er entgegen der Auffassung der Landesverwaltungsgerichte auch nicht unmittelbar für die Verwaltungsstrafe des Auftragnehmers. Es ist daher die Parallele verfehlt, welche die antragstellenden Landesverwaltungsgerichte zu Fällen ziehen, in denen es der Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärt hat, wenn Auftraggeber mit dem eigenen Vermögen ohne zureichenden sachlichen Grund für das Verschulden Dritter in Anspruch genommen werden konnten (wie in VfSlg 16.662/2002).

..."

13 Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 27. April 2017, Ra 2016/11/0123, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2016, G 283/2016 ua, und sich diesem anschließend ausgesprochen, dass beim Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG letztlich (mittelbar) auf einen Vermögenswert des Verdächtigen zugegriffen werde, nämlich auf eine Forderung gegen seinen Vertragspartner. Bestehe im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über einen Auftrag nach Abs. 3 leg. cit. keine solche Forderung, bestehe - abgesehen vom Fall der trotz Zahlungsstopps geleisteten Zahlungen - auch kein Raum für einen Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung. Der Auftraggeber solle mithin davor geschützt werden, mehr zahlen zu müssen, als er auf Grund des Werkvertrages schulde. Auf das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch in weiterer Folge berufen (vgl. VwGH 13.6.2017, Ra 2017/11/0013; 6.3.2018, Ra 2017/11/0153).

14 Auch der Revisionsfall gibt keinen Anlass, von dieser Auffassung abzugehen.

15 3.2.2. Zur Frage, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auftrag zum Erlag der Sicherheitsleistung aufgrund bereits erbrachter (Teil‑)Leistung(en) ein Werklohn in Höhe der verhängten Sicherheitsleistung, mithin in Höhe von EUR 28.000,-- fällig gewesen ist, enthält das Erkenntnis keine näheren Feststellungen.

16 Die Unterlassung dieser Feststellung beruht, wie die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zeigt, auf einer von der zitierten Rechtsprechung abweichenden Rechtsansicht, wonach die Höhe der Sicherheitsleistung nicht durch den bereits fälligen Werklohn beschränkt sei.

17 3.2.3. Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen näher einzugehen gewesen wäre, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen - prävalierender - Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

18 3.3. Soweit sich das Verwaltungsgericht in seinen Gründen für die Zulässigkeit der Revision auf fehlende Judikatur zur Frage, ob die Durchführung eines Strafverfahrens mit Auslandsbezug oder die Exekution im Ausland - wie von der Finanzpolizei behauptet - für sich alleine bereits eine wesentliche Erschwernis iSd. § 7m AVRAG darstelle bzw. ob dazu noch andere Elemente hinzukommen müssten, beruft, ist es darauf hinzuweisen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/11/0122, mit der Sicherheitsleistung gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG und fallbezogen mit der Frage, wann im Fall des (Wohn‑)Sitzes des Arbeitgebers bzw. Überlassers im Ausland eine wesentliche Erschwernis bzw. Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges vorliegen kann, auseinandergesetzt hat. Dazu wurde ausgeführt, dass eine wesentliche Erschwernis bzw. Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges nicht schon allein wegen der bloßen Existenz von Rechtshilfevorschriften verneint werden könne, wenn es Hinweise auf deren Nichteinhaltung durch den betreffenden Staat gebe, denen das Verwaltungsgericht nachzugehen habe (vgl. auch VwGH 9.2.2017, Ra 2016/11/0180).

19 4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. April 2018

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