VwGH Ra 2017/22/0033

VwGHRa 2017/22/003327.7.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 24. Jänner 2017, 405- 11/31/1/2-2017, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei:

N S in S, vertreten durch Mag. Roland Stöglehner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 31a), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein serbischer Staatsangehöriger, beantragte am 14. Juni 2016 die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Künstler" gemäß § 61 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Der Mitbeteiligte legte ua. eine Mietvereinbarung sowie eine Rechnung vom 14. Juni 2016 über durchgeführte Reinigungsarbeiten für den Zeitraum von 18. April 2016 bis 10. Juni 2016 von insgesamt EUR 3.100,50 vor.

2 Im Rahmen einer Vorsprache beim Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg (im Folgenden: Revisionswerber) am 28. Juni 2016 gab der Mitbeteiligte an, er verdiene seinen Lebensunterhalt als Musiker und zusätzlich arbeite er als Hausbetreuer, wobei er bei dieser Tätigkeit ca. EUR 1.000,-- verdiene.

3 In weiterer Folge legte der Mitbeteiligte einen Werkvertrag (vom 14. Juni 2016) für den Zeitraum vom 14. Juni 2016 bis 14. Juni 2017 betreffend Musikauftritte in einem näher genannten Gasthof und für die Monate Jänner 2016 bis Juni 2016 Rechnungsbestätigungen samt Auszahlungsbelege (EUR 900,-- bzw. EUR 1.200,-- pro Monat) einer näher genannten Pizzeria für die Tätigkeit als Keyboardspieler in diesem Zeitraum (jeweils freitags und samstags von 20:00 - 00:00 Uhr) vor.

4 Mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 wies der Revisionswerber den Antrag mit der Begründung ab, der Mitbeteiligte habe keinerlei künstlerische Tätigkeit nachgewiesen; er bestreite seinen Unterhalt nicht durch das Einkommen aus seiner künstlerischen Tätigkeit, sondern sei als Hausbetreuer tätig. Darüber hinaus habe die Bezirkshauptmannschaft S. bekannt gegeben, dass für die näher genannte Pizzeria laut der Betriebsanlagengenehmigung nur Hintergrundmusik, jedoch keine Live-Musik genehmigt sei.

5 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde. Darin führte er aus, er habe nachgewiesen, dass er in der näher genannten Pizzeria als Musiker im letzten Jahr jedes Wochenende gearbeitet habe. Dafür habe er monatlich EUR 1.200,-- brutto verdient und damit den überwiegenden Teil seines Lebensunterhaltes bestritten. Das Gewerbe "Durchführung von Gartenarbeiten" habe er im April 2016 angemeldet und nur bis Ende Juni 2016 nebenbei ausgeübt. Dieser Teil seines Einkommens sei lediglich als Ergänzung zu seinem künstlerischen Einkommen anzusehen und stelle den wesentlich geringeren Einkommensbestandteil dar. Er habe im behördlichen Verfahren auch einen neuen Vertrag vorgelegt, wonach er bei einem näher genannten Gasthof jeweils zum Wochenende tätig sei. Er beantragte, "jedenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen".

6 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. Jänner 2017 behob das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) den Bescheid vom 4. Oktober 2016 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Revisionswerber zurück. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

7 Das LVwG führte begründend aus, der Revisionswerber sei im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gelangt, der Mitbeteiligte könne seinen Unterhalt nicht durch ein Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit decken, und habe dabei ausschließlich auf in der Vergangenheit liegende Umstände verwiesen. Es sei jedoch auf die zukünftige Entwicklung abzustellen. Der Verwaltungsgerichtshof erachte eine Antragsabweisung dann für zulässig, wenn keinerlei Nachweise für eine zukünftige Einkommenserzielung vorgelegt würden. Es sei zulässig, geplante künstlerische Aufträge durch Vorverträge oder (unverbindliche) Auftragszusagen oder dergleichen glaubhaft zu machen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 6. August 2009, 2008/22/0639). Der Revisionswerber hätte daher den im Verfahren vorgelegten Werkvertrag, wonach der Mitbeteiligte zwischen 14. Juni 2016 und 14. Juni 2017 jeweils am Wochenende in einem näher genannten Gasthof als Musiker tätig sein könne, nicht außer Betracht lassen dürfen, sondern seiner Prognoseentscheidung zugrunde legen müssen. Auf Basis dieses Werkvertrages hätte der Revisionswerber prüfen müssen, ob dieser eine fundierte Grundlage für eine zukünftige Einkommenserzielung in Österreich bilde. Angesichts dessen, dass der Revisionswerber jegliche Ermittlungstätigkeit zur künftigen Einkommenserzielung des Mitbeteiligten trotz des vorgelegten Werkvertrages unterlassen habe, stehe der maßgebliche Sachverhalt nicht fest, weshalb die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Revisionswerber zurückverwiesen werde.

8 "Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses" habe eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen können.

9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordenltiche Amtsrevision. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision führt zur Zulässigkeit aus, die angefochtene Entscheidung weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Verpflichtung gemäß § 28 VwGVG, in der Sache zu entscheiden, ab (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, und vom 27. August 2014, Ro 2014/05/0062).

11 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 12 Nach ständiger hg. Rechtsprechung zu § 28 VwGVG (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), normiert diese Bestimmung einen prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterließ, sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte setzte oder bloß ansatzweise ermittelte. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG für eine Sachentscheidung vor, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls eine solche zu treffen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2017, Ra 2016/03/0063). Selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, rechtfertigen keine Zurückverweisung der Sache, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2016, Ro 2015/03/0038). Würdigt das Verwaltungsgericht Beweisergebnisse anders als die Verwaltungsbehörde und ergibt sich daraus die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen, stellt dies keine Unterlassung der Ermittlungstätigkeit durch die Verwaltungsbehörde dar, die zu einer Zurückverweisung berechtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 2015, Ra 2015/08/0089, mwN).

13 Im vorliegenden Fall erteilte der Revisionswerber dem Mitbeteiligten den Verbesserungsauftrag vom 14. Juni 2016 zur Vorlage diverser Unterlagen (Einkommenssteuerbescheide, Abrechnungsbelege, Mietvertrag, Gewerbeschein), vernahm ihn am 28. Juni 2016 und gewährte ihm mit Schreiben vom 21. Juli 2016 Parteiengehör. Dem Verwaltungsakt liegen ein Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria betreffend eine Gewerbeberechtigung des Mitbeteiligten für die Tätigkeit als Hausbetreuer, eine Auskunft vom 30. Juni 2016 über seine Sozialversicherungszeiten, der Werkvertrag vom 14. Juni 2016 sowie mehrere Schreiben samt Rechnungsbelegen einer näher genannten Pizzeria bei.

14 Angesichts dessen kann nicht gesagt werden, der Revisionswerber habe jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen oder lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt. Der Revisionswerber führte die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes notwendigen Ermittlungen durch, jedoch legte er den vom Mitbeteiligten bereits im behördlichen Verfahren vorgelegten Werkvertrag vom 14. Juni 2016 zum Nachweis seiner zukünftigen Einkommenserzielung aus künstlerischer Tätigkeit seiner Entscheidung nicht zugrunde. Das ändert aber nichts daran, dass der Sachverhalt im Wesentlichen feststand und das LVwG eine allenfalls notwendige Ergänzung desselben in der vom Mitbeteiligten beantragten mündlichen Verhandlung selbst vorzunehmen gehabt hätte.

15 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

16 Bei diesem Ergebnis kommt gemäß § 47 Abs. 3 VwGG ein Kostenzuspruch an den Mitbeteiligten nicht in Betracht.

Wien, am 27. Juli 2017

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