VwGH Ra 2017/17/0342

VwGHRa 2017/17/03425.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der F s.r.o. in P (T), vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 16. Februar 2017, LVwG 41.9-2541/2016-2, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §53 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §37;
VwGVG 2014 §44 Abs4;
VwGVG 2014 §44;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170342.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 19. August 2016 wurde gegenüber der revisionswerbenden Partei gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme näher bezeichneter Glücksspielgeräte samt sonstiger Eingriffsgegenstände angeordnet.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark, in welcher sie unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision ist in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen dargelegte Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG zulässig und berechtigt.

6 Das Verwaltungsgericht begründete das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung dahin, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits durch den vorgelegten Akt der belangten Behörde ausreichend und abschließend dokumentiert sei. Da vom Rechtsvertreter auch keinerlei substantiierten Beweisanträge zu allfälligen nicht behandelten Beweisthemen gestellt worden seien, könne auch nicht erkannt werden, aus welchen Gründen sich eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben hätte können.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 53 Abs 2 GSpG bereits mehrmals ausgesprochen, dass die Bestimmungen über die Beschlagnahme im Glücksspielgesetz als Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen sind, weshalb die Vorschriften über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen des VwGVG (§§ 37ff VwGVG) zur Anwendung zu gelangen haben. Im Hinblick auf die in Frage stehende Verhandlungspflicht bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass § 44 VwGVG anzuwenden gewesen wäre (vgl VwGH vom 1. Juni 2017, Ra 2016/17/0200, mwN).

8 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs 2 bis 5 leg cit finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. So entfällt die Verhandlung nach Abs 2 leg cit, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Liegen diese Voraussetzungen nach Abs 2 leg cit nicht vor und hat die Partei einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, so kann das Verwaltungsgericht nach § 44 Abs 4 VwGVG nur dann von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Ein Absehen von der Verhandlung ist jedenfalls (ausreichend) zu begründen (vgl wieder zB VwGH vom 1. Juni 2017, Ra 2016/17/0200, mwN).

9 Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Beschwerde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Das Landesverwaltungsgericht hat über diese Beschwerde mit abweisendem Erkenntnis entschieden, weshalb ein Absehen nach § 44 Abs 4 VwGVG nicht in Betracht kommt (vgl VwGH vom 11. August 2017, Ra 2017/17/0346, mwN).

10 Da auch sonst keine der in § 44 VwGVG genannten Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung vorgelegen sind, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig.

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 5. Oktober 2017

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