VwGH Ra 2017/17/0346

VwGHRa 2017/17/034611.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des T M in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 20. März 2017, E 018/06/2017.006/008, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mattersburg), zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §44 Abs5;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170346.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 12. Dezember 2016 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs 1 Z 1 erster Fall iVm § 2 Abs 4 Glücksspielgesetz (GSpG) und § 9 VStG betreffend ein näher bezeichnetes Glücksspielgerät im Tatzeitraum von 21. Jänner 2014 bis 18. August 2014 für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) verhängt.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Burgenland, in welcher er unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - insofern Folge, als es das Straferkenntnis hinsichtlich des Tatzeitraums von 21. Jänner 2014 bis 28. Februar 2014 behob und das Strafverfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall VStG einstellte sowie für den Tatzeitraum von 1. März 2014 bis 18. August 2014 die Geldstrafe auf EUR 4.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf fünf Tage und 14 Stunden herabsetzte. Im Übrigen bestätigte es das Straferkenntnis und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

 

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision ist in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen dargelegte Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG zulässig und berechtigt.

7 Das Verwaltungsgericht begründete das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung dahin, dass im Hinblick auf die Aufforderung des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2017, der Revisionswerber möge binnen 14 Tagen bekanntgeben, ob er die Einwände zum Sachverhalt und den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrecht erhalte, von der Zurückziehung der sachverhaltsbezogenen Einwände sowie von einem Verhandlungsverzicht auszugehen sei. Da der Sachverhalt somit feststehe und sich die Beschwerde auf die Geltendmachung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung (Unionsrechtswidrigkeit des GSpG, Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes, mangelnde Spruchkonkretisierung und Strafhöhe) beschränke, habe gemäß § 44 Abs 3 Z 1 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden können.

8 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs 2 bis 5 leg cit finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Gemäß § 44 Abs 3 Z 1 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Sofern die Parteien ausdrücklich auf die Durchführung einer Verhandlung verzichten, kann das Verwaltungsgericht davon absehen (§ 44 Abs 5 VwGVG).

9 Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Allein aus dem Umstand, dass sich der Revisionswerber in seiner fristgerechten Stellungnahme vom 6. März 2017 zur Aufforderung des Landesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2017, binnen 14 Tagen mitzuteilen, ob er seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrecht erhalte, nicht konkret einging, kann nicht auf einen ausdrücklichen Verzicht auf die vom Revisionswerber in der Beschwerde beantragte mündliche Verhandlung im Sinne des § 44 Abs 5 VwGVG geschlossen werden, zumal in der Stellungnahme zum Einwand der Unionsrechtswidrigkeit Zeugenbeweise angeboten wurden.

10 Da das Landesverwaltungsgericht - richtig - mit Erkenntnis entschieden hat, kommt auch ein Absehen nach § 44 Abs 4 VwGVG (das voraussetzt, dass das Verwaltungsgericht einen Beschluss zu fassen hat) nicht in Betracht (vgl VwGH vom 5. April 2017, Ra 2017/04/0028 mwN).

11 Es lagen damit keine der in § 44 VwGVG genannten Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung vor.

12 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. August 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte