VwGH Ra 2017/19/0470

VwGHRa 2017/19/047022.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des 1. K R,

2. der J M, 3. des A H R, 4. der Z R, alle vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes je vom 26. September 2016, 1) W153 2131305-1/6E, 2) W153 2131301-1/6E,

3) W153 2131303-1/6E und 4) W153 2131306-1/6E, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung von Außerlandesbringungen nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32013R0604 Dublin-III Art13 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art3 Abs2;
AsylG 2005 §5;
EURallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige von Afghanistan und stellten am 29. Dezember 2015 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und Eltern des Drittrevisionswerbers und der Viertrevisionswerberin.

2 Mit Bescheiden je vom 6. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der revisionswerbenden Parteien gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück und sprach aus, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) Kroatien für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Es ordnete weiters gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung der revisionswerbenden Parteien an und stellte fest, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Da der Verwaltungsgerichtshof - wie bereits angeführt - gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits betont, dass die Gründe für die Zulässigkeit der Revision (insbesondere auch) gesondert von den Revisionsgründen gemäß § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG darzustellen sind. Auch wird der Darstellung von Revisionsgründen nicht dadurch entsprochen, dass auf die Ausführungen zu den Zulässigkeitsgründen verwiesen wird. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. zum Ganzen VwGH 14.12.2016, Ra 2016/19/0300).

9 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich die gegenständliche Revision, die inhaltlich und formal eine Trennung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG und der Revisionsgründe nicht erkennen lässt, als nicht gesetzmäßig ausgeführt, zumal sich die Ausführungen zu den Gründen für die Zulässigkeit unter der Überschrift

"6. Beschwerdegründe - 6.1 Zulassungsgründe, Zulassungsbeschwerde" finden.

10 Darüber hinaus wird in der Revision auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

11 Sofern die revisionswerbenden Parteien vorbringen, Griechenland sei der zuständige Mitgliedstaat zur Prüfung der Asylanträge, da die Familie in Griechenland erstmals europäischen Boden betreten hätte, so ist auf das hg. Leiterkenntnis vom 23. Juni 2016, Ra 2016/20/0069 zu verweisen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof bereits die Frage geklärt, dass bei einem kurzen Zeitraum der Abwesenheit aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten gerade im Hinblick darauf, dass im Mitgliedstaat der ersten Einreise - Griechenland - (nach wie vor) im Asylsystem systemische Mängel herrschen, bei der gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin III-Verordnung fortzusetzenden Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates weiterhin auch Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung anzuwenden ist. Am Boden dieser Rechtslage und des festgestellten Sachverhaltes, insbesondere zur Reiseroute der revisionswerbenden Parteien, ist die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung, nämlich die Zuständigkeit Kroatiens aufgrund der nicht fristgerechten Beantwortung des Aufnahmeersuchens gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO nicht als rechtswidrig anzusehen.

12 Mit dem weiteren Vorbringen einer "Unionsgrundrechtswidrigkeit" des Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO im Zusammenhang mit Art. 17 Dublin III-VO vermögen die revisionswerbenden Parteien keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gegen die Vereinbarkeit der Vorschriften der Dublin III-VO mit unionsrechtlichem Primärrecht zu wecken. Der Verwaltungsgerichtshof sieht daher auch keinen Anlass, der Anregung der revisionswerbenden Parteien, an den EuGH heranzutreten, zu folgen.

13 In der Revision wird weiters vorgebracht, Österreich hätte aufgrund systemischer Mängel bei der Unterbringung im kroatischen Asylverfahren von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch machen müssen.

14 In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wurde bereits geklärt, dass die Asylbehörden bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch Art. 3 EMRK zu berücksichtigen und bei einer drohenden Verletzung dieser Vorschrift das im Dublin-System vorgesehene Selbsteintrittsrecht auszuüben haben, sowie, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 widerlegbar ist (vgl. etwa VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0163; VwGH 2.1.2017, Ra 2016/18/0235).

15 Im vorliegenden Fall führte das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die dem Erkenntnis zu Grunde gelegten Berichte über Kroatien aus, Dublin-Rückkehrer hätten Zugang zu Unterbringung, medizinischer Basisversorgung, Bildung, psychologischer Beratung und Hilfe bei der Arbeitssuche. Weiters sei ein temporäres Zulassungszentrum zur Registrierung und temporären Unterbringung von Migranten errichtet worden. Dort werde mit Hilfe des Roten Kreuzes und des UNHCR die Hilfe koordiniert. Man kümmere sich insbesondere um Vulnerable und Familien. Dem Bundesverwaltungsgericht würden keine Hinweise dafür vorliegen, dass Familien und deren Kinder bei der Rücküberstellung nach Kroatien nicht in einer dem Alter angepassten Unterkunft untergebracht oder Familien getrennt werden würden, weshalb die Einholung einer Einzelfallzusicherung nicht notwendig sei.

16 Der Revision gelingt es nicht, die nicht als unvertretbar zu erkennende Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall in Zweifel zu ziehen. Weder vor dem Hintergrund der vorliegenden Berichte zur Lage in Kroatien noch aufgrund der allgemeinen Ausführungen der revisionswerbenden Parteien ergeben sich konkrete Hinweise darauf, dass es nach Rückführung der revisionswerbenden Parteien zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC kommen werde. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die in § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zum Ausdruck gebrachte Sicherheitsvermutung erschüttert wäre (vgl. dazu VwGH 23.6.2016, Ra 2016/20/0069).

17 Im Hinblick auf das weitere Vorbringen in der Revision betreffend Art. 8 EMRK ist darauf hinzuweisen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0054).

18 Zutreffend führte das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang aus, dass es im Fall der Überstellung aller revisionswerbenden Parteien nach Kroatien zu keinem Eingriff in das Familienleben komme, da eine gemeinsame Abschiebung unter Wahrung der Familieneinheit keine Verletzung des Familienlebens darstelle. Im Rahmen einer vertretbaren Interessenabwägung kam es - unter Berücksichtigung einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer und den Integrationsbemühungen-  zu dem Schluss, dass kein relevanter Eingriff in das Privatleben der revisionswerbenden Parteien vorliege.

19 Schließlich wird zur Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführt, die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht sei verfassungswidrig.

20 Zwar hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. September 2017, G 134/2017-12, u.a. die Wortfolge "2, 4 und" sowie den Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist." in § 16 Abs. 1 BFA-VG als verfassungswidrig auf, doch wurde die angefochtene Entscheidung nicht darauf gegründet, dass die revisionswerbenden Parteien die Beschwerdefrist versäumt hätten. Inwiefern daher im gegenständlichen Fall die Revision von der aufgeworfenen Frage betreffend die im BFA-VG vorgesehene Frist zur Erhebung einer Beschwerde abhängen würde, ist nicht zu sehen.

21 Mit dem bloßen Verweis auf den jüngst auf der Homepage des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlichten Vorabentscheidungsantrag an den EuGH, EU 2017/0007, vermögen die revisionswerbenden Parteien keine Relevanz für den Ausgang des Verfahrens aufzuzeigen.

22 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

23 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 22. November 2017

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