VwGH Ro 2017/02/0025

VwGHRo 2017/02/002524.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller und Dr. N. Bachler, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer‑Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision 1. des E und 2. der S GmbH, beide in W, beide vertreten durch die Walch|Zehetbauer|Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Juli 2017, Zlen. W230 2150836‑1/16E und W230 2154566‑1/14E, betreffend Übertretung finanzmarktrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 2 Z 1 VwGG: Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

BWG 1993 §1 Abs2
BWG 1993 §1 Abs2 Z6
BWG 1993 §2 Z24
EURallg
FM-GwG 2017 §2 Z2
VwGG §42 Abs1
VwRallg
31989L0646 Bankrechtskoordinierungs-RL 02te
31991L0308 Geldwäsche-RL Art1
31991L0308 Geldwäsche-RL Art15
32001L0097 Nov-31991L0308 Art1
32005L0060 Geldwäsche-RL
32005L0060 Geldwäsche-RL Art2 Abs2
32005L0060 Geldwäsche-RL Art3
32013L0036 Kreditinstitute-RL
32013L0036 Kreditinstitute-RL Anh1
32013L0036 Kreditinstitute-RL Art3 Abs1
32013R0575 Liquiditätsdeckungsanforderung Art4 Abs1
32015L0849 Geldwäsche-RL 04te
32015L0849 Geldwäsche-RL 04te Art3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017020025.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der FMA vom 16. Februar 2017 wurde der Erstrevisionsweber für schuldig befunden, es als Geschäftsführer der zweitrevisionswerbenden Partei, somit als nach außen vertretungsbefugtes Organ zu verantworten, dass es die zweitrevisionswerbende Partei seit 18. Dezember 2014 unterlasse, bei der Vermietung von anonymen Fächern Verfahren schriftlich festzulegen, nach denen die Identität der Mieter festgestellt und überprüft werden müsse. Er habe dadurch § 23 Abs. 1 Z 3 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM‑GwG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 5.000,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe von 22 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde die Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Erstrevisionswerber verhängten Strafe ausgesprochen.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

3 Das Bundesverwaltungsgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Erstrevisionswerber vertrete die zweitrevisionswerbende Gesellschaft seit 18. Dezember 2014 als handelsrechtlicher Geschäftsführer. Die zweitrevisionswerbende Partei verfüge über die Gewerbeberechtigung des Handelsgewerbes mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und des Handelsagenten seit 12. April 2013, der Lagerei seit 1. Juli 2013 und des Sicherheitsgewerbes (Berufsdetektive, Bewachungsgewerbe) seit 20. Jänner 2017. Tatsächlich betreibe sie die Berufsdetektei, Bewachung und Lagerei, wobei sie auch Tresorschließfächer, vereinzelt auch Lagerräume vermiete.

Bei der Vermietung legitimierter Tresorschließfächer habe der Kunde seine Identität durch Vorlage eines Ausweises, der von Mitarbeitern der zweitrevisionswerbenden Partei eingescannt werde, nachzuweisen und könne dann einen PIN‑Code generieren, um die zu den Tresorschließfächern führende Schiebetür öffnen zu können. Weiters erhalte der Kunde einen Schlüssel für sein Tresorschließfach. Bei der Vermietung von anonymen Tresorschließfächern müsse der Kunde weder einen Ausweis vorlegen noch Angaben zu seiner Person machen.

Zum Entsperren des Tresorschließfaches habe der Kunde durch die Büroräumlichkeiten der zweitrevisionswerbenden Partei zu gehen und von der dort befindlichen Schlüsselbox einen weiteren Schlüssel zu entnehmen. Nach Eingabe des PIN‑Codes öffne sich die Schiebetür und der Kunde könne in den Tresorraum gelangen. Zum Öffnen des Tresorschließfaches bedürfe es sowohl des bei Vertragsabschluss überreichten als auch des von der Schlüsselbox entnommenen Schlüssels. Die zweitrevisionswerbende Partei verfüge nicht über Strategien, Kontrollen und Verfahren zur Identifizierung von Mietern anonymer Schließfächer.

Die Schließfachvermietung sei vom ursprünglichen Geschäftsplan der zweitrevisionswerbenden Partei nicht umfasst gewesen und werde von dieser nur deshalb angeboten, weil die von ihr angemieteten Geschäftsräumlichkeiten eine dahingehende Ausstattung aufwiesen und einer verwertbaren Nutzung zugeführt werden sollten. Versuche, dieses Geschäftsfeld auszulagern oder an Dritte zu verpachten seien bisher gescheitert. Über die Schließfächer würden nur Jahresverträge abgeschlossen, um das Geschäftslokal gegebenenfalls auch zeitnah wieder aufgeben zu können.

Im Jahr 2014 seien zwei Drittel der Umsätze der zweitrevisionswerbenden Partei auf sonstige Geschäftsbereiche wie Ermittlungen und Bewachungen entfallen, ein Drittel auf die Schließfachvermietung. Im Jahr 2015 seien die Umsätze etwa gleichmäßig auf die sonstigen Geschäftsbereiche einerseits und die Schließfachvermietung andererseits verteilt gewesen, während im Jahr 2016 56,24 % der Umsätze vom Sicherheitsgewerbe und der Rest von den anderen Bereichen wie der Schließfachvermietung herrührten. Für die Schließfachvermietung sei kein eigener Mitarbeiter angestellt und der Tresorraum nehme 10 % der gemieteten Räumlichkeiten ein.

4 Rechtlich beurteilte das Bundesverwaltungsgericht den festgestellten Sachverhalt dahingehend, dass die Vermietung der Schließfächer zur Qualifikation der zweitrevisionswerbenden Partei als Finanzinstitut gemäß § 1 Abs. 2 Z 6 BWG führe. Der in dieser Vorschrift enthaltene Begriff der Haupttätigkeit sei nicht nur rein quantitativ im Sinne des Anteils an den Gesamtumsätzen des Unternehmens, des Arbeitseinsatzes und des flächenmäßigen Anteils an der benutzten Immobilie zu sehen, weil bei einer derartigen Betrachtung etwa bei drei verschiedenen, aber gleichgewichtigen Tätigkeiten keine davon als Haupttätigkeit mehr anzusehen sei und eine nur dahingehende Prüfung zu zufälligen Ergebnissen führen würde. Vielmehr verlange der Zweck der finanzmarktrechtlichen Regelungen eine qualitative Prüfung dahingehend, ob die Tätigkeit einen selbständigen Charakter aufweise oder rein akzessorisch zu anderen nicht regulierten Tätigkeiten sei. Das solcherart gewerberechtlich geprägte Verständnis des Begriffs Haupttätigkeit finde auch im äußersten Wortsinn der in Rede stehenden Bestimmung Deckung. Auch unter Einbeziehung des wirtschaftlichen Umfanges der Schließfachvermietung stelle diese sohin eine Haupttätigkeit im Sinn des § 1 Abs. 2 Z 6 BWG dar, weshalb für die Vermietung der Schließfächer die Pflichten nach § 23 Abs. 1 Z 3 FM‑GwG einzuhalten gewesen wären.

5 Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht mit fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob der Begriff der Haupttätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 BWG bereits dann erfüllt sei, wenn die Tätigkeit keiner anderen Tätigkeit funktionell untergeordnet sei, oder ob dafür jedenfalls das wirtschaftliche Überwiegen der Tätigkeit erforderlich sei.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

7 Die FMA beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurück‑ oder Abweisung der Revision.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat ‑ in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat ‑ erwogen:

9 Die Revision ist aus dem vom Bundesverwaltungsgericht und von den revisionswerbenden Parteien vorgebrachten Grund des Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Haupttätigkeit eines Finanzinstitutes nach § 1 Abs. 2 BWG dahingehend, ob dieser Begriff bereits erfüllt ist, wenn die Tätigkeit keiner anderen Tätigkeit funktionell untergeordnet ist oder ob dafür jedenfalls das wirtschaftliche Überwiegen der Tätigkeit vorausgesetzt wird, zulässig; sie ist aber nicht begründet.

10 Gemäß § 1 Abs. 1 BWG ist ein Kreditinstitut, wer auf Grund der §https://www.jusline.at/gesetz/bwg/paragraf/4oder  103 Z 5 dieses Bundesgesetzes oder besonderer bundesgesetzlicher Regelungen berechtigt ist, Bankgeschäfte zu betreiben.

11 Nach § 1 Abs. 2 Z 6 BWG ist ein Finanzinstitut, wer kein Kreditinstitut im Sinne des Abs. 1 ist und berechtigt ist, die Erbringung von Schließfachverwaltungsdiensten gewerbsmäßig durchzuführen, sofern er diese als Haupttätigkeit betreibt.

12 § 40 Abs. 1 Z 1 BWG in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung verpflichtet die Kredit‑ und Finanzinstitute die Identität eines Kunden vor Begründung einer dauernden Geschäftsbeziehung festzustellen und zu überprüfen.

13 Das am 1. Jänner 2017 in Kraft getretene Finanzmarkt‑Geldwäschegesetz ‑ FM‑GwG ist nach dessen § 1 auf Kredit‑ und Finanzinstitute als Verpflichtete anzuwenden. § 2 Z 2 lit. a leg. cit. definiert ein Finanzinstitut u.a. als solches gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 bis 6 BWG.

14 Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 FM‑GwG umfassen die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden die Feststellung der Identität des Kunden und Überprüfung der Identität auf Grundlage von Dokumenten, Daten oder Informationen, die von einer glaubwürdigen oder unabhängigen Quelle stammen. Dies hat gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. vor Begründung einer Geschäftsbeziehung zu erfolgen. § 23 Abs. 1 Z 3 FM‑GwG schreibt dem Verpflichteten vor, Strategien, Kontrollen und Verfahren zur wirksamen Minderung und Steuerung der auf Unionsebene, auf nationaler Ebene und auf Unternehmensebene ermittelten Risiken von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung einzurichten, wobei die Strategien, Kontrollen und Verfahren insbesondere auch die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden umfassen. Gemäß § 34 Abs. 1 Z 8 FM‑GwG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Verantwortlicher eines Verpflichteten die Pflichten gemäß § 23 Abs. 1 leg. cit. verletzt; er ist von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu € 150.000,‑ ‑ zu bestrafen.

15 Mit § 2 Z 2 FM‑GwG wollte der Gesetzgeber u.a. Art. 3 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (in der Folge kurz: vierte Geldwäscherichtlinie) umsetzen (ErläutRV 1335 BlgNR 25. GP  3). Im Sinn dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck Finanzinstitut ein anderes Unternehmen als ein Kreditinstitut, das eine oder mehrere der in Anhang I Nr. 2 bis 12, 14 und 15 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (in der Folge kurz: Eigenkapitalrichtlinie) angeführten Tätigkeiten ausübt. Anhang I Nr. 14 der zuletzt genannten Richtlinie nennt die Schließfachverwaltungsdienste.

16 Eine ähnliche Regelung fand sich bereits in Art. 3 Nr. 2 Buchst. a der mit der vierten Geldwäscherichtlinie aufgehobenen Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (in der Folge kurz: dritte Geldwäscherichtlinie), welche als Finanzinstitut ein anderes Unternehmen als ein Kreditinstitut definiert, das eines oder mehrere in einer ähnlichen Liste angeführten Geschäfte tätigt. Damit erfolgte ein bewusstes Abweichen von den Vorgängerbestimmungen, und zwar von Art. 1 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche (91/308/EWG , in der Folge kurz: erste Geldwäscherichtlinie) und von Art. 1 Nr. 1 Buchst. B Nr. 1 der Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/308/EWG des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche (in der Folge kurz: zweite Geldwäscherichtlinie), wo ein Finanzinstitut noch dahingehend definiert wurde, dass es ein anderes Unternehmen als ein Kreditinstitut sei, dessen Haupttätigkeit darin bestehe, eines oder mehrere der in einer ähnlichen Liste aufgeführten Geschäfte zu tätigen. Mit der dritten Geldwäscherichtlinie sollte der Begriff des Finanzinstitutes im Einklang mit der Begrifflichkeit der FATF geändert werden und jedes Unternehmen umfassen, das bestimmte Finanzgeschäfte tätigt (Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche einschließlich der Finanzierung des Terrorismus vom 30. Juni 2004, KOM (2004) 448 endgültig, Seite 4).

17 Demgegenüber enthält die Eigenkapitalrichtlinie in Art. 3 Abs. 1 Nr. 22 zur Definition des Finanzinstitutes einen Verweis auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, wonach ein Finanzinstitut ein Unternehmen ist, das kein Institut ist und dessen Haupttätigkeit darin besteht, Beteiligungen zu erwerben oder eines oder mehrere der in Anhang I Nr. 2 bis 12 und 15 der Eigenkapitalrichtlinie aufgelisteten Geschäfte zu betreiben. Fast gleichlautende Definitionen befinden sich in den entsprechenden Vorgängerbestimmungen bis zurück zur Zweiten Richtlinie des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG (89/646/EWG in der Folge kurz: Zweite Bankenrichtlinie). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Schließfachverwaltungsdienste wohl in den jeweils verwiesenen Anhängen aufgezählt sind, allerdings in einer Ziffer, auf die explizit nicht Bezug genommen wird. Sohin sind die Schließfachverwaltungsdienste schon vom Inhalt der Tätigkeit nicht von der Definition der Finanzinstitute der Eigenkapitalrichtlinie sowie der entsprechenden Vorgängerbestimmungen erfasst.

18 Damit zeigt sich, dass der Begriff der Finanzinstitute im Gemeinschaftsrecht zwar tendenziell gleichartig, im Detail aber unterschiedlich gebraucht wird (vgl. Ohler, Europäische Kapital‑ und Zahlungsverkehrsfreiheit (2002), Art. 1 GeldwäscheRL, Rz 8). Wenn Ohler, aaO meint, die Unterschiede in der Definition des Begriffs seien nur durch Inkonsistenzen bei der Sekundärrechtsetzung erklärbar und verfolgten keinen weiterreichenden Zweck, so kann dem für die nach Erscheinen seines Werkes stattgefundene Rechtsentwicklung nicht mehr gefolgt werden, weil seit der dritten Geldwäscherichtlinie in diesem Bereich bewusst auf das Definitionsmerkmal der Haupttätigkeit des Finanzinstitutes verzichtet wurde und davon jedes Unternehmen erfasst wird, das kein Kreditinstitut ist und bestimmte Geschäfte tätigt. Darüber hinaus wurde den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Ermächtigung eingeräumt, juristische oder natürliche Personen, die eine Finanztätigkeit nur gelegentlich oder in sehr begrenztem Umfang ausüben und bei denen ein geringes Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung besteht, von der Anwendung auszunehmen (Art. 2 Abs. 2 leg. cit.).

19 Die Definition des Finanzinstitutes nach der Eigenkapitalrichtlinie sowie deren Vorgängerbestimmungen und in der ersten sowie zweiten Geldwäscherichtlinie stellt hingegen auf ein Unternehmen ab, dessen Haupttätigkeit verschiedene taxativ aufgezählte Geschäfte umfasst. Dazu sowie teilweise auch zu § 1 Abs. 2 BWG wird in der Lehre ein an den vom Unternehmen erbrachten Leistungen gemessenes oder auf ein bewegliches System abgestelltes quantitatives Überwiegen dieser Tätigkeiten gegenüber anderen nicht in der Liste genannten Tätigkeiten des Unternehmens gefordert (vgl. etwa Ohler aaO Rz 9; Chini/Frölichsthal, Praxiskommentar zum Bankwesengesetz2 § 1 Anm. 69; Diwok/Göth, Bankwesengesetz § 1 Rz 147; N. Raschauer, Aktuelle Strukturprobleme des europäischen und österreichischen Bankenaufsichtsrechts 374; Laurer in Laurer/Borns/Strobl/M. Schütz/O. Schütz, Bankwesengesetz3 § 1 Rz 32; B. Raschauer, Finanzmarktaufsichtsrecht 145; Karas/Ressnik in Dellinger, BWG (8. Lfg.) § 1 Rz 212).

20 Zur Auslegung des Begriffs des Finanzinstitutes nach § 1 Abs. 2 BWG ist allerdings zu beachten, dass der in dieser Regelung enthaltene Wortlaut von dem zuletzt behandelten unionsrechtlichen Wortlaut (der Eigenkapitalrichtliniesamt Vorgängerbestimmungen und der ersten und zweiten Geldwäscherichtlinie) insofern abweicht, als hier ein Finanzinstitut ist, wer kein Kreditinstitut ist und berechtigt ist, eine der taxativ aufgezählten Tätigkeiten, zu der auch die Erbringung von Schließfachverwaltungsdiensten zählt, durchzuführen, sofern er diese als Haupttätigkeit ausübt. In § 1 Abs. 2 BWG wird allerdings die Haupttätigkeit nicht explizit als solche des Unternehmens bezeichnet und ebenso nicht auf das Unternehmen abgestellt, sondern es wird die Haupttätigkeit auf die einzelne Tätigkeit oder das konkrete Geschäft bezogen. Demnach ist vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 BWG in Bezug auf die Haupttätigkeit eine qualitative Prüfung in dem Sinn nicht ausgeschlossen, dass auf die Tätigkeit insofern abgestellt wird, ob diese den in der Liste oder Aufzählung genannten Umschreibungen entspricht und das wesentliche Merkmal der Verrichtung darstellt oder ob sie nur zur Vorbereitung, als Nebenleistung oder ähnliches zu einer anderen Tätigkeit dient.

21 Die Materialien zum Bankwesengesetz sagen zwar, dass die damals geltenden Richtlinien übernommen werden sollten (ErläutRV 1130 BlgNR 18. GP  110), zu denen die erste Geldwäscherichtlinie ebenso wie die Zweite Bankenrichtlinie, eine Vorgängerin zur Eigenkapitalrichtlinie, gehörte. Diese Richtlinien bezogen jedoch das Definitionsmerkmal der Haupttätigkeit auf das Unternehmen, was für eine bloß quantitative Prüfung der vom Unternehmen betriebenen Geschäfte spricht. Allerdings stellten die genannten Richtlinien bloß Mindestanforderungen dar, weil es den Mitgliedstaaten freigestellt wurde, strengere Vorschriften zu erlassen oder beizubehalten (Art. 15 der ersten Geldwäscherichtlinie). Zu § 1 Abs. 2 BWG sagen die Materialien lediglich, dass die im Anhang genannten Tätigkeiten den Finanzinstituten zugeordnet sind (ErläutRV 1130 BlgNR 18. GP  114). Aus der zuletzt genannten Äußerung ist jedenfalls keine Einschränkung auf rein quantitative Kriterien des Unternehmens abzuleiten, weshalb die darüber hinausgehende, auch eine qualitative Prüfung der Haupttätigkeit umfassende Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 BWG erfasst ist und den Materialien des BWG nicht zuwiderläuft.

22 Mit dieser Auslegung vereinbar ist der Umstand, dass der Gesetzgeber auf Grund der dritten Geldwäscherichtlinie keine Änderung des § 1 Abs. 2 BWG vornahm, obwohl nach dieser neuen unionsrechtlichen Vorgabe die Ausübung eines der genannten Geschäfte ausreicht, ohne auf die Haupttätigkeit des Unternehmens im quantitativen Sinn abzustellen und es den nationalen Gesetzgebern ausdrücklich freigestellt wurde, Finanztätigkeiten geringfügigen Umfanges von den Geldwäschevorschriften auszunehmen.

23 Das am 1. Jänner 2017 in Kraft getretene FM‑GwG dient unter anderem der Umsetzung der vierten Geldwäscherichtlinie, die wiederum für die Definition des Finanzinstitutes lediglich die Ausübung einer in einer taxativen Liste aufgezählten Tätigkeit verlangt, ohne auf die Haupttätigkeit des Unternehmens abzustellen. Dazu führen die Materialien aus, es sei zweckmäßig auf die Definition des BWG zu verweisen (ErläutRV 1335 BlgNR 25. GP  3). Diese Erläuterungen sind dann konsistent, wenn die Definition des Finanzinstitutes in § 1 Abs. 2 BWG nicht bloß als quantitative Prüfung der Tätigkeit im Rahmen der gesamten vom Unternehmen erbrachten Leistungen angesehen wird, sondern die Haupttätigkeit auf das einzelne Geschäft bezogen wird und eine qualitative Prüfung der Tätigkeit etwa als Vorbereitungs-, Neben- oder Haupttätigkeit vorgenommen wird.

24 Diesem Interpretationsergebnis steht auch nicht die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, welche die Prüfung der Haupttätigkeit des Unternehmens auf die sonstige Geschäftstätigkeit bezieht oder auf die überwiegende Tätigkeit abstellt (VwGH 20.11.2002, 2001/17/0180, VwGH 9.9.2013, 2011/17/0187), weil die zitierten Entscheidungen zu § 2 Z 24 BWG ergingen, einer Bestimmung welche nachgeordnete Finanzinstitute ausdrücklich abweichend von § 1 Abs. 2 BWG definiert.

25 Dem vom Verwaltungsgericht erzielten Ergebnis, bei der zweitrevisionswerbenden Partei handle es sich um ein Finanzinstitut gemäß § 1 Abs. 2 Z 6 BWG, das bei der von ihr angebotenen Schließfachvermietung zur Einhaltung der Geldwäschebestimmungen des BWG und des FM‑GwG verpflichtet sei, ist daher beizupflichten. Die in der Revision aufgestellte Behauptung, die Tätigkeit „der Safevermietung (Vermietung von Schließfächern) steht in klarem Bezug zur Be‑ und Überwachungstätigkeit und ist dieser auch untergeordnet“, lässt offen, aus welchen Sachverhaltsfeststellungen diese rechtliche Schlussfolgerung ableitbar sein soll.

26 Soweit die Revision als Verfahrensfehler geltend macht, das Verwaltungsgericht habe durch die oben dargestellte rechtliche Beurteilung gegen das Überraschungsverbot verstoßen, fehlt eine Darstellung, inwiefern der behauptete Mangel überhaupt relevant gewesen sein sollte. Es wird nicht aufgezeigt, welches konkrete Sachvorbringen erstattet worden wäre.

27 Die Revision war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

28 Von der von den Revisionswerbern beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil der Anforderung des Art. 6 EMRK durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan wurde.

29 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Oktober 2018

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