Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art133 Abs4;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016050108.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als damit der Rückübereignungsantrag des Revisionswerbers abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Stadt Wels hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte kann auf das hg. Vorerkenntnis VwGH 24.6.2014, 2011/05/0150, verwiesen werden. Daraus ist Folgendes festzuhalten:
2 Mit Eingabe vom 7. Juni 2010 beantragte der Revisionswerber beim Magistrat der Stadt W., ihm die entschädigungslose Zurückstellung der Grundstücke Nr. 1537/16 und Nr. 1537/17, KG L., anzubieten. Der Revisionswerber sei seit 13. Mai 2002 Eigentümer jener Grundflächen, von welchen im Jahr 1975 die unentgeltliche und lastenfreie Abtretung in das öffentliche Gut erfolgt sei, weshalb er gemäß § 17 Abs. 2 Oö. Bauordnung 1994 - Oö. BauO 1994 anspruchsberechtigt sei. Die Abtretung der Grundstücke Nr. 1537/16 und Nr. 1537/17 sei ausdrücklich mit dem Zweck erfolgt, darauf öffentliche Verkehrsflächen zu errichten. Die abgetretenen Grundflächen würden jedoch nicht als öffentliche Verkehrsflächen benötigt werden. Die antragsgegenständlichen Grundstücke lägen am Ende einer Sackgasse, die unmittelbar in eine unbebaute Grünfläche münde, und sie seien lediglich am äußersten nordöstlichen Rand befestigt; der Großteil beider Grundstücke sei in Natur begrünt. Bei Wegfall des Abtretungszwecks bestehe ein Rückübereignungsanspruch des Eigentümers jener Grundflächen, von welchen seinerzeit die Abtretung erfolgt sei.
3 Mit Bescheid vom 15. Juni 2011 wies die Oberösterreichische Landesregierung die vom Revisionswerber erhobene Vorstellung gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der Stadt W. (im Folgenden: Stadtsenat) vom 11. April 2011, mit welchem der Rückstellungsantrag des Revisionswerbers abgewiesen worden war, als unbegründet ab und führte begründend im Wesentlichen aus, dass der Revisionswerber nicht antragslegitimiert sei, weil er lediglich der Einzelrechtsnachfolger des Einzelrechtsnachfolgers der ursprünglichen Abteilungswerber sei und sich sein Grundeigentum auf die Grundstücke Nr. 1537/18 und Nr. 1537/20 beschränke, welche keine Identität mit dem Grundstück Nr. 1537/3 besäßen, welches der Abtretungsverpflichtung zugrunde gelegen sei.
4 Dieser Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung wurde mit dem eingangs genannten Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte begründend im Wesentlichen aus, dass dem Rechtsvorgänger des Revisionswerbers nach dem Inhalt des Kaufvertrages von 28. November 1974 nicht ausschließlich die Grundstücke Nr. 1537/18 und Nr. 1537/20, sondern auch die seinerzeit in das öffentliche Gut abgetretenen Grundstücke Nr. 1537/16, Nr. 1537/17 und Nr. 1537/19 veräußert worden seien. Daher sei diesem, soweit er als Eigentümer des Grundstückes Nr. 1537/18 zur Grundabtretung verpflichtet gewesen sei, auch ein Rückübereignungsanspruch zugestanden, welcher an den Revisionswerber als dessen Rechtsnachfolger im Eigentum am Grundstück Nr. 1537/18 übertragen worden sei. Maßgeblich sei nämlich die Rechtsnachfolge im Eigentum an jenem Grundstück, auf das sich die seinerzeitige öffentlich-rechtliche Abtretungsverpflichtung beziehe.
5 Im fortgesetzten Verfahren hat das nunmehr zuständig gewordene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit Beschluss vom 4. März 2015 den Bescheid des Stadtsenates vom 11. April 2011 aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Stadtsenat zurückverwiesen. Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass im Zuge eines Ermittlungsverfahrens festzustellen sei, ob der seinerzeitige Enteignungszweck nach wie vor bestehe oder aber zwischenzeitlich weggefallen sei.
6 Mit Bescheid des Stadtsenates vom 22. September 2015 wurde der Berufung des Revisionswerbers teilweise stattgegeben und ausgesprochen, dass das Grundstück Nr. 1537/17 rückübereignet werde; das Grundstück Nr. 1537/16 werde nicht rückübereignet, da dieses als öffentliche Verkehrsfläche benötigt werde.
7 Dazu führte der Stadtsenat begründend aus, für das Grundstück Nr. 1537/17 gebe es weder einen rechtskräftigen Bebauungsplan noch einen straßenrechtlichen Verordnungsplan. Die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Oö. BauO 1994 lägen nicht mehr vor, sodass dieses Grundstück rückübereignet werde. In der Natur sei der östliche Teil der Parzelle 1537/16 als Verkehrsfläche geschottert; in diesem Bereich liege auch der öffentliche Kanal. Im nördlichen Bereich der Parzelle 1537/16 verlaufe ein ca. 2 m breiter Fußweg. Dieser diene als öffentliche Anbindung zum bestehenden Fuß- und Radweg in der Gemeinde G. Die geschotterte Verkehrsfläche diene weiters als Aufschließung für das Objekt J. straße 4. Der Bereich des öffentlichen Gutes bis zur Zufahrt zum Objekt J. straße 4 solle zur Gänze asphaltiert werden sowie zwei Stellplätze im öffentlichen Gut aufweisen; auch der bestehende Kanal liege im öffentlichen Gut. Entlang der nördlichen Grenze solle ein Geh- und Radweg in einer Breite von 4 m geschaffen werden. Die verbleibende Fläche der Parzelle 1537/16 solle als "Straßenbegleitgrün" bepflanzt und als Schutz zwischen Wohn- und Betriebsbaugebiet dienen. Da damit das Grundstück Nr. 1537/16 als öffentliche Verkehrsfläche im Sinn des § 16 Oö. BauO 1994 diene, könne eine Rückübereignung nicht erfolgen.
8 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht, in der er auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde mit der Maßgabe statt, dass neben dem Grundstück Nr. 1537/17, KG L., nach Teilung auch jener Teil des Grundstückes Nr. 1537/16, KG L., an den Revisionswerber rückübereignet werde, welcher im Plan des Magistrates der Stadt W. vom 7. September 2015 über den voraussichtlichen Endausbau der J. straße als "Straßenbegleitgrün" ausgewiesen sei. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
10 Das Verwaltungsgericht hielt nach Darstellung des Verfahrensganges fest, dass auf der Grundlage des vorgelegten Verfahrensaktes weitere Ermittlungsschritte - insbesondere "die (weder von der belangten Behörde von den Bf beantragte) Durchführung einer mündlichen Verhandlung" - hätten unterbleiben können, da keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten gewesen sei. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt stehe fest und es seien ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen gewesen. Nach der Wiedergabe von Rechtsvorschriften führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass für die Beurteilung des geltend gemachten Rückübereignungsanspruches dem Enteignungszweck entscheidende Bedeutung zukomme. Aus dem Abtretungsbescheid des Bürgermeisters der Stadt W. vom 25. Februar 1975 ergebe sich dieser Enteignungszweck aus der lapidaren Formulierung: "Der für öffentliche Verkehrsflächen erforderliche Grund, (...)". Der vom Stadtsenat im bekämpften Bescheid nun angeführte Verwendungszweck "Straßenbegleitgrün" sei folglich objektiv ein anderer. Dem Vorbringen des Revisionswerbers sei insoweit beizupflichten, als darin ein "Nachschießen" weiterer Verwendungsabsichten als unzulässig qualifiziert werde, sofern sich nicht aus dem Enteignungsbescheid ein anderer (weiterer) Zweck ableiten ließe (Hinweis auf VwGH 20.5.1998, 96/06/0217). Abgesehen davon, dass es sich bei einer funktional zu erhaltenden Grünfläche, wie dem Straßenbegleitgrün, nicht um den "Grund für eine öffentliche Verkehrsfläche" handle, würden sich die jeweiligen Verwendungszwecke geradezu ausschließen. Von entscheidender Bedeutung sei aber die Tatsache, dass für Zwecke eines Trenngrüns eine Enteignung tatsächlich nicht erforderlich und diese daher nach den restriktiven Kriterien für einen Eigentumseingriff auf Basis des Art. 5 StGG unzulässig sei. Aus dem vorgelegten Gestaltungsplan des betreffenden Grundstückes sei in Zusammenschau mit den konkreten Verhältnissen im Umfeld zudem zu schließen, dass die nun als Trenngrün ausgewiesene Fläche zukünftig nicht mehr als Verkehrsfläche benötigt werde, zumal in der Zeit seit der Grundabtretung im Jahr 1974 in wesentlichem Umfang von der ursprünglich beabsichtigten Art der Aufschließung abweichende und unter Aufwendung wirtschaftlich vertretbarer Mittel wohl nicht rückgängig zu machende faktische Gegebenheiten geschaffen worden seien, sodass im Ergebnis aus einer geschlossenen verkehrstechnischen Aufschließung eine Sackgasse für den mehrspurigen Kraftfahrzeugverkehr geworden und damit der Enteignungszweck teilweise endgültig nicht verwirklicht worden sei.
11 Im Ergebnis sei daher festzuhalten, dass es sich bei den im bekämpften Bescheid als "Straßenbegleitgrün" bezeichneten Flächen des Grundstückes Nr. 1537/16 um keine Verkehrsflächen handle und der Enteignungszweck dadurch dauerhaft weggefallen sei, weshalb dem Revisionswerber das betreffende Grundstück in diesem Ausmaß (nach Teilung) rückzuübereignen sei.
12 Gegen dieses Erkenntnis - soweit nicht das gesamte Grundstück Nr. 1537/16, KG L., rückübereignet werde - richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, in der Sache selbst zu entscheiden, in eventu das Erkenntnis im angefochtenen Umfang kostenpflichtig aufzuheben.
Der Stadtsenat erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13 Die Revision erweist sich angesichts des in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichens von der hg. Rechtsprechung zur Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte als zulässig.
14 Gemäß § 29 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 28.6.2017, Ra 2016/09/0091, mwN).
15 Nach der auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, aufrecht erhaltenen hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2014/07/0012, mwN).
16 Das angefochtene Erkenntnis wird den dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht gerecht, weil es weder eine konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes noch eine Darstellung jener rechtlichen Erwägungen enthält, die zur Abweisung des Rückübereignungsantrages des Revisionswerbers in Bezug auf jenen Teil des Grundstückes Nr. 1537/16, der nicht in dem im Spruch genannten Plan als "Straßenbegleitgrün" ausgewiesenen ist, geführt haben.
17 Da sich das angefochtene Erkenntnis somit insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit entzieht, war es im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
18 Im Hinblick auf das fortzusetzende Verfahren wird bemerkt, dass der Revisionswerber entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes in seiner Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat.
19 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 30. Oktober 2018
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